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Schlafmangel – ein unterschätztes Gesundheitsrisiko?
Aus Kontext vom 12.03.2014. Bild: Colourbox
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Schlafmangel Wie gefährlich ist Schlafmangel wirklich?

Zu spät ins Bett oder zu früh aus den Federn: Wer chronisch zu wenig oder schlecht schläft, gefährdet ernsthaft seine Gesundheit – warnen Schlafforscher. Es sei sogar das am weitesten verbreitete Hochrisiko-Verhalten unserer Tage. Stichhaltige Beweise für diese These fehlen allerdings noch.

Es ist paradox. Einerseits beklagen sich viele über Müdigkeit, über Erschöpfung, über chronischen Schlafmangel. Andererseits gilt es nach wie vor als Auszeichnung, mit wenig Schlaf auszukommen. Denn wer nicht schläft, hat mehr Zeit für anderes.

Mit Vorliebe Manager und Politiker geben geradezu damit an, wie wenig Schlaf sie angeblich brauchen – oft nur vier oder fünf Stunden. Dabei gehen Schlafforscher davon aus, dass der Mensch im Durchschnitt mindestens sieben Stunden Schlaf braucht – auch wenn es grosse Variationen im Schlafbedürfnis gebe.

Wie mit einem Promille Alkohol im Blut

Klar ist: Bereits nach wenigen Nächten mit wenig Schlaf zeigen sich massive Verhaltens-Veränderungen, zum Beispiel in der Reaktionsfähigkeit. Versuchspersonen reagieren in Computer-Tests nach einer Woche mit nur rund sechs Stunden Schlaf pro Nacht so langsam oder ungenau, wie Menschen mit einem Promille Alkohol im Blut. Sie sollten also zum Beispiel nicht mehr Autofahren, sagt der Schlafforscher Christian Cajochen von der Universität Basel.

Doch das ist bei weitem nicht alles. Schlafmangel wirkt sich bereits nach kurzer Zeit auf gewisse Gene aus, die für das Immunsystem und Entzündungsprozesse eine wichtige Rolle spielen. Im Schlaf werden im Gehirn auch giftige Eiweisse beseitigt. Zudem scheint das Gehirn fundamental auf genügend Schlaf angewiesen zu sein, um Inhalte vom Kurzzeitgedächtnis ins Langzeitgedächtnis zu überführen.

Chronischer Schlafmangel

All diese Effekte von Schlafmangel lassen sich allerdings mit einigen Nächten zusätzlichem Schlaf wieder kompensieren. Weit schwieriger zu erforschen als solch kurzfristiger Schlafmangel ist dauerhafter Schlafmangel, weil man hier keine Experimente machen kann, sondern angewiesen ist auf die häufig sehr ungenauen Angaben über ein durchschnittliches Schlafverhalten von Menschen, das dann mit deren Krankengeschichte verglichen wird.

Kann Schlafmangel tödlich sein?

Auf solchen Untersuchungen basierend, zeigt eine ganze Beige von Studien: Herzkreislauferkrankungen, Bluthochdruck, Diabetes, Atemerkrankungen, Depressionen, Übergewicht und gar frühzeitiger Tod – all das hängt möglicherweise mit Schlafmangel zusammen.

Doch diese Studien sagen nur etwas über den Zusammenhang von Schlafdauer und Krankheit oder verfrühtem Tod aus, aber nichts darüber, ob der Schlafmangel auch die Ursache der Krankheiten ist. Denn einerseits kann es sein, dass es umgekehrt ist, dass eine Krankheit dazu führt, dass die leidenden Menschen weniger schlafen können als ihre gesunden Mitmenschen. Andererseits können auch gemeinsame Ursachen, wie zum Beispiel Übergewicht, schuld sein an sowohl Schlafmangel wie auch Krankheit.

Beweis noch nicht erbracht

Der schottische Schlafforscher Jim Horne glaubt denn auch gar nicht, dass Schlafmangel so schädlich sei. Wäre Schlafmangel die Ursache all der behaupteten Übel, dann müsste eine langfristig erhöhte Schlafdauer – wie ein Medikament – gegen Krankheit und Tod helfen. Das stichhaltig nachzuweisen, sei der Wissenschaft bisher aber nicht gelungen.

Die Datenlagen ist also bei den gesundheitlichen Folgen von chronischem Schlafmangel weit weniger eindeutig als bei den Folgen von kurzeitigem Schlafmangel. Doch die Indizien reichen, damit Christian Cajochen sagt: «Chronisch zu wenig schlafen ist ein Hochrisikoverhalten. Wer nur wenige Stunden pro Nacht schläft, ist sich nicht bewusst, was er sich da antut.»

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