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«Made in Europe» macht Kleider nicht nachhaltiger
Aus Espresso vom 15.11.2018. Bild: Colourbox
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Textilindustrie «Made in Europe» macht Kleider nicht nachhaltiger

Die Verlagerung der Textilproduktion nach Europa ist nur bedingt nachhaltiger. Die Arbeitsbedingungen sind schlecht.

Eine Studie der Beratungsfirma McKinsey zeigt: Immer mehr Kleiderfirmen verlagern die Produktion nach Europa oder zumindest in den Mittelmeerraum. Auch wenn nach wie vor ein grosser Teil der Kleider in Fabriken in Südostasien gefertigt wird: Eine Umfrage der «Sonntagszeitung» bei Schweizer Kleiderläden bestätigt den anhaltenden Trend zu Standorten, die näher liegen.

Kürzere Wege können auch Wegwerfmentalität fördern

Der grosse Vorteil für die Industrie: Die Transportwege sind bedeutend kürzer. Ein Kleidungsstück aus Asien ist einen Monat unterwegs, aus der Türkei zum Beispiel dauert der Transport nur wenige Tage. So können die Unternehmen kurzfristiger reagieren.

Laut Tobias Meier vom Beratungsunternehmen Ecos hat das neben dem Transportaufwand auch den Vorteil, dass weniger Kleider produziert werden, die gar nie verkauft werden können.

Andererseits könnte mit der näheren, flexibleren Produktion auch dem Bedürfnis von Konsumenten nachgekommen werden, möglichst schnell möglichst viel Kleidung einzukaufen. Viele Konsumenten hätten sich bei Kleidern an eine Wegwerfmentalität gewöhnt, und so wäre laut Tobias Meier der Nachhaltigkeit kein grosser Dienst erbracht.

«Made in Europe» ist keine Garantie für Nachhaltigkeit

Ein weiterer Vorteil für Kleiderunternehmen: Sie können ihre Kleider mit «Made in Europe» beschriften, was bei Konsumenten den Eindruck erweckt, die Produktionsbedingungen seien besser als zum Beispiel bei «Made in China». In Europa sei der gesetzliche Schutz von Arbeiterinnen und Arbeitern laut Tobias Meier in der Theorie zwar besser, die Realität sehe jedoch vielfach anders aus.

David Hachfeld ist Textilexperte bei der Schweizer Nichtregierungsorganisation Public Eye, welche sich an der weltweiten Clean Clothes Campaign beteiligt. Er sagt klar: «Arbeitsrechtsverletzungen in der Textilindustrie gibt es in Bangladesch und Indien genauso wie in Bulgarien und Rumänien. ‹Made in Europe› ist keine Garantie für Nachhaltigkeit.»

Auch in Europa wir bei Missständen weggeschaut

Die Clean Clothes Campaign hat mit bulgarischen Näherinnen gesprochen, die während sieben Tagen zwölf Stunden arbeiten müssen, um den gesetzlichen Mindestlohn zu verdienen. Und auch dieser ist nicht weit von der Armutsgrenze entfernt.

An vielen Produktionsstandorten der Textilindustrie würden Behörden bezüglich Arbeitsmissständen zudem wegschauen, um den Standort nicht zu gefährden. Wo Kleider produziert werden, sei nicht entscheidend für die Nachhaltigkeit.

Näherrücken beim Textilkreislauf ist dennoch wichtig

Tobias Meier von Ecos findet nichtsdestotrotz, dass ein Näherrücken von Rohstoffen, Produktion und Konsumenten Vorteile haben könne. Es gibt zum Beispiel eine Schweizer Initiative, die in Afrika Betriebe fördern will, die lokale Bio-Baumwolle direkt verarbeiten, anstatt nach Asien zu exportieren, wo dann Kleider für den europäischen Markt daraus gefertigt werden und als Altkleider wieder in Afrika landen. Solche Entwicklungen seien wichtig für eine nachhaltigere Textilindustrie.

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