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Helsana-Ärger: Kasse jubelt Kunden Versicherung unter
Aus Kassensturz vom 22.10.2013.
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Versicherungen Helsana-Ärger: Kasse jubelt Kunden Versicherung unter

Seit Jahren dreht die Helsana Neurentnern versteckt im Kleingedruckten die Pflegeversicherung Cura an. Fachleute und Kunden schütteln den Kopf ob diesem Vorgehen. Zumal die Versicherung gemäss Experten wenig bringt.

Margrit Bollhalder bekam vor einiger Zeit Post von ihrer Krankenkasse Helsana. «Gute Nachrichten für Sie», hiess es darin. Und: «Sie haben das einmalige Anrecht, ohne Gesundheitsprüfung eine Langzeitpflegeversicherung abzuschliessen.» Was die Helsana-Kundin seltsam fand: Die Versicherung tritt automatisch in Kraft. Falls sie das nicht will, muss sie eine Verzichtserklärung ausfüllen und an die Krankenkasse zurückschicken.

Dieses Angebot hat Margrit Bollhalder erhalten, weil sie 1999 die Spitalzusatzversicherung Hospital von Helsana abgeschlossen hat. In dieser Police steht im Kleingedruckten unter Punkt 26, dass der Versicherungsnehmer ab dem AHV-Alter automatisch auch die Lanzeitpflegeversicherung Cura zugeteilt bekommt.

Schweigen bedeutet nicht zustimmen

Dieses Vorgehen wird von der Helsana seit Jahren praktiziert. Und immer wieder sorgt diese automatische Versicherung für rote Köpfe bei vielen Helsana-Kunden. Auch bei Margrit Bollhalder:

«Das ärgert mich. Es kann doch nicht sein, dass ich reagieren muss, wenn ich eine neue Versicherung nicht will. Ich möchte gefragt werden, ob ich etwas will und nicht anders herum.»

Thomas Koller Professor am Zivilistischen Seminar der Uni Bern kennt die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Helsana-Spitalzusatzversicherung Hospital. Er kommt zum Schluss, dass dieses Vorgehen rechtlich nicht haltbar ist: «Im Obligationenrecht gibt es ein Prinzip, nach dem aus Stillschweigen nicht automatisch auf Zustimmung geschlossen werden kann.» Das heisst: Wer einen neuen Vertrag abschliessen will, der muss dem ausdrücklich zustimmen.

Langes Warten auf das erste Geld

Und wenn – wie im Beispiel von Helsana – in einem älteren Vertrag bereits ein neuer Vertrag vermerkt ist? In Ausnahmefällen könne das gelten gemacht werden. Beim Helsana-Angebot sieht der Spezialist für Privatrecht diese Variante aber nicht: «In den Allgemeinen Versicherungsbedingungen, die ich geprüft habe, ergibt sich nicht, dass man ausdrücklich ablehnen muss.» Deshalb sei das Vorgehen von Helsana nicht korrekt. «Es müsste umgekehrt sein, nämlich dass der Kunde entscheiden kann, ob er das Angebot nutzen will.»

Und die Versicherung hat weitere Haken: Die Helsana bezahlt im Pflegefall lediglich eine Tagespauschale von 60 Franken. Und: Die Wartefrist bis zur ersten Auszahlung beträgt 720 Tage. Wer Pflege benötigt, bekommt also erst einmal zwei Jahre kein Geld. Da stellt sich die Frage, ob diese Versicherung überhaupt ihr Geld wert ist.

Versicherungsfachmann Stefan Thurnherr findet: «Diese Versicherung bringt nichts. Der ausbezahlte Betrag wäre im Vergleich zur Prämie marginal klein. Und bis die 720 Tage abgelaufen sind, sind viele Pflegebedürftige leider schon verstorben.» Anhand eines Rechnungsbeispiels zeigt er auf: Der Anteil der Versicherungsleistung an den Gesamt-Pflegekosten beträgt in diesem Fall gerade einmal vier Prozent.

Unfreiwillig bezahlte Prämien werden zurückerstattet

Helsana versteht die Aufregung nicht. Im «Kassensturz»-Interview sagt Kundenservice-Leiter Michael Meier: «Wir haben für die Cura-Versicherung bisher 21 Millionen Franken an über 100‘000 Versicherte ausbezahlt. Diese können nicht alle den Brief nicht gelesen haben oder nicht einverstanden sein.» Man sei überzeugt, den Kunden einen grossen Mehrwert zu bieten.

Zum juristischen Vorwurf von Professor Thomas Koller sagt Helsana, die Vertragsbedingungen inklusive der besagten Klausel seien von der Finanzmarktaufsicht Finma abgesegnet und in aufsichtsrechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden.

Dennoch hat wohl der eine oder andere Neu-Rentner die Cura-Versicherung akzeptiert, ohne genau zu wissen, worum es sich dabei handelt. In solchen Fällen will sich die Helsana kulant zeigen: «Wer diese Versicherung nicht will, kann sich an uns wenden. Die Prämien werden dann zurückbezahlt.»

Was die 720 Tage Wartefrist betrifft, so erklärt Michael Meier: «Wir sind uns bewusst, dass Cura nicht jedes Problem lösen kann. Diese Langzeitpflegeversicherung soll eine finanzielle Unterstützung sein.»

Margrit Bollhalder kann das nicht überzeugen. Sie hat die Verzichtserklärung bereits ausgefüllt und an die Helsana zurückgeschickt.

An «Kassensturz» schreibt Helsana: «Wer die Pflegeversicherung Cura nicht möchte, kann sich an Helsana wenden. Ist bei einem Kunden die Pflegeversicherung Cura per 1.1.2013 in Kraft getreten, storniert Helsana das Produkt und erstattet bereits bezahlte Prämien rückwirkend per 1.1.2013 zurück. Alle anderen Anfragen von Kunden überprüfen wir im Einzelfall.

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