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«Viva Figurstudios»: Pleite statt selbstständig
Aus Kassensturz vom 26.01.2010.
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Familie und Freizeit «Viva Figurstudios»: Pleite statt selbstständig

Frauen eröffnen in der Schweiz Filialen der Kette «Viva Figurstudios». Sie sind Franchisenehmerinnen und arbeiten selbstständig. Der Traum vom eigenen Fitnessstudio führt aber für viele dieser Frauen ins Verderben. «Kassensturz» berichtet über ein höchst risikoreiches Geschäftsmodell.

Vor eineinhalb Jahren hat sich Jen de los Santos selbständig gemacht: In Regensdorf im Kanton Zürich übernahm sie ein Figurstudio. Das Fitnessstudio richtet sich ausschliesslich an Frauen. Die Arbeit machte der gelernten Gastrofachfrau Spass, aber das Einkommen ist weit unter den Erwartungen geblieben. Jen de los Santos: «Ich habe ein Jahr lang gratis gearbeitet und keinen Lohn bekommen.» Ohne ihren Freund hätte sie das Studio sofort schliessen müssen.

Kein Businessplan

Jen de los Santos hatte mit der Viva-Figurstudio-Kette einen Franchise-Vertrag abgeschlossen. Viva wirbt in Zeitungsinseraten für ihre Fitnessstudios und sucht Frauen, die Studios auf eigenes Risiko führen. Im Internet verspricht Viva Erfolg. Ein Werbefilm ködert mit flotten Sprüchen – kein Wort zu den Risiken. Jen de los Santos machte ganz andere Erfahrungen. Viva bot ihr in Regensdorf ausgerechnet ein Studio an, wo bereits die Vorgängerin gescheitert war. Es gab keinen Businessplan, aber hohe monatliche Gebühren: Leasinggebühren für die Fitnessgeräte, die monatliche Franchisegebühr von 2000 Franken, 1000 Franken Werbegebühr und die Rate für die Einstiegsgebühr. Ausserdem rechnet Jen de los Santos mit 4500 Franken Lohn und muss 2000 Franken Miete zahlen.

Das macht 13‘367 Franken – so sah ihr Budget aus, für jeden Monat. Diese Berechnung schickte sie vor der Übernahme an den Hauptsitz. Niemand von Viva warnt sie. Jen de los Santos: «Pro Monat müsste ich 18 Abos verkaufen, um meine Rechnungen zu bezahlen.» Man habe ihr gesagt, dies wäre möglich. Gelungen sei ihr das aber nie.

Gründer der Viva-Figurstudios ist Lukas Jäggi. Er wählt die Franchisenehmerinnen aus und vergibt die Standorte der Figurstudios. Er hat das Problem-Studio Regensdorf an Jen de los Santos vergeben. Er sagt, für die Verkaufszahlen der Studios trage er keine Verantwortung: «Wir machen nie Versprechungen, wie viele Abos im Schnitt verkauft werden können.» Jen de los Santos habe sich in mehreren Studios ein Bild machen können. Erfolg oder Misserfolg habe nichts mit dem Standort zu tun. «Sondern vor allem damit, wie es gemacht wird und mit der Persönlichkeit der Person», sagt Jäggi.

Grosse Verantwortung

Sonja Schmid hat in Laufen im Kanton Basel-Landschaft ebenfalls ein Viva-Figurstudio geführt. Der Start glückte, doch im zweiten Jahr brachen die Verkaufszahlen für die Abonnemente ein. Im letzten August musste sie aufgeben. Auch Sonja Schmid kritisiert Viva: Als die Verkaufszahlen nicht mehr stimmten, Probleme auftauchten, stand sie alleine da – obwohl sie monatlich hohe Gebühren an Viva zahlen musste. Auch andere Studioleiterinnen waren unzufrieden, deshalb hat sie mit einer Gruppe von 30 Franchisenehmerinnen Viva im Januar 2009 verlassen.

Christoph Wildhaber, Geschäftsführer des Schweizer Franchiseverbands, sagt, dass der Franchisegeber eine grosse Verantwortung trage. Das Unternehmen müsse ein erprobtes Konzept haben und auch Leistungen erbringen, dafür kassiere es Gebühren. Dafür könne der Franchisenehmer erwarten, dass er betreut und beim Marketing und im Kaufmännischen unterstützt werde. Wildhaber: «Vor allem, wenn der Franchisenehmer merkt oder merken sollte, dass ein Manko vorhanden ist.» Bekannte Unternehmen wie McDonald’s, Esprit oder Kochoptik arbeiten seit Jahren mit Franchisepartnern. Meistens werden nur bewährte Geschäftsmodelle als Franchise vergeben.

Selber hinterfragen

Jeanine Rolli führt drei Figurstudios in der Umgebung von Thun (BE). Die meisten Studios würden gut laufen, behauptet Viva-Chef Lukas Jäggi. Alle Interessentinnen würden von Anfang auf die Risiken hingewiesen. Zudem bekämen sie Fragebögen, wo sie sich selber hinterfragen müssten zur Selbständigkeit. Jäggi: «Und ich denke, es ist logischerweise auch bekannt, dass Selbständigkeit Risiken birgt.» Da brauche es nicht nur Aufklärungsarbeit seitens des Franchisegebers.

Von Risiken war bei Sonja Schmid nie gross die Rede. Die Hälfte ihrer Pensionskassengelder hat sie ins Studio gesteckt, das Geld ist weg. Es bleiben immer noch 54 000 Franken Schulden. Sonja Schmid: «Ich könnte mir im Moment keine Wohnung leisten, ich lebe von der Mutter.» Sie habe alles, den letzten Franken, fürs Studio aufgebraucht. Auch Jen de los Santos ist bei Viva ausgestiegen und führt ihr Studio nun unter dem Namen Ladyform.

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