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Computerkurs: Schlaflose Nächte statt Programme installieren
Aus Espresso vom 14.11.2014. Bild: Colourbox
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Konsum Computerkurs: Schlaflose Nächte statt Programme installieren

Endlich einmal erfahren, wie man einen Computer bedient. Das dachte sich die 79-jährige «Espresso»-Hörerin Agnes Steuer, als ihr am Telefon ein Mann von einem Kurs vorschwärmte. Die Seniorin liess sich überreden und buchte einen 2490 Franken teuren Kurs. Sie hat diesen Entscheid bitter bereut.

An einem Nachmittag im Juli klingelt bei Anges Steuer das Telefon: Ein Mitarbeiter der Firma Escom Ausbildung AG in Zug schwärmt der Seniorin von einem Computerkurs vor, der demnächst beginne. In «unmittelbarer Nähe» ihres Wohnortes.

Agnes Steuer stutzt. Sie habe keinen Computer, auch keinen Anschluss und sie habe auch noch nie etwas mit einem Computer zu tun gehabt. Alles kein Problem, befand der Anrufer. Teilnehmer bekämen ein Leihgerät, welches sie zum Üben sogar nach Hause nehmen dürften.

Stolzer Preis für Gruppenlektionen

Eine Woche später besucht ein Mitarbeiter die Frau zu Hause in ihrer Wohnung in Binningen (BL). Er habe unentwegt auf sie eingeredet, erinnert sich Agnes Steuer. Schliesslich lässt sich die Seniorin überreden und unterschreibt einen Vertrag. Kostenpunkt: 2490 Franken für zehn Kursabende à 3 Stunden.

Ein paar Tage später erhält sie einen Brief von der Escom. Der Kurs finde in Reinach (BL) statt. Agnes Steuer ist überrascht: «Mir wurde ein Kurs in der Nähe meines Wohnortes versprochen». Die Anreise nach Reinach ist der Frau wegen den ungünstigen Verbindungen und dem Umsteigen zu umständlich und zu zeitraubend.

Sechs Stunden Zeitaufwand für drei Lektionen

Agnes Steuer reklamiert bei der Escom mit einem Brief. Sie sei enttäuscht, schreibt sie. Auch habe sie nicht realisiert, dass der Kurs am Abend stattfinde. Bei Dunkelheit ist die Frau nicht mehr gerne unterwegs.

Escom reagiert prompt und bietet der Frau einen Privatkurs zum gleichen Preis an oder einen Abholservice. Ein Lehrer meldet sich telefonisch bei Agnes Steuer. Weil er den Kurs vor Ort noch vorbereiten müsse, komme er sie jeweils bereits um 17 Uhr abholen. Agnes Steuer hätte also vor Kursbeginn jedes Mal zwei Stunden warten müssen und wäre nach Kursende erst gegen 23 Uhr zu Hause gewesen. Für Agnes Steuer unzumutbar.

Steuer besucht den Kurs nicht. Trotzdem besteht die Escom auf Bezahlung der Kurskosten. Seit sie die erste Mahnung bekommen hat, schläft die Frau schlecht.

Als Computerkursanbieter setze man bewusst auf Kursorte nahe dem Wohnort der Teilnehmenden, erklärt Escom-Anwalt Rainer Riek. Das werde grade von älteren Menschen sehr geschätzt. Auch den hohen Preis rechtfertigt Riek: «Den Teilnehmenden wird für den ganzen Kurs ein Computer geliehen, sie müssen sich also nicht extra einen eigenen Computer anschaffen». Die Escom habe kein Interesse daran, Leute für Kurse anzuwerben, die nicht motiviert seien.

Computer? Nie wieder!

Im Kontakt mit Agnes Steuer habe es aber wohl Missverständnisse geben, räumt Rainer Riek ein. Die Escom will noch einmal über die Bücher und der Frau eine Lösung anbieten.

Für Agnes Steuer eine gute Nachricht. Sie konnte die letzten Wochen wegen der Aufregung kaum mehr schlafen. Und: von Computern hat die Seniorin genug. Ein- für allemal.

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Nachträgliche Stellungnahme der Escom vom 17.11.2014

Die Escom hält fest, Kurskosten von 83 Franken pro Kursstunde seien ihrer Ansicht nach nicht als stolz einzustufen. Denn abgesehen davon, dass die Kurslokale (in separaten Kursräumen) immer in der unmittelbaren Nähe der Teilnehmer (max. 8 Personen) stattfinden und Transporte angeboten werden, könnten die Kurse gratis und auch insgesamt wiederholt werden, wenn man z.B. krankheitshalber ausfalle oder den Kursstoff nicht verstanden habe. Zudem könne man den Computer während der gesamten Kursdauer kostenlos mit nach Hause nehmen, zum üben, was sehr wichtig sei und geschätzt werde.

Zum konkreten Fall teilt die Escom mit, dass der zeitliche Aufwand pro Kursabend für Frau Steuer weniger als 6 Stunden betragen hätte; sie wäre um 17.45 Uhr abgeholt worden und um spätestens 23 Uhr wieder zu Hause gewesen, was übrigens auch für andere Teilnehmer des Kurses von Frau Steuer selbst mit Jahrgang 1929 kein Problem gewesen sei. An den Kurskosten sei schliesslich deshalb festgehalten worden, weil Frau Steuer den Kurs sehr kurzfristig abgesagt habe, als schon alles für sie organisiert war, und sie trotz der vorgeschlagenen Alternativen sich nicht mehr gemeldet habe. Es handle sich um einen Einzelfall. Ähnliche Rückmeldungen von anderen Kursteilnehmenden seien der Escom, aber auch Espresso nicht bekannt.

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