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14 Jahre nach BSE: Masttiere sollen wieder Tiermehl fressen
Aus Kassensturz vom 25.02.2014.
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Umwelt und Verkehr Masttiere sollen wieder Tiermehl fressen

Durch das Verfüttern von Tiermehl konnte sich in den Neunziger-Jahren die gefährliche Krankheit BSE bei Rindern ausbreiten. 14 Jahre nach dem Tiermehl-Verbot möchten Politiker das Verfüttern von Tiermehl an Nutztiere wieder erlauben. «Kassensturz» nennt die Risiken und Chancen.

An die Bilder aus den 1990er-Jahren erinnern sich noch viele: Zitternde Rinder mit unkontrollierten Bewegungen, die an der Tierseuche BSE leiden. In der Schweiz erkrankten gemäss offiziellen Zahlen 464 Tiere am «Rinderwahn».

Das Resultat der SMS-Abstimmung.
Legende: Das Resultat der SMS-Abstimmung. SRF

Die Tiere infizierten sich durch verunreinigtes Tiermehl im Futter. Im Jahr 2000 erliess der Bundesrat deshalb ein generelles Fütterungsverbot für Tiermehl. Auch die EU verbot Tiermehl im Futter.

Jetzt wollen Politiker in der Schweiz Tiermehl für die Fütterung wieder zulassen. Nationalrat Hansjörg Knecht (SVP/AG) verlangt dies in einer Motion.

Auch SP-Nationalrätin Prisca Birrer-Heimo, Präsidentin der Stiftung für Konsumentenschutz, unterstützt grundsätzlich die Wiederzulassung: «Es ist wichtig, die vorhandenen Rohstoffe sinnvoll zu nutzen», sagt die SKS-Präsidentin in der Sendung «Kassensturz». In der EU liegen bereits mehrere Verordnungsentwürfe für die Wiederzulassung vor.

«Hühner sind keine Vegetarier»

Truten beim Essen von Futter
Legende: Truten essen Kraftfutter SRF

Peter Röthlisberger, Präsident der Schweizer Geflügelzüchter, begrüsst es, wenn Hühner und Truten wieder Tiermehl fressen dürften. Er erklärt gegenüber «Kassensturz»: «Ich halte sehr viel von dem. Denn grundsätzlich sind Hühner und auch Schweine keine Vegetarier. Wir zwingen denen eigentlich eine vegetarische Ernährung auf mit dem Tiermehlverbot.» Tiermehl sei ein sehr wertvoller Eiweissträger, so Röthlisberger.

Stattdessen brauchen Schweizer Bauern für die Mast ihrer Tiere immer mehr importiertes Soja. Die Importe sind aber ökologisch fragwürdig und deshalb umstritten. Die Einfuhr von Eiweiss-Futtermitteln wie zum Beispiel Sojaschrot hat von knapp 300'000 Tonnen im Jahr 2000 auf rund 450'000 Tonnen im Jahr 2010 zugenommen.

Ersatz für umstrittene Soja-Importe

Sojakuchen in Futtermühle
Legende: Sojakuchen in Futtermühle. Soja als Eiweissträger ist eine wichtige Komponente von Mischfutter. SRF

Rudolf Marti, Geschäftsführer der Vereinigung Schweizerischer Futtermittelfabrikanten (VSF), rechnet damit, dass einheimisches Tiermehl bei der Futterherstellung rund 30'000 Tonnen Soja ersetzen könnte, rund einen Zehntel der importierten Menge.

Er befürwortet die Wiedereinführung der Fleisch-Knochen-Mehle für die Fütterung von Geflügel und Schweinen: «Wir haben ein hochwertiges Produkt, das wir jetzt grösstenteils verbrennen. Das ist eine sehr schlechte Situation.»

Kannibalismus verhindern

Die Futtermühlen könnten das Tiermehl dem Mischfutter beimengen. Der Bundesrat hat aufgezeigt, welches Tiermehl soll unter welchen Bedingungen wieder zugelassen werden könnte: Fleischmehl von Wiederkäuern soll zum Schutz vor BSE nicht wieder verfüttert werden.

Doch Fleischmehl aus Schweinen und Geflügel soll wieder als Tierfutter dienen. Rinder als Vegetarier dürfen auf keinen Fall Tiermehl fressen. Anders Schweine und Geflügel.

Unter einer Bedingung: Schweine sollen nur Geflügelmehl fressen und Geflügel nur das Fleischmehl der Schweine. Der Bundesrat will ein striktes Kannibalismus-Verbot. Getrennte Verarbeitungsketten sollen Vermischungen der tierischen Proteine verhindern.

Prisca Birrer-Heimo, Präsidentin SKS, in Nahaufnahme
Legende: Prisca Birrer-Heimo, Präsidentin SKS, plädiert für Null-Toleranz SRF

Konsumentenschützerin Prisca Birrer-Heimo pocht auf eine strikte Trennung der ganzen Verarbeitungskette. Sie will eine Nulltoleranz, also keinerlei Vermischungen. Sie sagt gegenüber «Kassensturz»: «Wir haben seit dem BSE-Skandal viele Verunsicherungen gehabt bei den Konsumentinnen und Konsumenten. Wenn man das Vertrauen der Leute haben will, muss man sehr strikt sein.»

Risiken seien heute deutlich kleiner

Doch Schweizer Futtermühlen produzieren heute im gleichen Werk Mischfutter für verschiedene Tiere. Strikt getrennte Verarbeitungswege ohne jegliche Verunreinigungen sind gemäss dem Verband nicht machbar. Die grosse Angst vor BSE ist für Geschäftsführer Rudolf Marti nicht mehr begründet.

Rudolf Marti, Direktor der Vereinigung der Futtermittelfabrikanten, in Nahaufname
Legende: Rudolf Marti, Direktor der Vereinigung der Futtermittelfabrikanten, hält die Risiken für gering. SRF

Die Risiken seien jetzt deutlich kleiner: «Wir haben heute eine ganz andere Ausgangslage und seit einigen Jahren kein BSE mehr.» Verschiedene Massnahmen, die Seuchen wie BSE verhindern, seien bei der Herstellung bereits in Kraft.

So die Drucksterilisation und die Erhitzung auf 130 Grad. Zudem sei bei Geflügel und Schweinen BSE gar nie vorgekommen.

325‘000 Tonnen Schlachtabfälle

In Schweizer Schlachtbetrieben fallen jährlich rund 325‘000 Tonnen tierische Nebenprodukte als Abfälle an. Seit dem Tiermehl-Fütterungsverbot beteiligt sich der Bund jährlich mit maximal 48 Millionen Franken an den Entsorgungskosten.

Bei einer Wiederzulassung von Tiermehl für die Fütterung von Geflügel und Schweinen könnte ein Teil der Schlachtnebenprodukte für die Futterherstellung verwendet werden. Im Schweineschlachthof der SBAG in Bazenheid sind es vor allem die Dickdärme, die in die Tiermehlfabrik kommen.

Tiermehl stellt beispielswese das GZM Extraktionswerk der Firma Centravo in Lyss her. In Kesseln werden die Fleischreste unter hohem Druck bei 130 Grad sterilisiert.

Dann wird dem Gemisch das Wasser entzogen und das Fett herausgespresst. Übrig bleibt ein trockenes Mehl aus Fleisch-Eiweiss, das heute unter anderem in der Zementherstellung verbrannt wird.

Was der Experte sagt

Lukas Perler, Leiter Fachbereich Krisenvorsorge und Tierseuchenbekämpfung BLV, im Studiogespräch:

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Studiogespräch mit Lukas Perler, Leiter Fachbereich Krisenvorsorge und Tierseuchenbekämpfung BLV
Aus Kassensturz vom 25.02.2014.
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