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Vermieter vertuscht Asbest-Gefahr
Aus Kassensturz vom 03.05.2011.
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Wohnen Vermieter vertuscht Asbest-Gefahr

In zehntausenden Schweizer Mietwohnungen schlummert immer noch Asbest in Novilon-Böden. Lassen Hausbesitzer falsch sanieren, wird die giftige Faser freigesetzt. Dann entsteht eine Gefahr, die noch Jahrzehnte später Krebs auslösen kann.

Barbara Schönbächler wohnt an der Brünigstrasse in Luzern. Letzten Herbst wurden in ihrem Haus alle Wohnungen renoviert. Sie hat die Sanierung beunruhigt:«Die Küchen und Bäder sind alle umgebaut worden. Im Bad war der ganze Boden mit Novilon beschichtet, auch die Badewanne war eingekleidet mit dem teilweise rissigen Belag. Am Boden war er zum Teil schon aufgefaltet. Die Sanierung war dringend nötig. Was jedoch herausgerissen worden ist oder nicht, das kann man gar nicht sagen», befürchtet die Luzernerin.

Wenn solche Novilon-Beläge nicht fachgerecht entfernt werden, bleiben giftige Asbestfasern in den Räumen zurück. Barbara Schönbächler ist Krankenschwester. Sie weiss, wie gefährlich Asbest ist. Darum fragte sie sich: Enthielt ihr Novilon auch Asbest? Mehrmals erkundigte sie sich bei ihrem Vermieter und den für die Sanierung zuständigen Generalunternehmer. Doch die wimmelten sie ab.

Das Gutachten privat finanziert

«Mich hat das von Anfang an aufgeregt, wie ich als Mieterin behandelt worden bin. Die wollten mich einfach für dumm verkaufen. Das habe ich von Anfang an gemerkt. Es geht schliesslich um die Gesundheit der Mieter und auch der Arbeiter. Ich kenne es vom Spital, wenn Patienten mit einer Asbestlunge kommen. Und das ist nicht witzig», schimpft Schönbächler.

Zuständig für den Umbau des Hauses war die Firma GU für Bauservice GmbH. «Als ich vor der Bauerei mit Herrn Tschopp von der GU für Bauservice GmbH telefoniert habe, hat er mir erstens gesagt, es habe kein Asbest drin und zweitens, es werde nichts rausgerissen», sagt Schönbächler.

Doch sie glaubte ihm nicht. Bei der Suva liess sie darauf auf eigene Kosten eine Analyse des Novilons machen. Das Resultat: Der Novilon in ihrer Wohnung enthielt tatsächlich Asbest.

Generalunternehmer gefährdet auch Handwerker

Den Generalunternehmer interessiert das jedoch nicht. Auch «Kassensturz» gegenüber behauptet er, seine Handwerker hätten keinen Novilon-Belag herausgerissen. In keiner der Wohnungen. Es wurde «optimal gearbeitet», versicherte er auch den Behörden

Dies stimmt nicht. Zwar haben Handwerker den Novilon wenn möglich überdeckt. Aber nicht immer. Einzelne Teile rissen die Bauarbeiter heraus. Inzwischen ist nichts mehr zu sehen und ausser einem Stück Novilon ist alles abtransportiert.

Was ist Asbest?

Asbest ist die Bezeichnung für eine Gruppe von natürlich vorkommenden, faserförmigen Mineralien. Asbestfasern sind gegen Feuer und Säuren beständig und haben eine hohe Zugfestigkeit. Auch konnte Asbest gut für Verbundwerkstoffe verwendet werden – beispielsweise mit Zement und Harzen.

Asbest

  • ist hitzebeständig bis 1000 Grad Celsius
  • resistent gegenüber einer Reihe aggressiver Chemikalien
  • hat eine hohe elektrische und thermische Isolierfähigkeit
  • weist hohe Elastizität und Zugfestigkeit auf und
  • lässt sich gut in verschiedene Bindemittel einarbeiten (z. B. in Zement und Harze)

Wegen dieser einzigartigen Eigenschaften als Werkstoff wurde Asbest in sehr vielen Produkten verwendet und fand weite Verbreitung.

Asbestfasern bestehen aus vielen kleinen Asbestnadeln, welche von Auge unsichtbar sind. Durch das Einamtem bleiben sie jahrelang im Lungengewebe, dringen bis in die Zellen vor und können Jahrzehnte später zu Krebs führen. Eine fachgerechte Sanierung kostet ein Mehrfaches einer herkömmlichen Vorgehensweise. Entscheidend ist, dass keine Fasern in die Umwelt gelangen.

Asbest bleibt weiter ein Problem

Bei der Suva sind Asbestsanierungen ein Dauerthema. Novilon war von 1970 bis 1982 weit verbreitet. Es wurde in hundertausende Wohnungen verlegt. Diese Altlasten kommen noch heute ans Licht.

Adrian Bloch, Leiter des Bereichs Bau bei der Suva erklärt das gesetzliche Vorgehen: «Besteht der Verdacht, dass man bei der Sanierung auf asbesthaltiges Material stösst, gilt die Ermittlungspflicht. Und das ist bei Gebäuden, die vor 1990 erstellt worden sind, der Fall.»

Das Haus in Luzern gehört der Tuma Immobilien. Tuma-Chef Marco Tschuppert erklärt: «Es ist alles korrekt gelaufen. Wir haben mit der Suva zusammengearbeitet.» Tuma schrieb Schönbächlers Anwältin, dass es eine Tatsache sei, dass die Suva-Kontrollen betreffend des Asbests vor und während des Umbaus stattfanden.

Dies entpuppte sich als falsch: Adrian Bloch von der Suva bestätigt, dass die Suva aufgeboten wurde, als die Rückbauarbeiten bereits beendet gewesen waren. Es war also bereits zu spät. Vorher war die Suva nicht kontaktiert worden. Der Kassensturz bat Tuma-Chef Marco Tschuppert mehrfach vergeblich um ein Interview.

Auch Handwerker unwissend

Der Firma Tuma gehören diverse Häuser in der Schweiz. Im Fall Brünigstrasse seien für den korrekten Umbau alleine die Handwerker zuständig. Von einer Asbestproblematik hätte sie keine Hinweise erhalten, behauptet Tuma.

Barbara Schönbächler ist nach dem Umbau frustriert: «Ich bin zurückgekommen und war mir nicht sicher, ob ich das besser sein lasse. Denn der Dreck war überall. Ich habe zwar während der Bauerei alles abgedichtet. Aber der Asbest-Staub ist so fein, der kann überall sein. Wenn ich die Wohnung reinige, frage ich mich immer wieder, wieviel Asbest noch hier ist», sagt die Krankenschwester.

«Kassensturz» weiss: Jetzt greift die Behörde ein. Das Luzerner Amt für Chemikalien hat verfügt, dass im Haus an der Brünigstrasse eine Luft-Messung gemacht werden muss. Das Amt will wissen, wieviel Asbestfasern es dort drin noch hat.

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