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Ein Dorf kämpft gegen einen Fassreiniger
Aus Kassensturz vom 29.03.2011.
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Umwelt und Verkehr Ein Fassreiniger stinkt zum Himmel

Die Bewohner von Wettswil am Albis haben die Nase voll. Seit vielen Jahren wehren sie sich gegen einen Betrieb, der Industriefässer reinigt und die Dorfluft verpestet. Die zuständigen Behörden haben zwar eingegriffen, doch das sei zu wenig, klagen die Wettswiler.

Die Fassreinigung Amstutz reinigt jeden Tag über tausend Industriefässer, die mit Chemikalien oder Aroma-Konzentraten gefüllt waren. Das führt zu Geruchsimmissionen. Bei Westwind wehen unangenehme Gerüche in die Stuben der Dorfbewohner. Wenn Pelagia Paschaloudis mit ihrem Sohn Elia im Kinderwagen unterwegs ist, riecht sie oft diesen Gestank. Sie macht sich Sorgen, weil sie ihr Kind dieser Luft aussetzen muss. «Es stinkt, es riecht nach Chemikalien, so ein bissiger Geruch», beschreibt sie den penetranten Gestank. Das sei störend.

Dorfbewohner reklamieren seit Jahren

Bereits vor 15 Jahren hatte «Kassensturz» über den Gestank der Fassreinigung berichtet. Hundert Wettswiler Frauen und Männer hatten sich zu einem Umwelt Forum zusammengeschlossen. Sie sammelten Unterschriften. 250 Dorfbewohner - jeder zehnte - unterschrieb. Amstutz solle endlich sanieren, war ihre Forderung. Doch die Fassreinigung verpestet die Luft heute noch.

In der Lokalzeitung schreiben besorgte Wettswiler immer wieder Leserbriefe. Viele befürchten, dass der Gestank Giftstoffe enthalten könnte. Auch Heinz Liedke machte kürzlich im «Affolter Anzeiger» seinem Unmut Luft. Er schreibt, oft hänge ein süsslich-ekliger Geruch in der Luft, der nicht selten zu Übelkeit führe. «Man schreibt einen Leserbrief, wenn man die Nase voll hat und ungeduldig wird. Seit Jahren haben wir in Wettswil das Problem, dass es stinkt», sagt Heinz Liedke. Und es werde nichts gemacht.

Gestank bleibt auch nach Sanierung

Lange Zeit scherte sich die Fassreinigung nicht sonderlich um das Gesetz. Die Abgase aus dem Betrieb Amstutz verletzten die Emissions-Grenzwerte jahrelang. Mittlerweile hat der Fassreiniger den Ausstoss der Schadstoffe reduziert. Er hält die gesetzlichen Werte ein. Zudem darf er auch keine sehr giftigen Fässer mehr reinigen. Das haben ihm die Behörden untersagt. Doch die Geruchsbelastung ist dennoch eindeutig zu hoch. Amstutz rechtfertigt sich, er habe seinen Betrieb für viel Geld saniert. «Wir haben rund zweieinhalb Millionen Franken in eine Abluftreinigungsanlage investiert, wir haben die Aussenhülle der Firma abgedichtet, wir haben elektrische Tore installiert, damit keine Imissionen entstehen», sagt er. «Und wir halten alle unsere Emissionsgrenzwerte ein.»

Dennoch. Eine vom Kanton in Auftrag gegebene Untersuchung, eine sogenannte Geruchsbegehung, ergab vor zwei Jahren zweifellos: Der Gestank von der Fassreinigung ist zu stark. Teile der Bevölkerung würden übermässig belastet. Nach der Geruchserhebung hat der Fassreiniger Amstutz weitere Sanierungsmassnahmen umgesetzt. In den nächsten Monaten soll eine erneute Untersuchung zeigen, ob sich dadurch die Situation für die Wettswiler verbessert hat.

Viele klagen über körperliche Beschwerden

Das scheint nicht der Fall zu sein. Der Gestank sei immer noch unerträglich und würde Kopfweh und manchmal sogar Erbrechen verursachen, klagen die Wettswiler. Die Präsidentin des Umwelt Forums, Verena Berger, erhält jede Woche mehrere Mails mit Meldungen über Geruchsbelästigungen. Auszüge davon: «Ich fasse es nicht. Man sieht’s und man riecht’s! Es dampft. Und es stinkt.» «Ätzend, wie Nagellack. Unsere Kinder hatten am Nachmittag gerötete Augen.» «Süsslich bis bitterer Gestank, musste die Fenster sofort schliessen.»

Verena Berger kritisiert die Behörden. Sie hätten Josef Amstutz zwar Fristen für eine Sanierung gesetzt, ein paar Verfügungen geschrieben, sogar mit Betriebsschliessung gedroht. Doch Amstutz verpestet die Luft weiter. «Wir haben Tage mit einer hohen Belastung, die man wirklich fast nicht aushält», sagt Berger. «Da entweichen offenbar massiv viele Stoffe aus dem Betrieb.» Aber auch wenn nur wenige Stoffe rauskommen würden, gäbe es vielleicht Langzeitfolgen. «Manchmal kommt es mir so vor, als wäre es dem Kanton egal, als ob wir als Bevölkerung Versuchskaninchen sind für irgendein Langzeitexperiment von niedrigen Dosen von Gift.»

Den Behörden gehen die Ideen aus

Die Behörden tun zu wenig, klagen die Wettswiler. Dabei müssten sie laut Luftreinhalteverordnung rasch eingreifen, wenn Gerüche einen wesentlichen Teil der Bevölkerung in ihrem Wohlbefinden erheblich stören. Das ist in Wettswil ja wohl der Fall. Hansjörg Sommer, Leiter Lufthygiene vom AWEL in Zürich, streitet ab, dass sein Amt zu wenig getan hätte. «Heute haben wir mehr Massnahmen angeordnet und umgesetzt als in jedem andern Betrieb im Kanton Zürich», sagt er. «Und es gibt langsam keine Ideen mehr, was man noch machen könnte, um auch die restlichen Rest-Emissionen zu beseitigen. Ganz ohne wird es auch in Zukunft nicht gehen.» Zudem gebe es keinerlei Hinweise, dass die Gerüche gesundheitsschädigend seien. Luftmessungen des Kantons würden zeigen, dass die Schadstoffbelastung im üblichen Bereich liege, sagt das AWEL.

Fassreiniger findet Anschuldigungen nicht fair

Roger Amstutz fühlt sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. Er ist überzeugt, dass der Gestank nicht nur von seinem Betrieb kommt. «Alle unangenehmen Gerüche werden immer der Firma Amstutz angehängt, was einfach nicht stimmt.» Auch die Abfalldeponie in der Nähe seines Betriebes würde stinken.

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