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Das Geschäft mit Kinder-BHs
Aus Kassensturz vom 06.09.2011.
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Familie und Freizeit Das Geschäft mit Kinder-BH

Brauchen Kinder einen gepolsterten BH? Das ist die Frage. Schweizer Detailhändler jedenfalls verkaufen in der Kinderabteilung Büstenhalter. «Eine Modeerscheinung», relativieren die Geschäfte. «Gefährlich», warnen Kinderschützer.

Die Büstenhalter hängen in der Kinderabteilung – neben Strampelanzügen und Rutschsocken. «Kassensturz» zeigt, dass Schweizer Detailhändler in Sachen Kindermode hart an die Grenze gehen. Das Kaufhaus Jelmoli führt im Kindersortiment Büstenhalter mit schwarzem Spitzenrand – für Mädchen ab Grösse 140. Migros setzt das Mindestalter für Kinder-BH noch tiefer: Der Detailriese bietet BH ab Grösse 128 an, das ist die Durchschnittsgrösse für 8-Jährige. Unglaubliches leistet sich Manor: Dort finden Mütter BH ab Grösse 92, also für Kleinkinder.

BH mit Polster täuschen Oberweite vor

Damit nicht genug. Migros und Jelmoli bieten in der Kinderabteilung auch gepolsterte BH an. Jelmoli immerhin erst ab Grösse 152 – dafür mit Spitzenrand. Migros verkauft wattierte BH gar ab Grösse 140, das ist die durchschnittliche Körpergrösse für 10-Jährige.

Kinderschutz warnt vor «Lolitaisierung»

Experten empören sich über die BH der Kinderabteilung. «Das ist eine Sexualisierung von Minderjährigen, die nicht notwendig ist und ernsthafte Gefahren mit sich bringt», warnt etwa der Ostschweizer Kinderschutz. Die «Lolitaisierung» kleiner Mädchen sei eine Missbrauchsverlockung für Pädophile. «Kinder können die Gefahr nicht selber abschätzen», glaubt Theres Engeler, Präsidentin des Vereins. Der Kinderschutz Ostschweiz hat im letzten Jahr bei Migros interveniert – mit Erfolg. Migros hat die Mindestgrösse für wattierte BH von 128 auf Grösse 140 angehoben.

Kind soll Kind bleiben dürfen

Auch eine der wichtigsten Kinderschutz-Organisation des Landes, die Stiftung Kinderschutz Schweiz, kritisiert die Kinder-BH. Geschäftsführerin Kathie Wiederkehr appelliert an die Verantwortung der Detailhändler ebenso wie an die Pflicht der Erwachsenen: «Nicht allein die Nachfrage zählt. Wichtig sind auch ethische Überlegungen. Ein Kind soll ein Kind bleiben dürfen.» Push-Ups und wattierte BH unter der Grösse 152 hätten bei den Kinderkleidern nichts zu suchen.

Von Seiten der Wissenschaft kommt ebenfalls scharfe Kritik. Sabin Bieri forscht an der Universtität Bern zu Frauen- und Genderthemen. Gemäss der Sozialwissenschaftlerin verweist das BH-Angebot für junge Mädchen auf eine Doppelmoral. «Man bestraft einerseits - zu Recht - Pädophile in aller Härte. Auf der anderen Seite werden BH für Kinder verkauft, die eindeutig Lolitafantasien bedienen.»

Jelmoli: «Mütter wünschen sich wattierte BH»

Von «Kassensturz» damit konfrontiert, wiegeln die Detailhändler ab. Migros spricht von einer «Modeerscheinung». Die wattierten BH würden kaum mehr Volumen erzeugen und keine Oberweite vortäuschen. Jelmoli argumentiert, es seien die Mütter, die sich solche gepolsterten BH für ihre Töchter wünschen.

Erfreulich ist die Reaktion von Manor während der «Kassensturz»-Dreharbeiten. Das Geschäft zieht per sofort die topähnlichen BH in den Kleinstgrössen aus dem Sortiment. Mindestgrösse ist neu 128. Allerdings: Manor will ab nächstem Jahr wattierte BH für 12-Jährige einführen.

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