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Vanilleglacé: Schwarze Punkte führen in die Irre
Aus Espresso vom 05.06.2015. Bild: Colourbox
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Konsum Vanilleglacé: Schwarze Punkte führen in die Irre

Viele Hersteller mischen gehackte Vanilleschoten in die Glacé statt Vanillesamen. Das ist billiger. Ob Samen oder gehackte Vanilleschoten: Die schwarzen Punkte haben ihren Wert als Qualitätszeichen sowieso verloren.

Schwarze Punkte in einer Vanilleglacé sind ein Qualitätszeichen. Denn die Punkte sind die Samen der Vanilleschote und zeugen von einer guten Herstellung mit echter Vanille ­– etwa so wie man zu Hause mit Vanilleschoten kocht oder bäckt. Schön wärs, wie ein Vergleich des welschen Konsumentenmagazins «FRC Mieux choisir» zeigt. In 4 der verglichenen 13 Vanilleglacé stecken nicht etwa Samen, sondern gehackte Vanilleschoten.

Das wäre eigentlich kein Unglück, denn Vanilleschoten sind wichtige Geschmacksträger, wie der Gewürzhändler Heini Schwarzenbach erklärt: «Das Vanillearoma steckt im ganzen Vanillestängel, natürlich im Samen, vor allem in der öligen Samenflüssigkeit, aber auch in der Schote.» Um möglichst die ganze Aromenvielfalt einzufangen, kocht man zu Hause den ausgekratzten Stängel mit.

Schoten für die schwarzen Punkte sind ohne Geschmack

Ein Mann steht in einem Gewürzladen.
Legende: Heini Schwarzenbach, Gewürzhändler aus Zürich. SRF

Anders steht es aber um die Schoten, die in die Glacé gehackt werden. Aus den Schoten wurden alle Aromen extrahiert, um eben Vanilleextrakt zu gewinnen. Was übrig bleibt, ist eine geschmacklose Hülle. «Eigentlich ist es schade, das Aroma zu extrahieren, die Schote zu vermahlen und wieder zuzufügen», sagt Heini Schwarzenbach. Er sieht aber auch die Vorteile: Die Hersteller können so ihre Rezepturen perfekt mischen und so eine gleichbleibende Qualität garantieren.

«Espresso» hat bei den Anbietern nachgefragt, die Glacé mit gehackten Vanilleschoten verkaufen. Denner (Eigenmarke Denner), Lidl (Gelatelli) und Coop (Prix & Garantie) sind der Meinung, die Pünktli trügen durchaus zum Aroma der Glacé bei. Aldi (Grandessa) gibt die wohl ehrlichste Antwort: «Der geschmackliche Beitrag der extrahierten, gemahlenen Vanilleschoten ist zu vernachlässigen.» Kurz: Aroma gleich Null.

Gleichwohl ist die Antwort von Denner und Co. nicht ganz falsch. Denn auch die separat zugefügten Samen sind keine grossen Aromaträger. Ob sich ein Hersteller also für Samen oder Schoten entscheidet, wirkt sich vor allem im Preis aus: Schoten sind billiger, und es ist kein Zufall, dass diese Glacé auch die günstigsten im FRC-Vergleich sind. Wer in der FRC-Tabelle nachschaut, sieht auch bei Mövenpick die Angabe, die Pünktchen seien von Schoten, das ist aber falsch. Ebenso besteht Aldi darauf, im Gegensatz zur Angabe im FRC-Vergleich nur echtes Aroma zu verwenden.

Punkte sind kein Zeichen mehr für Qualität

Kein Aroma von gehackten Schoten, wenig Aroma von Samen: Was bringen die schwarzen Punkte denn? Sie wecken in den Konsumenten das Gefühl, die Glacé sei aufwändiger und sicher mit echter Vanille gemacht. Eigentlich ist die Zugabe schwarzer Pünktchen nicht mehr als ein Marketing-Entscheid. Weil die Hersteller alle Zutaten separat einkaufen, sagen Punkte sowieso nichts aus: Ein Hersteller kann hochwertiges Bourbon-Vanilleextrakt und trotzdem billige Schoten in seine Glacé mischen – er könnte auch billiges, künstlich hergestelltes Vanillin-Aroma mit den teureren Samen in seiner Glacé verarbeiten.

Die schwarzen Punkte in der Glace können deshalb kein Gradmesser mehr für die Qualität einer Vanilleglacé oder eines anderen Vanilleproduktes sein. Käufer müssen sich ans Kleingedruckte halten oder einfach probieren – und den Gaumen entscheiden lassen.

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