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Ludwig Binswanger – Ein Leben für die Patienten

Vor 50 Jahren starb Ludwig Binswanger, ein bedeutender Schweizer Psychiater. Dass sein Name heute weniger bekannt ist als die Namen seiner Freunde, Zeit- und Berufsgenossen Freud, Jung und Bleuler, hängt vielleicht damit zusammen, dass seine Psychoanalyse sehr nah am Menschen war.

«Zuerst kommen die Kranken, dann kommt die Familie», soll schon Ludwig Binswangers Grossvater gesagt haben – eine Einstellung, die zur Binswangerschen Familientradition gehört.

Audio
Radio SRF1, 6.2.2016: Binswanger
04:57 min
abspielen. Laufzeit 4 Minuten 57 Sekunden.

Ludwig Binswangers Grossvater gründete 1857 das Sanatorium Bellevue in Kreuzlingen und nannte es «Privatanstalt für heilfähige Kranke und Pfleglinge aus den besseren Ständen der Schweiz und des Auslandes». Diese psychiatrische Anlage sollte die Familie Binswanger prägen und auch der Grund werden, warum die Familie zu einer Psychiater-Dynastie wurde.

Psychiatrie als Familienbetrieb

«Man kann das Sanatorium Bellevue durchaus mit einem Familienbetrieb vergleichen, zum Beispiel mit einem Bauernhof, der von Generation zu Generation übergeht», sagt Markus Binswanger heute. Er ist der Enkel von Ludwig Binswanger und – natürlich – Psychiater.

Markus Binswanger selber ist im Bellevue aufgewachsen und erinnert sich noch lebhaft an diese Zeit: «Den Tisch teilten wir mit Angestellten, Ärzten, Pflegenden und Patienten. Alle lebten auf der grossen Anlage, wir musizierten zusammen, spielten zusammen Tennis. Für mich als Kind war es unbedeutend, ob jemand Angestellter oder Patient war.»

Integriert in den Alltag

Genau so wollte es sein Grossvater: Die seelisch kranken Patienten sollten integriert werden in den Alltag, man begegnete einander auf Augenhöhe, alle wurden gleich behandelt. Man liess den Patienten grosse Freiheiten und brachte grossen Respekt für die Individualität der Kranken auf. Aus dieser Idee entstand die sogenannte Daseinsanalyse, als deren Begründer Ludwig Binswanger gilt.

Ludwig Binswanger war sehr gut vernetzt. Carl Gustav Jung war Binswangers Doktorvater, mit Sigmund Freud, der vom Alter her Binswangers Vater hätte sein können, pflege er eine tiefe Freundschaft. «Dies ist insofern erstaunlich, als man Sigmund Freud nachsagt, dass er entweder Beziehungen zu Leuten pflegte, die seine Schule vertraten, oder er den Kontakt abbrach», erklärt Binswangers Enkel, Markus Binswanger. Und Binswangers Daseinsanalyse ist zwar verwandt mit der Freudschen Psychoanalyse, aber eben nicht ganz identisch.

Ludwig Binswanger starb am 5. Februar 1966 in Kreuzlingen.

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