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Preiskartell: KMU und Steuerzahler zahlen zu viel
Aus Kassensturz vom 19.03.2013.
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Konsum Preiskartell: KMU und Steuerzahler zahlen zu viel

Nicht nur Konsumenten, auch KMU und staatliche Stellen zahlen für viele Importprodukte überhöhte Preise. Der Grund: Konzerne setzen in der Schweiz höhere Preise durch. Mit der Revision des Kartellgesetzes wollen nun mehrere Ständeräte dagegen vorgehen.

Das Problem ist immer dasselbe: Eine Schweizer Firma vergleicht die Preise eines Produktes. Sie stellt fest: Bei der Vertretung eines Konzerns im Ausland ist das identische Produkt deutlich günstiger als in der Schweiz. Sie kann aber nicht direkt im Ausland einkaufen, weil der Konzern sie zwingt, zu höheren Preisen in der Schweiz einzukaufen. Der Konzern schottet den Schweizer Markt ab. Die Kosten tragen KMU und öffentliche Institutionen in der Schweiz. «Kassensturz» zeigt drei Beispiele:

Wirtverband Basel-Stadt vs. Coca-Cola

Weil der Einkaufspreis günstiger ist, möchte der Wirteverband Basel-Stadt bei Coca-Cola Deutschland einkaufen. Dort ist man über das Interesse aus der Schweiz nicht wirklich begeistert. Die Vorwürfe von Seiten des Wirteverbandes sind happig: «Coca-Cola behindert den Wettbewerb» lautet der Titel einer Medienmitteilung vom Dienstagmorgen.

Man habe erst eine Offerte aus Deutschland erhalten, nachdem die Schweizerische Wettbewerbskommission (Weko) interveniert hat, klagt Maurus Ebneter vom Wirteverband. Zuvor habe Coca-Cola Deutschland nicht einmal reagiert. «Normales Geschäftsgebaren wäre es, mit einem potentiellen Grosskunden sofort Kontakt aufzunehmen», schreibt der Verband in seiner Mitteilung weiter.

Coca-Cola gibt sich bedeckt: «Bitte haben Sie Verständnis, dass wir grundsätzlich keine öffentliche Stellungnahme zum Stand von Verhandlungen abgeben», heisst es zur Kritik des Wirteverbands. Coca-Cola Deutschland betont aber, man verkaufe auch an Schweizer Kunden.

Maurus Ebneter spricht Klartext: «Der Coca-Cola-Konzern betreibt Gebietsschutz. Er schützt sein Vertriebssystem mit dem Ziel einen höheren Preis durchzusetzen.» So wie die Firma LCA Automation in Affoltern am Albis.

Das Zürcher KMU LCA Automation

Die Mitarbeiter von LCA Automation bauen Montageanlagen für Lenkungen und Bremssysteme. Sie verbauen unzählige Einzelteile, die meist aus dem Ausland stammen. In der Schweiz verlangt der Hersteller für die gleichen Teile aber meist viel mehr Geld als im Ausland. Bei manchen Kleinteilen gar doppelt so viel.

Wenn Firmeninhaber Christoph Rennhard direkt im Ausland günstiger einkaufen will, blitzt er ab: «Da werde ich freundlich empfangen, aber ich bekomme keinen Preis für den Direkteinkauf.» Stattdessen wird er an die Schweizer Vertretung verwiesen. Und dort gelte eine Preisliste mit höheren Preisen.

Die Kunden von LCA Automation sind fast ausschliesslich im Ausland. Beim Verkauf seiner Anlagen an ausländische Kunden kann er die höheren Schweizer Einkaufspreise nicht weitergeben. LCA Automation entgehen so jedes Jahr mehrere 100'000 Franken Gewinn.

Christoph Rennhard betont, es gebe Konzernvertretungen, die guten Service bieten und deshalb leicht höhere Preise rechtfertigten. Viele Konzernvertretungen in der Schweiz hingegen würden höhere Preise verlangen, ohne dafür eine Gegenleistung zu bieten. «Das ist vor allem dann ein Problem, wenn diese Schweizer Filiale zu wenig technische Kompetenz hat, und meine Leute mit ihren technischen Anfragen nicht beraten kann», so Rennhard. Dann wird er plötzlich an den Hersteller im Ausland verwiesen.

Unis Bern und Zürich vs. Qiagen

Was gerne vergessen wird: Nicht nur Firmen und Konsumenten leiden unter überhöhten Preisen, auch öffentliche Institutionen und damit die Steuerzahler. Der Biologie-Professor Dirk Dobbelaere hat für das Labor an seinem Institut an der Universität Bern einen grossen Materialaufwand. Verbrauchsmaterial und Laborgeräte sind in der Schweiz aber häufig teurer als im Ausland.

Für ein Zentrifugen-Röhrchen zum Beispiel, ein Kleinteil für die DNA-Analyse, verlangt der US-Hersteller Qiagen in der Schweiz über 50 Prozent mehr als in Deutschland und 100 Prozent mehr als in den USA. «Das verteuert unsere Forschung enorm», sagt Dirk Dobbelaere. Die überhöhte Rechnung zahlen am Ende die Steuerzahler.

Das gilt auch für die Universität Zürich. Sie analysierte im letzten Jahr die Preise der Qiagen-Produkte. Resultat: Die Universität Zürich muss im Schnitt 52 Prozent mehr bezahlen als eine deutsche Universität. Das ist in einem Jahr ein Aufpreis von einer halben Million Franken – allein für Produkte der Firma Qiagen an der Universität Zürich.

Die Universität hat zusammen mit der ETH die Preise neu verhandelt. Das Resultat: In den Preisen von Qiagen ist viel Luft. Neu zahlt die Universität Zürich statt 50 Prozent, noch 10 bis 20 Prozent mehr für Qiagen-Produkte. Qiagen schreibt «Kassensturz», dass die höheren Schweizer Preise unter anderem durch die Entwicklung der Währungskurse und die höhere Kaufkraft in der Schweiz begründet seien. In diesem Jahr dürften die Schweizer Preise für ihre Produkte für alle Kunden sinken.

Lösungsansätze im Ständerat

Nun sucht der Ständerat nach Lösungen – bei der Revision des Kartellgesetzes. Er berät mehrere ähnliche Vorstösse mit dem gleichen Ziel: Schweizer Unternehmen dürfen bei der Beschaffung ihrer Ware im Ausland nicht mit Preiszuschlägen diskriminiert werden. Auch die  Motion der Präsidentin der Stiftung für Konsumentenschutz, Priska Birrer Heimo, zielt in die gleiche Richtung: Mehr Wettbewerb und tiefere Preise für Schweizer Firmen und damit auch für Konsumenten.

So könnte die Lösung aussehen: Ein internationaler Konzern, der ein Schweizer KMU im Ausland nicht zu dortigen Bedingungen beliefert, behindere demnach den Wettbewerb. Denn er zwingt das KMU, in der Schweiz teurer einzukaufen. Die betroffene Schweizer Firma soll in solch einem Fall künftig die Wettbewerbskommission Weko einschalten können. Die Weko könnte dann gegen den Konzern vorgehen und ihn büssen.

Von solch einer Reform würden KMU profitieren, sagt die Ständerätin Anita Fetz (SP/BS). Sie steht hinter einem der Anträge, den der Ständerat behandelt. «Wir müssen eine gesetzliche Grundlage schaffen, sodass die Weko eingreifen und den Schweizer Niederlassungen nachweisen kann, dass sie völlig überhöhte Preise hat», sagt Fetz.

Ausgerechnet der Gewerbeverband hingegen spricht sich gegen diese Vorschläge aus. Direktor Hans-Ulrich Bigler sagt, eine solche Reform beschneide die unternehmerische Freiheit zu stark – auch im Inland. Die Weko müsse damit neu Höchstpreise einführen und dafür einen riesigen bürokratischen Aufwand betreiben.

Für den Wirteverband Basel-Stadt führte die jetzige gesetzliche Situation nicht zu einer befriedigenden Lösung. Die Wettbewerbskommission hat sich vor allem mit dem Problem beschäftigt, dass Coca-Cola Deutschland den Wirteverband zunächst nicht beliefern wollte. «Jetzt geht das. Deshalb ist dies für uns keine Behinderung von Parallelimport mehr», so der stellvertretende Weko-Direktor Patrick Ducrey. Es kommt deshalb nicht zu einem Verfahren gegen Coca-Cola.

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