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Bschiss mit Lederstühlen: Möbelhaus lässt Kunden sitzen
Aus Kassensturz vom 27.03.2018.
abspielen. Laufzeit 8 Minuten 39 Sekunden.
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Konsum Diga: Wenn Lederstühle nicht aus Leder sind

Mehrere Diga-Kunden fühlen sich über den Tisch gezogen: Sie haben Leder-Stühle gekauft, die nun abblättern. Wie kann das sein? «Kassensturz» will es genau wissen und bringt die Stuhlmodelle ins Leder-Labor. Dort wird schnell klar: Aus Echt-Leder sind die Stühle nicht.

Mit einem SRF-Lieferwagen sammeln die zwei «Kassensturz»-Reporter drei verschiedene Stuhlmodelle von unzufriedenen Diga-Kunden ein. Der Grund: Die Stühle verlieren ihren Bezug, die Oberfläche blättert ab. So auch bei Kilian Baeriswyl aus dem Kanton Fribourg. Er kaufte vor neun Jahren sechs Lederstühle für mehr als 2600 Franken. Ein stolzer Preis, doch Baeriswyl wollte Qualität.

Diga Gebäude
Legende: Diga zeigt sich nicht wenig kulant und bietet nur einen kleinen Rabatt auf eine Neubeschaffung. SRF

Schön sehen die Stühle heute aber nicht mehr aus. Überall beginnt sich die Oberfläche zu lösen. Baeriswyl informiert Diga über die Mängel. Das Möbelhaus teilt ihm mit, dass die Garantiefrist abgelaufen sei, er aber kulanterweise fünf Prozent Rabatt auf den Kauf von neuen Stühlen bekomme. Der Kunde findet: «Ich will keinen mickrigen Rabatt.» Er wolle Lederstühle, so wie beim Kauf schwarz auf weiss versprochen.

Diese Stühle haben ein Textilvlies. Das hat mit Leder überhaupt nichts zu tun.
Autor: Hans Götzfried Salamander-Geschäftsführer

Auch Ernst Schär wollte qualitativ hochstehende Lederstühle und kaufte ebenfalls bei Diga ein. Mehr als 1800 Franken bezahlte er für Stühle aus «Leder schwarz». Heute, zehn Jahre später, muss er schon wieder neue Stühle kaufen und ist dementsprechend unzufrieden: «Ich bin sicher nicht der einzige, der solche Stühle gekauft hat. Und ich habe schon viel bei Diga eingekauft. Ich bin sehr enttäuscht.»

Leder-Experten sind sich einig: Leder sieht anders aus

«Kassensturz» will es genau wissen und bringt die Stühle zu zwei Leder-Experten der Firma Salamander Bonded Leather in Bayern. Beim Anblick der Stühle sind sie sich schnell sicher: Aus Echt-Leder sind sie nicht. Salamander- Geschäftsführer Hans Götzfried erklärt: «Leder ist eine gewachsene Tierhaut. Diese Stühle haben aber ein Textilvlies. Das hat mit Leder überhaupt nichts zu tun.»

Einzig beim Stuhl von Kilian Baeriswyl finden die Experten Echt-Leder – dies aber auch nur teilweise. «Die Sitz- und Rückenfläche ist aus Leder, alle anderen Teile sind aus Kunststoff», analysiert Götzfried.

Besonders interessiert sind die Experten am Modell von Peter Möri aus dem Kanton Bern. Dieser bekam von Diga nämlich die Antwort, dass es sich bei seinem Stuhl zwar nicht um Echt-Leder handle, jedoch aber um sogenanntes Salpa-Leder. Genau dieses Leder stellt Salamander Bonded Leather her. Und für den Leder-Fachmann Hans Götzfried steht fest: «Das hat mit Salpa – sprich Lederfaserstoff – überhaupt nichts zu tun. Lederfaserstoff hat wie Leder kein Textilgewebe, gar nichts. Lederfaserstoff besteht aus recycelten Lederfasern.»

Leder und Kunstleder: Worin unterscheiden sie sich?

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Auch wenn es heute sehr gute Lederimitate gibt, gibt es doch einige Möglichkeiten Kunstleder zu erkennen. Hier einige hilfreichen Tricks.

Diga will vor der Kamera keine Stellung zu diesem Fall nehmen. Schriftlich erklärt das Möbelhaus, dass es nun selbst in einem Labor überprüfen lassen will, ob es sich wirklich um Salpa-Leder handelt oder nicht: «Sollte sich herausstellen, dass in einer oder mehreren Produktionsserien anstatt Salpa-Leder ein anderes Kunst-Leder verwendet wurde, wäre dies auch für uns eine unerwartete Täuschung. Mit allfällig betroffenen Kunden werden wir selbstverständlich eine grosszügige Lösung suchen.»

«Leder» kann alles sein

Diga erklärt allgemein zu den Reklamationen, dass keines der Modelle als «Echt-Leder» bezeichnet wurde. Also habe das Möbelhaus korrekt deklariert. Deshalb erhalten die betroffenen Kunden auch nach mehrmaligem Nachhaken von «Kassensturz» kein besseres Angebot von Diga als die fünf Prozent Rabatt auf einen Neukauf.

Für die Kunden ist die Unterscheidung zwischen «Leder» und «Echt-Leder» spitzfindig und nicht nachvollziehbar. Kilian Baeriswyl fühlt sich getäuscht vom Möbelhaus: «Ich finde das nicht okay. Auf Schuhen heisst es auch Leder, wenn sie wirklich aus Leder sind. Und ich habe noch nie Schuhe gekauft auf denen Leder stand und dann waren es Gummi- oder Plastik-Schuhe.»

Wäre in Deutschland nicht zulässig – in der Schweiz schon

Diesen Ärger versteht Experte Götzfried. Er sagt klar: In Deutschland wäre der Verkauf von solchen Stühlen als «Lederstühle» nicht zulässig. «In Deutschland darf man nur Leder sagen, wenn es sich um eine Original-Tierhaut handelt. Diese Stühle sind aus keiner Tierhaut. Deshalb ist in Deutschland und anderen europäischen Ländern die Bezeichnung ‘Leder’ für solche ein Produkt nicht zulässig.»

In der Schweiz ist der Begriff «Leder» nicht klar definiert. Somit kann ein Möbelhaus theoretisch auch Kunstleder als «Leder» verkaufen. Immerhin hat Diga seine Praxis diesbezüglich geändert. Auf Anfrage von «Kassensturz» sagt das Möbelhaus, dass es heute nicht mehr zwischen «Leder» und «Echt-Leder» unterscheide. Ist ein Leder kein echtes Leder, deklariert es Diga als Textilleder.

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