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Wilde Orchideen Die Königin der Blumen gibt es auch bei uns

Orchideen gibt es nicht nur in den Tropen. Unsere einheimischen Arten sind zwar nicht ganz so gross und auffallend wie die Exoten, deshalb aber nicht weniger faszinierend. Auf dem Flachdach des Seewasserwerks Moos wachsen wilde Orchideen sogar mitten in der Stadt.

In Blumenläden und sogar im Grossverteiler locken Zucht-Orchideen aus den Tropen in allen Formen und Farben. Mit ihren grossen Blüten schmücken sie so manch eine Wohnung. Besonders stolz ist, wer sie auch ein zweites Mal zum Blühen bringt. Doch was nicht alle wissen: Es gibt auch einheimische Orchideen. In der Schweiz wachsen um die 70 verschiedene Arten. Sie sind zwar kleiner und unscheinbarer als ihre tropischen Verwandten, bei genauem Hinschauen aber nicht minder schön.

Im Gegensatz zu tropischen Orchideen, die meist auf Bäumen wachsen, wurzeln einheimische Arten im Boden. Die in der Schweiz vorkommenden wildwachsenden Orchideen-Arten sind geschützt, denn viele von ihnen sind sehr selten geworden.

Laut dem Bundesamt für Umwelt haben wir in den letzten 70 Jahren über 90 Prozent der Flächen verloren, die für Orchideen einen geeigneten Standort bieten.
Autor: Rafael Schneider Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsgruppe Stadtökologie an der ZHAW Wädenswil

Die meisten Arten mögen sonnige und vor allem magere Standorte. Denn zur Vermehrung brauchen Orchideen einen bestimmten Bodenpilz, der sich nur in nährstoffarmen Böden entwickeln kann.

Die Vermehrung geschieht von Art zu Art verschieden. In den allermeisten Fällen benötigen die Pflanzen dafür aber Bestäuber wie Bienen, Käfer oder Fliegen. Manche Arten haben sich sehr clevere Mechanismen zurechtgelegt, um Insekten anzulocken.

Weisses Waldvögelein
Legende: Weisses Waldvögelein Das Weisse Waldvögelein hat eine bestimmte Strategie, seine Bestäuber anzulocken. In seinen Blüten finden Insekten bei Nässe Unterschlupf oder ein Bett für die Nacht. SRF

Die einen locken Insekten mit Sexualstoffen an. Das heisst die Blüte sieht dem weiblichen Insekt verblüffend ähnlich und riecht auch noch gleich. Andere Arten bieten Insekten bei Regen und in der Nacht Unterschlupf und werden im Gegenzug bestäubt.

Orchideen mitten in der Stadt

Ein Dach voller Orchideen. Das gibt es beim Seewasserwerk Moos in Zürich-Wollishofen. Auf insgesamt vier grossen Flachdächern gedeiht eine Wiese, wie es sie vor 100 Jahren noch öfters gegeben hat. Um die 180 verschiedene Pflanzen- und mit ihnen auch viele Tierarten sind auf dieser Magerwiese anzutreffen. Ganz besonders sind die zehn wilden Orchideen-Arten, die es dort jedes Jahr zu bewundern gibt.

Entstanden ist dieser städtische Hotspot der Biodiversität vor mehr als hundert Jahren durch Zufall. Als das Seewasserwerk Moss 1914 gebaut wurde, sprach noch niemand von einer Dachbegrünung als biodiversitätsfördernde Massnahme. Aus der umliegenden Umgebung wurden Wiesenziegel als Wärmedämmung auf das Dach geschichtet. Dann hat sich weiter niemand mehr um das Dach gekümmert. Erst im Jahr 2000 wurden dann die Orchideen entdeckt. Das Seewasserwerk Moos gilt heute als Beispiel dafür, wie Dachbegrünungen im Siedlungsraum zur Förderung der Biodiversität beitragen können.

Orchideen mögen es wild

Unter bestimmten Bedingungen wachsen manche einheimische Orchideen auch im Garten. Besonders, wenn es im nahen Umkreis bereits wilde Orchideen gibt. Man sollte aber auf Dünger und Unrautvertilger verzichten, denn diese zerstören die für die Orchideen wichtigen Pilze im Boden. Zudem ist es wichtig, Die Wiese mit den Orchideen nur ein- bis höchstens zweimal im Jahr zu mähen. Am besten erst ab Juli.

Wer Orchideen schützen will, dem rate ich zu mehr Mut zu «let it be», also zu mehr stehen- und liegenlassen und zu weniger mähen.
Autor: Rafael Schneider Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsgruppe Stadtökologie an der ZHAW Wädenswil

Auf keinen Fall sollten wild wachsende Pflanzen ausgegraben und im eigenen Garten wieder eingepflanzt werden. Die Pflanzen stehen unter Schutz, und die Gefahr ist gross, dass ihnen die Bedingungen am neuen Standort nicht entsprechen und sie verkümmern. Der sehr beliebte Frauenschuh wurde immer wieder Opfer solch missglückter Umpflanzungen.

Eine Orchideenpflanze braucht mehrere Jahre, bis sie das erste Mal blüht. Wenn ihr dann mit einem einzigen Spatenstich die Lebensgrundlage entzogen wird, ist das schon sehr schade.
Autor: Rafael Schneider Wissenschaftlicher Mitarbeiter der Forschungsgruppe Stadtökologie an der ZHAW Wädenswil

In manchen Gärtnereien werden hybride Setzlinge angeboten, die so gezüchtet werden, dass sie möglichst mit den Bedingungen in einem Garten zurechtkommen.

In der Natur bewundern

Wildwachsende Orchideen zu Gesicht zu bekommen setzt etwas Glück und Wissen voraus. Um sie zu schützen, verraten Orchideenfreunde auch nicht alle Standorte. Das Orchideen-Dach des Seewasserwerks Moos ist nicht öffentlich zugänglich. Hier aber zwei andere Beispiele, wo man den raren Schönheiten während ihrer Blütezeit zwischen April und Juli mit grosser Wahrscheinlichkeit begegnen kann.

  • Orchideen-Schutzgebiet Tannbüel

Im nördlichsten Zipfel der Schweiz, im schaffhausischen Bargen befindet sich das Naturschutzgebiet Tannbüel, das von nationaler Bedeutung ist. Es ist bekannt für die über 20 Orchideen-Arten, die es dort neben vielen weiteren teils seltenen Pflanzen zu bewundern gibt. Um den nötigen Schutz zu gewähren, ist ein Teil des Reservats nicht frei zugänglich. Von Bargen aus geht's in einem halbstündigen Fussmarsch den alten Bargemer Steig hinauf. Da ein Teil des Gebietes auf deutschem Boden ist, den Ausweis nicht vergessen!

  • Orchideenlehrpfad Erlinsbach

Der von der Arbeitsgruppe Einheimische Orchideen Aargau (AGEO) unterhaltene Wanderlehrpfad führt zu Orchideenstandorten. Ausgangsort des 20-minütigen Pfads ist die Bushaltestelle Obererlinsbach Sagi. Der Weg ist markiert. Die Orchideen, sowie geschützte und auffällige Pflanzen sind beschildert. Von Mitte April bis Mitte Juni geben Mitglieder der AGEO an Wochenenden und Feiertagen vor Ort Auskunft, ansonsten beantwortet eine Informationstafel einige Fragen. Bei schlechtem Wetter wird der Lehrpfad aufgrund der Beschaffenheit des Weges nicht empfohlen.

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