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Abzockende Ärzte: Verdienen am Fliessband
Aus Kassensturz vom 10.12.2002.
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Versicherungen Abzockende Ärzte: Verdienen am Fliessband

Ob sinnlose Nachkontrollen oder unnötige Leistungen: Die Krankenkassen müssen die Arztrechnungen bezahlen. Ärzte, die das System ausnützen, bleiben weitgehend unbehelligt. Das wird sich auch nicht so bald ändern: Der Nationalrat lehnt die Aufhebung des Vertragszwangs ab.

Das unternehmerische Risiko ist für die Ärzte klein: Der unkündbare Vertrag mit den Krankenkassen sichert ihr Einkommen. Ganz egal, wie schlecht oder teuer sie arbeiten. Gegen überrissene Arztrechnungen können sich die Kassen kaum wehren. Das Gesetz erlaubt nicht, unwirtschaftliche Ärzte auszuschliessen. Der Krankenkassenverband Santésuisse fordert deshalb die Aufhebung des Vertragszwangs: "Wir wollen nicht mehr mit jedem Arzt einen Vertrag abschliessen müssen, sondern wollen innovative Ärzte, die kostengünstig arbeiten und so viel mehr Qualität zugunsten der Versicherten bringen", sagt Marc-André Giger, Direktor von Santésuisse.

Heute können die Kassen nur in krassen Einzelfällen überhöhte Honorare zurückfordern. Der Berner Fürsprecher Roland Amstutz spürt für den Krankenkassenverband Ärzte auf, die das System ausnützen: Mit einer ausgeklügelten Software erfasst er jedes Jahr Millionen von Arztrechnungen. Von den vertraulichen Daten der 14'000 Ärzte kann der Krankenkassenfahnder herausfiltern, wer wesentlich mehr verrechnet als alle anderen. Kassensturz-Recherchen belegen: Ein Arzt, der mit überrissenen Rechnungen und exzessivem Medikamentenverkauf über Jahre hinweg einen Jahresumsatz von einer Million machte, wurde nach jahrelangen Prozessen zur Zurückzahlung von 700'000 Franken verurteilt. Ein anderer Arzt behandelt über 11'000 Patienten pro Jahr, rund dreimal so viel wie die Kollegen. Seine Arztkosten und Medikamentenpreise liegen massiv über dem Durchschnitt.

Ohne Vertragszwang könnten die Krankenkassen alle Ärzte ausschliessen, die sich mit überhöhten Rechnungen gesundstossen. Das würde Prämiengelder sparen: Mit den Einsparungen könnten die Prämien um sechs Prozent gesenkt werden. Doch die Ärzte glauben nicht, dass der Wettbewerb im Gesundheitswesen spielt: "Das Modell setzt voraus, das die Besten und Günstigsten obsiegen. In der Wirtschaft gibt es aber genügend Beispiele, wo die Unethischen und Teuersten gewinnen", wendet Hans Heinrich Brunner, Präsident der FMH ein.

Wird der Vertragszwang aufgehoben, ist die freie Arztwahl zwar eingeschränkt. In Notfällen könnten die Patienten aber weiterhin zu jedem Arzt gehen. Hinzu kommt: Der Wettbewerb würde auch bei den Kassen spielen. Streicht eine Kasse nämlich zu viele Ärzte von der Liste, laufen ihr die Versicherten davon. Giger findet die Angst vor dem freien Wettbewerb unbegründet: "Wir haben 20 Prozent zu viel Ärzte. Sind die teuersten und qualitativ schlechtesten Ärzte nicht mehr im System, sind wir nach wie vor bestens versorgt", sagt Giger.

In der Politik ist man sich uneins: Der Ständerat hat beschlossen, den Vertragszwang aufzuheben. Der Nationalrat entschied am 11. Dezember gegenteilig.

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