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Bring bringt’s nach Hause
Aus Espresso vom 31.05.2018. Bild: Keystone
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Online-Shopping Bring bringt’s nach Hause

Die Schweizer Einkaufszettel-App Bring spannt mit Brack zusammen und liefert nun auch Lebensmittel. Lohnt sich das?

Die Einkaufszettel-App Bring gehört zu den erfolgreichsten Schweizer Apps: Sie hat weltweit rund 5 Millionen Benutzer, gut 400'000 davon kommen aus der Schweiz. In der App lassen sich unkompliziert Einkaufslisten zusammenstellen und mit Mitbewohnerinnen oder dem Partner teilen.

Schon bei der ersten Version der App vor fünf Jahren hatten die Macher Pläne, auch eine direkte Kaufmöglichkeit in der App anzubieten. «Es war immer unsere Absicht, dass man in Bring nicht nur Einkäufe planen, sondern die Artikel gleich auch bestellen kann. Aber es dauerte eine Weile, bis unsere Infrastruktur – und auch der Schweizer Kunde – dafür bereit war», sagt Marco Cerqui, CEO und Mitgründer von Bring.

Um den Schritt vom Einkaufszettel zum Bestelldienst zu machen hat Bring jetzt mit dem Onlinehändler Brack zusammengespannt, der seit Anfang März auch 5000 Artikel des täglichen Bedarfs liefert – darunter Lebensmittel, die ohne Kühlung haltbar sind. Alle Artikel aus dem Sortiment von Brack können in der Bring-App ausgewählt werden. Bestellungen, die vor 17 Uhr eingehen, liefert die Post am nächsten Werktag. Einen Mindestbestellwert gibt es nicht, aber erst ab einem Betrag von 50 Franken ist die Lieferung kostenlos.

«Mit den tiefen Lieferkosten und dem Verzicht auf einen Mindestbestellwert hat Brack sehr gute Konditionen», erklärt Marco Cerqui die Zusammenarbeit. Bei anderen Online-Händlern für Lebensmittel muss für mindestens 100 Franken bestellt werden und es fallen Lieferkosten von bis zu 18 Franken an.

Ausserdem habe der Online-Händler dabei geholfen, die nötige Infrastruktur rasch zusammen aufzubauen, lobt Cerqui die Zusammenarbeit. Die Kooperation hat vielleicht auch mit der Angst vor Amazon zu tun. Denn der Online-Gigant hat konkrete Pläne, sich im Schweizer Markt stärker zu engagieren. Deshalb ist es für die Mitbewerber in der Schweiz wichtig, sich jetzt schon in Position zu bringen.

Online-Sorgenkind Lebensmittel

Beim Schweizer Online-Shopping mit Lebensmitteln mischen bisher nur die beiden grossen mit, Migros mit Le Shop und Coop mit Coop@home. Beide mit eher bescheidenem Erfolg: Le Shop machte 2017 einen Umsatz von 181 Millionen Franken, bei Coop@home betrug er 142 Millionen. Bei der Migros sind das 0,65 Prozent des gesamten Konzernertrags, bei Coop nicht einmal 0,5 Prozent.

Zum Vergleich: Der führende Schweizer Online-Händler Digitec Galaxus (der auch der Migros gehört) machte 2017 fast fünfmal mehr Umsatz als Le Shop und konnte mit 18,5 Prozent ein mehr als sechsmal so grosses Wachstum vorweisen.

Lebensmittel sind beim Online-Shopping denn auch das Sorgenkind. Während heute schon 14,2 Prozent der Non-Food-Artikel per Internet gekauft werden, sind es bei den Nahrungsmitteln erst 2,3 Prozent. Dieser Anteil soll sich laut Analysten in den nächsten Jahren bestenfalls verdoppeln. Damit liegt die Schweiz immerhin vor Deutschland, Österreich und anderen europäischen Ländern. Spitzenreiter in Europa ist aber das Vereinigte Königreich, wo der Anteil bei 6 Prozent liegt.

Bisher kaum mehr als eine schwarze Null

Es gibt verschiedene Gründe, warum die Lebensmittel beim Online-Shopping anderen Sparten hinterherhinken: Das dichte Netz an Lebensmittelläden macht es Schweizer den Kundinnen und Kunden leicht, auf das Bestellen im Internet zu verzichten. Dazu kommt der Wunsch, Früchte und Gemüse beim Kauf selber auszuwählen. Hohe Lieferkosten oder ein Mindestbestellwert schrecken zusätzlich ab.

Für die Händler wiederum sind Lebensmittel-Bestellungen mit weit grösserem Aufwand verbunden als zum Beispiel bei der Unterhaltungselektronik. Nicht nur, weil rasch geliefert werden muss, sondern auch weil der Verpackungsaufwand viel grösser ist. Diese Mehrkosten rechnen sich kaum: Selbst Coop-Chef Joos Sutter musste einräumen, dass bei Coop@home unter Einberechnung aller Kosten nur eine schwarze Null übrigbleibt.

Eine Schnittstelle für Lebensmittel

Was also wollen Bring und Brack da anders machen? «Wir können auf unsere bestehende Infrastruktur aufbauen, ohne extra investieren zu müssen», erklärt Brack-CEO Marc Isler. Und mit dem Verzicht auf die Lieferung von Frischwaren fallen viele der Kosten weg, die das Online-Geschäft mit Nahrungsmitteln so schwierig machen.

In der Top Ten des Schweizer Online-Handels ist Brack der einzige unabhängige Schweizer. Er steht auf Nummer fünf, hinter Digitec Galaxus, Zalando, Amazon und Nespresso. Besondere Bedeutung für den Schweizer Online-Markt hat Brack als Distributionszentrum: Aus ihrem Lager mit mehr als 200'000 Artikeln beliefert die Firma mit Sitz im aargauischen Mägenwil viele andere Schweizer Online-Händler. Es wird geschätzt, dass selbst Digitec Galaxus nur 20 Prozent seiner Waren selbst vorrätig hat und den Rest zu einem grossen Teil von Brack bezieht.

Könnte Brack bald auch im Online-Handel mit Lebensmitteln eine zentrale Rolle spielen? «Es ist durchaus denkbar, dass wir auch da eine Art Schnittstelle werden könnten», meint CEO Marc Isler. Solche Überlegungen spielten bei der Zusammenarbeit mit Bring aber vorerst keine Rolle.

In Zukunft auch frische Lebensmittel

Bei Bring sind die grossen Ziele schon konkreter. CEO Marco Cerqui hat den Plan, die App zur wichtigsten Plattform zu machen, über die man in der Schweiz Lebensmittel bestellt. Aus diesem Grund will Bring mit weiteren Lieferanten zusammenarbeiten: «Bis Ende Jahr wollen wir einen neuen Partner präsentieren, der auch die Lieferung von Frischwaren möglich macht», sagt Cerqui. Einen Namen will er nicht nennen. Könnte es Le Shop oder Coop@home sein? Das lasse sich nicht ausschliessen.

Auf eine Zusammenarbeit mit Bring angesprochen geben sich die beiden Grossverteiler wortkarg. «Entsprechende Kooperationen kommunizieren wir jeweils, wenn diese aktuell sind», schreibt die Migros. Eine Zusammenarbeit könnte sich durchaus lohnen: Dank der grossen Nutzerbasis von Bring könnten Migros oder Coop neue Kunden für ihr Online-Angebot gewinnen und von der einfachen Nutzerführung der App profitieren. Und für Bring wäre es ein grosser Schritt hin zum Ziel, sich als die Plattform für Lebensmittelbestellungen in der Schweiz zu etablieren.

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