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Ärger nach Unfall: Schuldlose Autofahrer müssen blechen
Aus Kassensturz vom 29.04.2014.
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Versicherungen Ärger nach Unfall: Schuldlose Autofahrer müssen blechen

Ein Velofahrer stürzt in ein Auto, es entsteht ein Schaden von 2000 Franken. Obwohl die Autofahrerin keine Schuld trägt, will die Versicherung des Velofahrers nur die Hälfte bezahlen. Das zeigt: Seit es die Velovignette nicht mehr gibt, sind die Autofahrer abhängig von der Velofahrer-Versicherung.

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SRF 1 "Hesch gwüsst" zur Velohaftung
aus Espresso vom 30.04.2014.
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 38 Sekunden.

Diesen Tag im Januar 2013 vergisst Priska Wyss nicht so schnell. Sie stoppte ihr Auto am Rotlicht einer Kreuzung in Derendingen im Kanton Solothurn. Als sie bei grün wieder losfuhr, bog von rechts ein Velofahrer in die Strasse ein.

Priska Wyss erinnert sich noch gut: «Der Velofahrer hatte einen Spazierstock am Lenker eingehängt.» Dieser Spazierstock wurde zum Verhängnis, er verfing sich in den Velospeichen. Der Radfahrer stürzte seitlich ans Auto von Priska Wyss.

Der Schrecken war gross, zum Glück verletzte sich der Velofahrer bei der Kollision nicht: «Wir halfen ihm aufstehen und nahmen den Stock aus den Speichen», erzählt Priska Wyss.

Unschuldige Autofahrerin muss zahlen

Was bleibt sind Beulen und Kratzer am Auto von Priska Wyss. Sie bringt den Wagen in die Werkstatt. Gemäss Polizeirapport ist der Velofahrer an der Kollision schuld. Für die Autolenkerin ist deshalb klar, die Reparaturkosten zahlt die Haftpflicht des Velofahrers, die Helvetia Versicherung.

Gross ist deshalb die Überraschung, als die Helvetia Versicherung nur den halben Schaden übernehmen will: «Zuerst dachte ich, ich sei im falschen Film», sagt Priska Wyss. Die Begründung der Helvetia Versicherung: Vom Auto gehe eine sogenannte Betriebsgefahr aus. Die unschuldige Autofahrerin muss fast 1000 Franken selber zahlen.

Wenn keine Deckung da ist:

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Wenn Sie nicht imstande sind, einen Schaden zu bezahlen, dann springt allenfalls der Nationale Garantiefonds ein. Dieser darf den Betrag vom Schädiger zurückfordern. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.

Haftpflichtversicherung statt Velovignette

Laut offizieller Verkehrsstatistik passieren jährlich rund 2000 Unfälle zwischen Velo und Auto. Knapp jeden dritten Unfall verursacht der Velofahrer. In solchen Fällen deckt seine Haftpflicht allfällige Schäden.

Bis vor zwei Jahren sorgte die Velovignette für diese Deckung. Ronald Pedergnana ist auf Verkehrsrechtsfälle spezialisiert. Der St. Galler Rechtsanwalt ist überzeugt, zu Zeiten der Velovignette wäre der Fall Wyss unbürokratisch erledigt worden.

Jetzt aber werde mit härteren Bandagen gekämpft: «Heute wird bei Sachschäden zwischen Velo und Auto mehr um jeden Franken gekämpft als früher.» Diese härtere Gangart bekam auch Priska Wyss zu spüren. Sie muss die Hälfte des Schadens übernehmen.

Weil sie von gesetzeswegen am Unfall mitschuldig sei, argumentiert die Helvetia, die Haftpflichtversicherung des Velofahrers. Tatsächlich: Laut Gesetz sind Autos grundsätzlich gefährlich. Deshalb müssten sich unschuldige Autofahrer am Schaden beteiligen, ausser der Velofahrer handle grobfahrlässig.

Autofahrer sind von Versicherung des Velofahrers «abhängig»

Klar ist aber auch, mit solchen Abzügen spart die Versicherung Kosten. Es hängt somit vom Zufall ab, oder viel mehr davon, welche Versicherung der Schädiger hat. Entsprechend wird man besser oder schlechter entschädigt. Das zeigt eine Umfrage von «Kassensturz» bei mehreren Versicherungsunternehmen.

So macht die Zürich bei einer Schadensumme von bis zu 5000 Franken kein grosses Büro auf und deckt den Schaden, ohne irgendwelche Abzüge für die Betriebsgefahr.

Auch AXA Winterthur verzichtet bei Sachschäden gegenüber den Geschädigten auf den Einwand der Betriebsgefahr bis zu einer Entschädigungssumme von 3000 Franken. Das Ziel sei eine einfachere und kundenfreundlichere Schadenabwicklung, schreibt die Versicherung an «Kassensturz».

Baloise und Mobiliar beurteilen die Haftungsquoten von Fall zu Fall. Helvetia bezahlt bis zu einer Obergrenze von 1000 Franken den ganzen Schadenbetrag. Das nützt Priska Wyss nichts, der Schaden an ihrem Auto betrug 2000 Franken. Immerhin: Nach dem sich «Kassensturz» in den Fall eingeschaltet hat, wird Priska Wyss etwas besser entschädigt als zuerst angekündigt. Aber 500 Franken muss sie selber blechen, für die Folgen eines Unfalls, den sie nicht verschuldet hat.

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