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Lebensmittelkontrollen in der Schweiz
Aus Puls vom 15.10.2012.
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Wie sicher sind Lebensmittel in der Schweiz?

In den letzten Wochen erkrankten in Deutschland Tausende Schüler an Brechdurchfall. Es dauerte rund eine Woche, bis das Virus in Tiefkühl-Erdbeeren aus China gefunden wurde, die zahlreiche Schulen verarbeitet hatten. Eine deutsche Kontroll-Lücke – oder kann so etwas in der Schweiz auch passieren?

In der Schweiz ist die Lebensmittelkontrolle durch das eidgenössische Lebensmittelgesetz geregelt. Für den Import bedeutet das, dass die Eidgenössische Zollverwaltung (EZV) ausländische Lebensmittel direkt an der Landesgrenze prüft. Allerdings spürt sie nur offensichtlich verdorbene Lebensmittel auf. Unsichtbare Krankmacher wie Viren, Bakterien und oder Pilze passieren die Grenze unbehelligt.

Selbstverantwortung unter kantonaler Kontrolle

Innerhalb der Schweiz schreibt das eidgenössische Lebensmittelgesetz einheitliche Standards vor, zum Beispiel maximal erlaubte Werte für Bakterien oder Giftstoffe. Für den Vollzug dieser Gesetze sind die einzelnen Kantone verantwortlich, die jeweils ihre eigenen Kantonschemiker bestimmen. Diese sind jedoch nicht für die eigentliche Kontrolle der Lebensmittel verantwortlich, sondern nur dafür, den Lebensmittelkonzernen bei ihren Kontrollen hin und wieder auf die Finger zu schauen.

Die Verantwortung für die Qualität der Lebensmittel liegt in der Schweiz nämlich klar bei den Konzernen selbst. In Artikel 23 des Schweizer Lebensmittelgesetzes heisst es hierzu: «Wer Lebensmittel, Zusatzstoffe und Gebrauchsgegenstände herstellt, behandelt, abgibt, einführt oder ausführt, muss im Rahmen seiner Tätigkeit dafür sorgen, dass die Waren den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. Er muss sie entsprechend der «Guten Herstellungspraxis» untersuchen oder untersuchen lassen. Die amtliche Kontrolle entbindet ihn nicht von der Pflicht zur Selbstkontrolle.»

Konkret heisst das: Jeder Lebensmittelkonzern beauftragt ein eigenes Labor damit, die Qualität sicherzustellen – das von Coop zum Beispiel befindet sich in Pratteln bei Basel.

Sorgfalt bei der Lieferantenauswahl statt Kontrolle des Endprodukts

Wer sich ein gigantisches Labor mit lastwagenweiser Anlieferung von Esswaren vorstellt, liegt falsch: Gerade einmal 30 Mitarbeiter untersuchen rund 50 Proben am Tag. Das klingt wenig, bei über 1500 Verkaufsstellen schweizweit. Andreas Dörr, Leiter der Coop-Qualitätssicherung erklärt: «Wir können unmöglich jedes Produkt kontrollieren. Darum prüfen wir die Sicherheit nicht nur am Produkt selbst, sondern schon vorher bei der Lieferantenauswahl. Bevor wir mit einem Lieferanten zusammenarbeiten, braucht er ein von uns ausgestelltes Zertifikat, dass er die vorgeschriebenen Qualitätsstandards genau erfüllt.»

Die Lebensmittel, die trotzdem ins Labor kommen, stammen stichprobenmässig aus verschiedenen Läden. Die Auswahl ist nicht zufällig, sondern erfolgt gezielt anhand von risikoanalytischen Überlegungen. «Was wir machen, ist sozusagen Detektivarbeit», sagt Andreas Dörr. «Wir überlegen uns, wo Gefahren liegen könnten, und was für Gefahren das genau sein könnten, und suchen dann ganz gezielt nach diesen. Man findet nur das, wonach man auch sucht.»  Vor kurzem seien im Bio-Landbau plötzlich Spuren eines bislang wenig bekannten Reinigungsmittels aufgetaucht. Daraufhin habe man die Arbeitsprozesse bei den Lieferanten genauer unter die Lupe genommen und sei nun daran, bei einigen von ihnen gezielt nach Spuren dieses Reinigungsmittels im Endprodukt zu suchen. Falls man fündig würde, müsste der Lieferant seine Produktionsweise ändern, was durch weitere Kontrollen überprüft würde.

Zahlreiche Untersuchungen sind möglich

Ein gut zu kontrollierendes Risikoprodukt sind zum Beispiel Feigen aus der Türkei. Ein ganzer Sack davon liegt im Labor und soll auf sogenannte Aflatoxine untersucht werden. Dabei handelt es sich um Schimmelpilzspuren, die für den Menschen in höheren Dosen giftig sind und auf Mängel in der Lebensmittelverarbeitung hindeuten. «Bei Ländern ausserhalb der EU ist es nicht immer einfach, die Glaubwürdigkeit ihrer Zertifikate einzuschätzen. Darum machen wir in solchen Fällen häufigere Kontrollen», sagt Dörr.

Am häufigsten aufgespürt werden Rückstände von Pflanzenschutz- und Düngemitteln, schädliche Zusatzstoffe oder Weichmacher im Verpackungsmaterial. Am Tag unseres Besuches sucht man im Labor gerade nach Pestiziden im Wein. Andernorts träufelt eine Laborantin zum Nachweis von Bakterien ausgepressten Salatsaft auf spezielle Nährböden. Wieder ein anderer Raum ist der Genanalytik gewidmet, wo Soja, Mais oder anderes Getreide auf in der Schweiz nicht zugelassene gentechnologische Manipulationen kontrolliert werden. Ebenfalls kann hier die Genanalyse nachweisen, ob ein Stück Hirschfleisch auch wirklich ein Hirsch war und nicht ein Reh oder komplett anderes Tier.

Ungefährliche Täuschungen am häufigsten

Trotz der ganzen Palette möglicher Untersuchungen meint Andreas Dörr: «Unsere Arbeit im Qualitätsmanagement haben wir dann gut gemacht, wenn wir im Labor nichts finden.»  Und das sei denn auch meistens der Fall. Die häufigsten Funde, die im Labor gemäss seinen Angaben gemacht werden, sind für den Konsumenten zwar ärgerlich, aber vollkommen ungefährlich: Es handelt sich dabei lediglich um Täuschungsversuche, wie Fehlangaben beim Abtropfgewicht oder Steine in Morchelpackungen, um das Gewicht zu erhöhen.

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