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Neue Spitalfinanzierung kostet Milliarden
Aus Kassensturz vom 15.03.2011.
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Versicherungen Neue Spitalfinanzierung kostet Milliarden

Fallpauschalen für Spitalbehandlungen sollen ab 2012 für Kostenwahrheit und mehr Wettbewerb sorgen. Doch jetzt zeigt sich: Steuerzahler und Grundversicherte werden damit massiv zur Kasse gebeten. «Kassensturz» enthüllt: Auf die Steuerzahler kommen Kosten in Milliardenhöhe zu.

Das Spital wird einen Blinddarm oder eine gebrochene Rippe nächstes Jahr genau gleich behandeln wie heute. Doch die Verrechnung der Kosten ändert sich für die Spitäler radikal. «Bisher konnten wir einfach die entstandenen Kosten in Rechnung stellen. Neu bekommen wir einen fixen Preis für eine Behandlung», sagt Andreas Kohli, Direktor des Regionalspitals in Langenthal/BE.

Diese so genannte Fallpauschale ist abhängig von der Diagnose beim Patienten. Pro Behandlung erhält das Spital immer gleich viel Geld, egal wie lange ein Patient im Bett liegt. Das neue System soll Leistungen der Spitäler vergleichbar machen. Ein riesiger Umbau der Spitalfinanzierung steht bevor und damit eine gigantische Verschiebung der Finanzströme zwischen Kantonen und Krankenkassen. Im öffentlichen Spital teilten sich Krankenkassen und Spitäler die Kosten bisher je zu Hälfte. Zusätzlich bezahlte der Kanton die Investitionen des Spitals.

Neu freie Spitalwahl

Neu müssen die Krankenkassen nur noch 45 Prozent bezahlen, die Kantone 55 Prozent. Die Kassen beteiligen sich aber über die Fallpauschale auch an den Investitionskosten der Spitäler. «Das führt zu Mehrkosten zwischen 150 und 650 Millionen Franken», sagt Stefan Kaufmann, Direktor des Krankenkassenverbands Santésuisse.

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Noch viel grösser ist die erwartete Zusatzbelastung für die Steuerzahler, sagen die Kantone. Diese müssen sich neu auch an allen Privatspitälern beteiligen, die einen Grundversorgungsauftrag haben und auf einer Spitalliste stehen. Bisher haben die Krankenkassen die Privatspitäler alleine über die Grund- und Zusatzversicherung finanziert. Der Vorteil für die Versicherten: Sie können neu frei wählen zwischen öffentlichen und privaten Spitälern in der ganzen Schweiz.

Kantone zahlen für Privatspitäler

«Das alles kostet enorm viel Geld», sagt Michael Jordi von der Gesundheitsdirektoren-Konferenz (GDK). Ein Schock für die Steuerzahler: Insgesamt erwartet die GDK 1,5 Milliarden Mehrkosten. «Die Kantone müssen neu ausserkantonale Behandlungen mit bezahlen», sagt Michael Jordi. Dazu kommen Mehrkosten im eigenen Kanton, vor allem durch die neuen Beiträge an die Privatspitäler.

Weil alle Spitäler neu gleich finanziert werden, erhalten die Versicherten die freie Spitalwahl, bezahlen dafür aber über Prämien und Steuern rund 2 Milliarden Franken. Gleichzeitig entlasten sie damit die Zusatzversicherung. «Das ist der politische Wille hinter der Reform», sagt Gesundheitsökonom Willy Oggier. Denn bisher hätte die Zusatzversicherung die Grundversicherung und die Kantone quersubventioniert.

Prämien müssen sinken

Profitieren sollten also die Zusatzversicherten, fordert Willy Oggier: «Wenn der Markt spielt, ist davon auszugehen, dass die Prämien im Bereich der Halbprivat- und Privatversicherungen im zweistelligen Prozentsatz sinken.»

«Kassensturz» hat bei den grössten Schweizer Krankenkassen nachgefragt, ob sie die Entlastungen in der Zusatzversicherung an die Prämienzahler weitergeben. CSS, Sanitas, Helsana, Swica, Groupe Mutuel und Assura wollen sich alle nicht konkret zu möglichen Prämiensenkungen äussern. Dafür sei es noch zu früh, sagen sie.

Einzig CEO Peter Fischer von der Visana nennt im Zusatzversicherungsbereich Zahlen. Die Prämien für Halbprivat- und Privatversicherte müssten insgesamt um 50% sinken, sagt er. «Künftig sind alle medizinischen Pflichtleistungen über die Grundversicherung abgedeckt.» In der Zusatzversicherung seien nur noch echte Zusatzleistungen wie der Hotelleriekomfort und die freie Arztwahl versichert.

Ob die Zusatzversicherten entlastet werden, ist ungewiss. Gewiss ist einzig: Auf die Steuer- und Prämienzahler kommen nächstes Jahr massive Mehrkosten zu.

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