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Kleiderproduktion: Modische Kleider, miserable Löhne
Aus Kassensturz vom 04.11.2014.
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Konsum Kleiderproduktion: Modische Kleider, miserable Löhne

Sie arbeiten für unsere Kleider, leben aber in Armut. «Kassensturz» hat zwölf Kleidungsstücke eingekauft und die Textilfirmen gefragt, unter welchen Bedingungen diese produziert werden. Fazit: Es fehlt an Transparenz, und «Made in Europe» ist kein Garant für faire Bedingungen.

Zwölf Kleidungstücke, zwei einfache Fragen und ein bitteres Fazit: «Kassensturz» und die Westschweizer Sendung «A bon entendeur» haben zwölf Kleidungstücke eingekauft und den Modemarken zu jedem Kleidungsstück zwei einfache Fragen gestellt:

  • Wo wurde es produziert?
  • Was verdienen die Arbeiterinnen und Arbeiter, die es hergestellt haben?

Das Resultat ist ernüchternd: Viele der glitzernden Modelabels verschleiern immer noch, dass viele der Millionen Textilarbeiter in aller Welt trotz Arbeit in Armut leben müssen. Drei Erkenntnisse aus der Umfrage:

1. Arbeitsbedingungen bleiben eine Blackbox

Nur drei von zwölf Marken haben die Fragen umfassend und transparent beantwortet.

Esprit: Esprit lässt den eingekauften Damenveston in China herstellen. Der Produktionsbetrieb zahlt den Arbeiterinnen und Arbeiter im Durchschnitt umgerechnet 500 Franken. Das entspricht in etwa dem Existenzminimum. Aber: In der Firma wird dafür 65 bis 70 Stunden pro Woche gearbeitet.

Calida: Die Schweizer Traditionsmarke lässt im eigenen Betrieb in Ungarn die Boxershorts produzieren. Monatslohn 480 Franken.

Switcher: Auch Switcher legt die Karten auf Tisch. Die Jacke wurde in Rumänien hergestellt. Der Lohn in der Lieferfabrik umgerechnet 250 Franken pro Monat. Das ist mehr als der Mindestlohn, aber deutlich weniger als ein existenzsichernder Lohn, den Hilfsorganisationen fordern.

Switcher, ein Pionier der fairen Kleider in der Schweiz, hat bereits entschieden, die Produktion des Pullis in die Türkei zu verlegen. In ihrer Partnerfirma in Instanbul werden höhere Löhne bezahlt, Monatslöhne zwischen 480 und 720 Franken. Die Firma übernimmt zudem das Mittagessen. «Wir sind kein Hilfswerk, die Welt ist kompliziert», rechtfertigt sich Gilles Dana von Switcher in der Sendung «Kassensturz». Doch man strebe ständig Verbesserung an. Switcher hat ein Pilotprojekt lanciert: Ein Prozent des Umsatzes eines Produktes wird Ende Jahr direkt an die Angestellten des Lieferbetriebs ausgeschüttet. Das verbessert die Lohnsituation zusätzlich.

Teilweise Transparent: Migros, Coop Naturaline und der Modekonzern Zara haben ausführlich geantwortet. Doch diese Marken können in Sachen Transparenz noch zulegen. Hier erfahren wir zwar mehr über die sozialen Standards, aber: Keine der Firma nennt konkrete Zahlen zur Lohnhöhe im Produktionsbetrieb.

Auf einem T-Shirt wird anteilsmässig angezeigt, wie sich die Herstellungskosten zusammensetzen.
Legende: Wer verdient an den Kleidern? Die Näherinnen auf jeden Fall nicht. evb

Ungenügend transparent: C&A, H&M, Benetton, Manor und Hugo Boss. Diese Markenhersteller haben geantwortet. Aber die Antwort wird als ungenügend bewertet. Sie verweisen auf allgemeine Firmenstandards und Richtlinien der Branche. Geben aber keine konkrete Auskunft zu Lohnbedingungen ihrer Lieferfirmen. Einige dieser Firmen schreiben, sie können aus Konkurrenzgründen keinen genaue Angaben machen. Andere schreiben, sie würden die Forderung nach besseren Löhnen unterstützen und seien daran, innerhalb der ganzen Branche nach Lösungen zu suchen.

Keine Antwort: Die Firma Dim hat überhaupt nicht geantwortet. Weder Produktionsort noch Lohnsituation ist in Erfahrung zu bringen.

2. Die Mindestlöhne führen zu Armut

Auffallend ist, dass viele Hersteller in ihrer Antwort auf eigene Richtlinien und Branchenstandards verweisen. Die meisten schreiben, sie würden von ihren Lieferanten die Einhaltung der gesetzlichen Mindestlöhne verlangen. Das tönt nach viel, bedeutet aber für die Lohnsituation noch gar nichts. «Die gesetzlichen Mindestlöhne sind weit unter dem Existenzminimum in den allermeisten Ländern», betont Christa Luginbühl, Koordinatorin der Clean Clothes Campaign (CCC) und Mitarbeiterin der Erklärung von Bern. Man stelle sogar einen Wettbewerb nach unten fest. «Die Länder setzen die Mindestlöhne bewusst tief an, um Firmen anzulocken», sagt Christa Luginbühl. Die Folge: Die Arbeiterinnen und Arbeiter in den Textilfirmen müssen hart schuften, bleiben aber in der Armutsfalle – mit allen Konsequenzen.

3. Made in Europe – zum Teil schlimmer als Asien

Weltkarte mit Lohnangaben zu den jeweiligen Ländern.
Legende: Erschreckend: Das Verhältnis zwischen Mindest- und Existenzlohn. evb

Osteuropa wird als Produktionsstandort immer wichtiger. In der Umfrage haben Switcher (Rumänien), Calida (Ungarn), Coop (Litauen) und Hugo Boss (Mazedonien) einen Standort in Osteuropa. «Made in Europe» macht sich gut auf der Kleideretikette. Viele Konsumenten gehen davon aus, dass in Europa die Bedingungen fairer sind. Doch das ist ein Trugschluss.

Die Bedingungen in Osteuropa sind kaum besser, oftmals sogar schlechter als in Asien. Dies haben Recherchen der Erklärung von Bern in 14 europäischen Staaten ergeben. Erschreckend: Sogar in der EU nähen Arbeiterinnen und Arbeit für Hungerlöhne Kleiderstücke zusammen. Als Beispiel dient Rumänien. Christa Luginbühl bemängelt die Tiefstlöhne im EU-Mitgliedsland: «Der gesetzliche Mindestlohn in Rumänien beträgt 133 Euro. Ein existenzsichernder Lohn müsste etwa fünf Mal höher sein.»

Audio
Textilindustrie: Miese Arbeitsbedingungen trotz «Made in Europe»
aus Espresso vom 04.11.2014. Bild: SRF
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Kleidermarken könnten mehr tun - für wenig Geld

Besser Löhne für die Arbeiter in den Kleiderfabriken ist keine Frage des Preises. «Es braucht den Willen der grossen Modehersteller. Nicht nur Lieferfristen und Design sind wichtig, auch die Löhne müssen Priorität erhalten», betont Christa Luginbühl. Fakt ist: Die Produkte bei uns in den Läden müssten nicht teurer werden. Berechnungen der Erklärung von Bern zeigen, dass für faire Löhne der Verkaufspreis nur wenige Prozente erhöht werden müsste.

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