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Enttäuschte Pferdekäufer: Kranke Tiere für viel Geld
Aus Kassensturz vom 12.01.2016.
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Familie und Freizeit Das Geschäft mit kranken Pferden: Leid für Ross und Reiterin

Die Pferdehändlerin von bereiterin.ch verkauft günstig Pferde. Bei «Kassensturz» melden sich mehrere Geschädigte, bei denen der Pferdekauf im Albtraum endete: Die anfänglich schönen Pferde entpuppen sich als krank und schwer reitbar. Eine traurige Geschichte über Schmerzen, Schmach und Schlachtung.

Der Kauf eines Pferdes ist mit vielen Emotionen verbunden. Klar: Es handelt sich um ein Lebewesen und nicht um einen Rasenmäher. Andrea Lehner und ihre Familie wollten für Tochter und Grossvater ein neues Pferd. In die zwölfjährige Stute Wannabe verliebten sie sich sofort. «Auf der Internetseite bereiterin.ch sind wir auf Wannabe als leichtrittiges Damenpferd gestossen.»

Die Schockdiagnose

Im Inserat von bereiterin.ch wurde Wannabe als sehr lieb im Umgang beschrieben. «Egal ob Umsteiger, Wiedereinsteiger oder gehobener Freizeitreiter, sie ist in jedem Bereich einsetzbar und bringt ihrem Reiter viel Freude!» Ob dieser Beschreibung muss Andrea Lehner heute fast weinen. «Lieb ist sie ohne Zweifel, die Freude wich dann aber der Trauer.» Nach dem das Probereiten problemlos verlaufen war, veränderte sich Wannabe bei den neuen Besitzern stark. «Nach ein paar Wochen wurde sie ganz triebig, ging ab wie die Feuerwehr.»

Sie hätten zuerst den Fehler bei sich gesucht und sie auch mit homöopathischen Mitteln zu beruhigen versucht. Als das Pferd aber mit der Tochter im Feld durchgebrannt sei, hätten sie handeln müssen. Andrea Lehner liess Wannabe tierärztlich untersuchen. Und da kam der schockierende Befund: Wannabe leidet an starken Verformungen der Wirbelsäule. «Kissing spines hiess die Diagnose. Das heisst: Drei Rückenwirbel sind eng aneinander und reiben genau an der Stelle des Sattels. Dann war auch uns klar, dass das Ross einfach Schmerzen hat und deshalb so triebig reagiert», erzählt Andrea Lehner.

Bereiterin.ch kaum zu erreichen

«Kassensturz» lässt sich durch Tierärzte bestätigen: Eine Verformung der Wirbelsäule wie bei Wannabe muss schon vor dem Kauf des Pferdes bestanden haben. Die behandelnde Klinik bestätigt zudem, dass die gezeigten klinischen Schmerzen in direktem Zusammenhang mit den Verformungen im Rücken stehen.

Andrea Lehner versuchte, mit der Verkäuferin von Wannabe in Kontakt zu treten, um eine Lösung zu finden. Schliesslich verkaufte diese ihr das kranke Pferd für knapp 9‘000 Franken. Alina Hofer, die Besitzerin der Bereiterin GmbH, ist für ihre Kundin kaum mehr erreichbar. Telefonate und Schreiben führen ins Leere.

Kein Einzelfall

«Kassensturz» hat Kontakt mit weiteren unzufriedenen Kundinnen von bereiterin.ch. Alina Hofer verkauft Pferdeliebhaberinnen Rösser, die kurz nach Kauf gesundheitliche Probleme aufweisen. Kalini beispielsweise: Der Wallach wurde schon vor dem Verkauf wegen Hautkrebs mittels Lasertherapie behandelt. Zudem hatte er einen Widerristbruch. Alina Hofer verkaufte das Pferd für 12‘500 Franken. Die neue Besitzerin wusste nichts von den Krankheiten.

Während der «Kassensturz»-Recherche taucht auch die kranke Freska auf. Anfang des Jahres verkaufte Alina Hofer die Stute für 9‘000 Franken ebenfalls an Andrea Lehner. Wegen gesundheitlichen Problem nahm sie diese Stute nach wenigen Monaten für 3'000 Franken wieder zurück. Für genau diese 3‘000 Franken verkauft sie dieses Pferd weiter in die Westschweiz.

Leiden des Pferdes – Gefahr für Reiterin

Lauren Bartucz ist die neue Besitzerin. Die Studentin suchte ein pflegeleichtes Freizeitpferd. Das Probereiten verlief wunschgemäss. Einen Tag danach macht die Verkäuferin jedoch auf Rückenprobleme von Freska aufmerksam und schickt Röntgenbilder per SMS. Sie spielt die Erkrankung gleichzeitig herunter. Alina Hofer schreibt der Käuferin: «Freska ist beim Putzen, Satteln und Reiten nicht schmerzempfindlich.»

Lauren Bartucz schickt die Röntgenbilder per SMS an ihren Tierarzt weiter und will eine Einschätzung. Doch dieser kann aufgrund der SMS-Bilder keine Diagnose abgeben. Lauren Bartucz vertraut auf die Versprechen der Verkäuferin und kauft das Pferd.

Die ersten Tage verliefen normal. Aber schon kurz danach zeigte Freska ein aussergewöhnliches Verhalten. «Sie hatte schon Mühe, wenn man ihr den Sattel anziehen wollte, da zeigte sie schon Anzeichen von Schmerzen. Erst recht beim Aufsteigen. Da hat sie regelrecht den Rücken verbogen.» Freska erhielt wegen ihrer Leiden schon bei der Vorbesitzerin Schmerzmittel. Das hat die Verkäuferin verschwiegen.

Das steht im Gesetz

Anders als bei Haustieren wo eine zweijährige Garantie gilt, hat eine Käuferin beim Pferdehandel gerade mal neun Tage Zeit einen solchen Schaden zu entdecken und das Pferd zurückzugeben.
OR Artikel 198 b:
Beim Handel mit Vieh (Pferden, Eseln, Maultieren, Rindvieh, Schafen, Ziegen und Schweinen) besteht eine Pflicht zur Gewährleistung nur insoweit, als der Verkäufer sie dem Käufer schriftlich zugesichert oder den Käufer absichtlich getäuscht hat.
OR Artikel 202 b:
Enthält beim Handel mit Vieh die schriftliche Zusicherung keine Fristbestimmung und handelt es sich nicht um Gewährleistung für Trächtigkeit, so haftet der Verkäufer dem Käufer nur, wenn der Mangel binnen neun Tagen, von der Übergabe oder vom Annahmeverzug an gerechnet, entdeckt und angezeigt wird, und wenn binnen der gleichen Frist bei der zuständigen Behörde die Untersuchung des Tieres durch Sachverständige verlangt wird.

Düstere Diagnose des Tierarztes

Lauren Bartucz fühlt sich betrogen und bezeichnet das Verhalten der Verkäuferin als verantwortungslos: «Das war doch auch gefährlich für mich, ich bin drei Mal beinahe runtergefallen, weil das Pferd gestiegen ist. Und das, weil sie unter dem Sattel schmerzen hatte.» Auch Lauren Bartucz möchte das Ross an die Verkäuferin zurückgeben. Doch eine Rückgabe ist nicht möglich, Alina Hofer reagiert nicht mehr auf ihre Handy-Nachrichten.

Im Pferdezentrum in Bern kennt Veterinär Beat Wampfler mehrere Problemfälle von bereiterin.ch. Auch Freska von Lauren Bartucz ist dem Veterinär bekannt. Er hat sie untersucht.

Seine Diagnose ist düster. Dieses Pferd leide hauptsächlich an Lahmheit wegen Verformungen der Rückenwirbel. Es sei zweifelhaft, ob man dieses Ross brauchen und reiten kann. «Im Zusammenhang mit den Röntgenbildern muss man sagen, das Ross ist nicht in einem guten Zustand. Das ist also eine schwierige Situation für den Besitzer und für das Ross.»

«Viele glückliche Kundinnen»

«Kassensturz» konfrontiert Alina Hofer mit den Vorwürfen, dass sie kranke Pferde an Reiterinnen verkauft. Die Pferdehändlerin will vor der Kamera keine Stellung beziehen. In Mails schreibt sie, sie könne reinen Gewissens sagen, nie absichtlich oder bewusst gesundheitlich angeschlagene Pferde verkauft zu haben. Die neuen Besitzer hätten die Rösser falsch geritten. Weiter teilt Alina Hofer mit: «Bei mir hat keines der Pferde die jeweiligen Mängel gezeigt. Als Verkäuferin bin ich auch nicht dazu verpflichtet, vertiefte medizinische Untersuchungen zu veranlassen.» All die Fälle von denen «Kassensturz» Kenntnis hat, seien Einzelfälle und stünden in keinem Verhältnis zu den vielen glücklichen Kundinnen.

Kein Happy End

Andrea Lehner hat für diese Erklärung kein Verständnis. Sie als Kundin ist es, die nicht nur Geld verloren hat. Sondern – und das wiegt schwerer: Die Familie muss sich von ihrer Stute Wannabe definitiv verabschieden. Wie auch die Stute Freska von Lauren Bartucz, musste Wannabe dem Metzger übergeben werden. Eine Lösung auf einem Gnadenhof kam in beiden Fällen nicht zu Stande.

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Kauftipps von Beat Wampfler, Tierarzt
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