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Chronische Borreliose seltener als angenommen
Aus Puls vom 23.04.2018.
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Unbeschwert in die Natur Entwarnung an der Zecken-Front

Chronische Leiden wegen nicht erkannter Borreliose? Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie winkt ab.

Zwei Krankheiten können in der Schweiz durch Zeckenstiche übertragen werden:

  • Die Hirnhautentzündung FSME, gegen die es eine Impfung gibt.
  • Die Borreliose, die sich mit Antibiotika behandeln lässt.

Die Borreliose ist gefürchtet, weil sie mit schweren Symptomen auch erst Monate später ausbrechen kann. Schlimmer noch: Nicht erkannt oder unzureichend behandelt, soll die bakterielle Infektion schlimme Langzeitfolgen haben, die sich kaum mehr behandeln lassen.

Was tun bei einem Zeckenstich?

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  • Zecke so bald wie möglich entfernen. Körper möglichst nicht quetschen. Keine Sorge, wenn der Stechapparat in der Haut zurückbleibt: Dies hat keinen Einfluss auf die Übertragung von Borrelien.
  • Den Körper (bei Kindern vor allem auch den Kopf) nach weiteren Zecken absuchen
  • Die Haut in der Umgebung der Einstichstelle sechs Wochen lang beobachten. Tritt eine neue Rötung auf oder vergrössert sich die durch den Stich bestehende Rötung, kann das eine Frühform der Wanderröte (Erythema migrans) sein. Unbedingt den Arzt aufsuchen. Bei einer typischen Wanderröte wird sofort eine Antibiotikabehandlung vorgenommen.
  • Auch ohne Wanderröte kann es zu grippeartigem Krankheitsgefühl ohne Beschwerden in den Atemwegen kommen. Der Arzt entscheidet, ob ein Blutuntersuch auf Borrelienantikörper Sinn macht.

Eine Untersuchung der entfernten Zecke bringt nichts, da auch bei einem positiven Ergebnis nicht sicher ist, ob die Bakterien überhaupt in die Haut übertragen wurden – und ob eine Übertragung zu einer Erkrankung führt. Nur ein kleiner Teil der mit Borrelien infizierten Menschen erkranken an Borreliose, was gegen die vorbeugende Einnahme von Antibiotika spricht.

Quelle: DGN-Leitlinie Neuroborreliose, Anhang 6

Kein Beleg für schleichenden Verlauf

Ob es diesen schleichenden Langzeitverlauf tatsächlich gibt, ist schon länger umstritten. Nun bezieht die Deutsche Gesellschaft für Neurologie in ihrer eben veröffentlichten S3-Leitlinie Neuroborreliose klar Stellung:

«Aktuelle systematische Reviews haben keine wissenschaftliche Grundlage für die Annahme einer persistierenden latenten Infektion durch Borrelia burgdorferi (…) gefunden», heisst es da. Und: «Ebenfalls haben sich keine Anhaltspunkte für chronische, durch Zeckenstiche übertragene Co-Infektionen bei Patienten mit unspezifischen Symptomen ergeben.»

Sprich: Wer von unspezifischen Symptomen wie dauernder Erschöpfung, Schmerzen in Muskeln und Gelenken, Wahrnehmungsstörungen und Depressionen geplagt wird, bildet sich das nicht ein. Es gibt aber keinen Beleg dafür, dass solche Beschwerden auf unbemerkte Zeckenstiche zurückzuführen sind.

Und es gibt keine Grundlage dafür, ohne eine gesicherte Borreliose-Diagnose Antibiotika einzusetzen.

Unnötige Antibiotikatherapien

Dies deckt sich mit der Erfahrung von Hausarzt Felix Huber. In seiner Praxis sieht er immer wieder Patienten, die über Langzeitbeschwerden durch Zecken klagen.

Bei vielen sei die Diagnose aber falsch oder vorschnell gestellt worden. Nur bei wenigen liege wirklich eine Neuroborreliose vor. «Da werden immer noch unsinnig lange Therapien gemacht und unnötig Antibiotika eingesetzt.»

Vom Glauben an die Erkrankung lassen sich Betroffene allerdings oft nur schwer abbringen. Daran ändert auch die Tatsache wenig, dass das Risiko einer Borreliose-Infektion weit weniger hoch ist, als viele denken.

«Rund 20 bis 30 Prozent der Zecken tragen Borrelien-Bakterien in sich», erklärt Zecken-Spezialist Werner Tischhauser von der ZHAW Wädenswil. «Bei zehn Prozent kommt es zu einer Übertragung, wobei es auch eine gewisse Zeit braucht, bis sich die Bakterien im Organismus einnisten.»

Am Ende sind es zwei bis drei von 100 Zeckenstichen, die tatsächlich zu einer Borreliose führen. Und die lässt sich im Frühstadium mit den richtigen Antibiotika vollständig und ohne Spätfolgen heilen.

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