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Im Januar 1942 wurde Ernst S. von der Polizei verhaftet.
Schweizerisches Bundesarchiv
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75 Jahre nach der Erschiessung des Ernst S.

Am 10. November 1942 spätabends wurde der 23-jährige St. Galler Ernst S. in der Nähe von Jonschwil erschossen. Hingerichtet als Landesverräter, als Nazi-Kollaborateur. Wie kam es dazu? Der «Doppelpunkt» rollt den umstrittenen «Fall Ernst S.» nochmals auf und zeigt, wie er bis heute nachwirkt.

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Ernst S. war der erste von insgesamt 17 Männern, die in der Schweiz zwischen 1942 und 1944 wegen Landesverrats hingerichtet wurden. Sein Vergehen: Er hatte zwei Mal Munition der Schweizer Armee entwendet und für ein paar hundert Franken an den deutschen Geheimdienst verkauft. Seine Geschichte warf in der Schweiz hohe Wellen, als der Journalist Niklaus Meienberg 1974 seine Reportage «Die Erschiessung des Landesverräters Ernst S.» veröffentlichte und Regisseur Richard Dindo einen Dokumentarfilm über diesen Fall drehte.

«Die Todesstrafe war zu hart»

Seither ist der «Fall Ernst S.» in der Versenkung verschwunden. Heutigen Generationen ist sein Name kein Begriff mehr, und auch das Wissen um die Todesurteile im zweiten Weltkrieg nimmt ab. Nun beurteilen in der Sendung «Doppelpunkt» drei Historiker die Ereignisse von damals. Sie kommen übereinstimmend zum Schluss, dass das Urteil gegen den 23-jährigen Ernst S. zu hart war. «Seine Tat alleine reicht nicht aus, um die Todesstrafe zu rechtfertigen», sagt etwa der Doktorand Jonas Stöckli, der in seiner Dissertation an der Universität Bern gerade als erster überhaupt die Todesurteile gegen Schweizer Landesverräter im zweiten Weltkrieg umfassend aufarbeitet.

Das Tabu um Onkel Ernst

Sehr prägend war der Tod des jungen Ernst S. für seine Angehörigen. Die brutale Hinrichtung, das Gerede der Leute sowie die Scham darüber, einen Landesverräter in der Verwandtschaft zu haben, haben bei der Familie tiefe Spuren hinterlassen. Eine Nichte von Ernst S. erzählt in der Sendung, weshalb ihr Onkel in der Familie immer noch ein Tabu ist und weshalb sie das Schweigen brechen will.

Der «Fall Ernst S.» beschäftigt aber nicht nur Angehörige und Historiker. Schon seit vielen Jahren treibt die Geschichte auch einen jungen Schweizer Filmemacher um. Im Moment ist er dabei, ein Drehbuch für einen Spielfilm zum Thema auszuarbeiten. Ernst S. eigne sich bestens als Kino-Stoff, weil er nicht einfach ein klassischer Held sei, sondern eine gebrochene Persönlichkeit habe – mit positiven und negativen Facetten, so der Regisseur. «Ich bin überzeugt, dass das Schicksal von Ernst S. auch die jungen Menschen von heute noch berühren kann, so wie es mich als Teenager berührt hat.»

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