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Mogelpackung Milch: High-Tech statt Heidi-Idylle
Aus Kassensturz vom 31.03.2009.
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Konsum Mogelpackung Milch: High-Tech statt Heidi-Idylle

Händler ersetzen Pastmilch zunehmend durch sogenannte ESL-Milch, die hocherhitzt und zum Teil mikrofiltriert wird. Doch davon steht oft nichts auf der Packung. Konsumenten glauben, sie würden Frischmilch kaufen. Die Behörden haben es bislang versäumt, eine solche Deklaration durchzusetzen.

Eine der grössten Milchverarbeitungszentralen der Schweiz ist die Emmi-Molkerei in Suhr (AG). Emmi liefert ihre Milch an Migros, Coop, Denner und auch an Lidl. Fast jede Milch wird standardisiert. Das heisst: Der Rahm wird bei der Vollmilch auf 3,5 Prozent Fett abgeschöpft. Dann homogenisiert: Die Fetttröpfchen werden maschinell zerschlagen, damit zuhause die Milch keine Rahmschicht mehr bildet.

Ein grosser Vorteil der Industriemilch: Sie ist länger haltbar als Rohmilch. Josef Gisler von Emmi erklärt die zwei bekanntesten Verfahren: Past und UHT. Bei der Pasteurisierung werde die Milch auf 75 Grad erhitzt, aber nicht keimfrei gemacht. «Bei UHT wird sie vollends keimfrei gemacht. Die Milch ist dadurch sehr lange haltbar», sagt Gisler.

Doch die traditionell hergestellte Pastmilch ist im Betrieb in Suhr schon fast Vergangenheit. Die grossen Milchverarbeiter setzen auf neue Technologien. Ihr Ziel: Die Pastmilch soll länger haltbar gemacht werden – zum Beispiel mit der Mikrofiltration. Bei diesem Verfahren wird die Milch zuerst in Rahm und Magermilch getrennt. Die Magermilch wird mikrofiltriert und keimreduziert. Dann wird der Rahm und die Magermilch wieder zusammengefügt und nach traditionellem Pasteurisierungsverfahren auf 75 Grad erhitzt.

Haltbarkeit verlängert

Die folgenden Bergriffe kennen fast alle Konsumenten: Die Pastmilch wird 15 Sekunden lang auf 75 Grad erhitzt. Sie ist gekühlt 10 Tage haltbar. Deutlich länger haltbar ist die UHT-Milch: Sie wird auf 140 Grad erhitzt und ist ungekühlt 100 Tage haltbar.

Von den neuen Methoden haben die meisten Konsumenten noch nie etwas gehört, auch wenn sie schon lange die neue Milch kaufen. Bei der sogenannten Mikrofiltration wird der abgetrennte Rahm auf 125 Grad erhitzt, mit der mikrofiltrierten Magermilch zusammengeführt und dann bei 75 Grad pasteurisiert. Haltbarkeit: 20 Tage. Auch stark erhitzt – auf 125 Grad – wird die sogennante Hoch-Past-Milch. Im Gegensatz zur UHT-Milch muss sie dennoch kühl gelagert werden. Haltbarkeit: 28 Tage.

Hoch-Past und mikrofiltrierte Milch heissen im Fachjargon ESL-Milch. ESL steht für «extended shelf life». Auf Deutsch: «Längere Haltbarkeit im Regal». Ein Vorteil für Kunden, aber vor allem auch für die Milchverarbeiter und Detailhändler: Man kann damit Transport- und Lagerkosten sparen. Die ESL-Milch soll gleich wie Pastmilch schmecken, enthält aber etwas weniger Vitamine.

Tatsache ist: Nicht überall, wo Pastmilch draufsteht, ist auch herkömmliche Pastmilch drin. Beispiel Denner: Der Discounter verkauft Hoch-Past-Milch und nennt sie sogar Frischmilch – wer die Packung genauer ansieht, findet den Hinweis auf das Hoch-Past-Verfahren. Beispiel Coop: Die meiste Pastmilch ist bei Coop mikrofiltriert. Der Hinweis steht klein auf der Rückseite. Immerhin: Coop deklariert das neue technische Verfahren.

Arbeitsgruppe eingesetzt

Anders die Migros: Migros-Kunden erfahren gar nicht, dass auch mikrofiltrierte Milch im Regal steht. Eine solche Deklaration fehlt. Hoch-Past-Milch wird hingegen bei einigen Packungen gross angeschrieben. Bei der Heidi-Bergmilch ist der Hinweis auf das Hoch-Past-Verfahren jedoch wesentlich kleiner.

Migros-Sprecher Urs-Peter Naef betont: Nicht alle Migros-Genossenschaften würden mikrofiltrierte Milch verkaufen. Ausserdem: Die Migros müsse diese Milch noch gar nicht deklarieren. Urs-Peter Naef: «Es gibt noch keine Deklarationsvorschriften.» Das Bundesamt für Gesundheitswesen habe vor einem Jahr eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich darum kümmere. «Und sobald diese Vorschriften da sind, werden wir sie umgehend umsetzen», verspricht Naef.

Um die Details der Deklaration wird tatsächlich noch gestritten. Doch: Bereits vor einem Jahr hat das BAG in diesem Schreiben festgehalten: ESL sei ein neues technologisches Verfahren. «Die Angabe mikrofiltriert ist zwingend». Das verlangt die Verordnung über die Lebensmittelkennzeichnung.

Fast unbemerkt ersetzt neue ESL-Milch die traditionelle Pastmilch in den Regalen. Doch sie wird weiterhin als Pastmilch bezeichnet. Nur wer die Milch direkt beim Bauern holt, weiss genau, was er bekommt. Alle andern sind auf eine klare Deklaration angewiesen.

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