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Resistente Bakterien – Wie gefährlich sind die Ferien-Souvenirs?
Aus Puls vom 22.08.2016.
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Wie gefährlich sind die resistenten Ferien-Mitbringsel?

Bakterien, die gegen mehrere Antibiotika unempfindlich sind: Besonders oft fängt man sich solche multiresistente «Superbugs» in Spitälern ein. Sie können aber auch unbemerkt von Auslandreisen mit nach Hause gebracht werden – ohne Spitalbesuch im Ferienland.

Mit der Entdeckung des Penicillins im Jahre 1928 durch Alexander Fleming erhielt die Medizin erstmals ein wirksames Mittel gegen Infektionskrankheiten. Heute sieht die Situation leider wieder anders aus: Bakterien, die seit Millionen Jahren die Erde besiedeln, haben bereits gelernt, sich gegen eine Vielzahl gebräuchlicher Antibiotika zu verteidigen und haben einen Teil ihrer DNA so verändert, dass sie dagegen immun sind.

Beschleunigt wird die Ausbreitung dieser Resistenzen hauptsächlich durch die exzessive Verabreichung von Antibiotika an Mensch und Tier. Und durch eine falsche oder zu kurze Anwendung der Medikamente. Bakterien, die den Antibiotika-Einsatz überleben, mutieren und geben die schützende Information weiter.

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Antibiotika-resistente Keime als Souvenir
aus Wissenschaftsmagazin vom 28.02.2015. Bild: Keystone
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Diesen Resistenzmechanismus kann man sich wie einen LEGO-Baustein vorstellen, der an andere Bakterien andocken kann. Kommen viele solche Bausteine zusammen, spricht man von einer Multiresistenz.

Laut Schätzungen von Patientenorganisationen kommt es hierzulande jährlich zu rund 70'000 Spitalinfekten, von denen gut 2000 tödlich enden. Was weniger bekannt ist: Gewisse Bakterien, die gegen Antibiotika multiresistent sind, können auch unbemerkt von Auslandreisen mit Heim gebracht werden – auch ohne Spitalbesuch im Ferienland.

Unliebsame Ferien-Mitbringsel

Mehrere Studien des Schweizerischen Tropen- und Public Health-Instituts und des Instituts für Infektionskrankheiten an der Universität Bern haben gezeigt, dass über 80 Prozent der Indienreisenden nach ihrer Rückkehr mit Darmbakterien besiedelt sind, die gegen mehrere Antibiotika resistent sind. Es handelt sich dabei vor allem um Stämme der Bakterien Escherichia coli.

Ein Teil der Studienteilnehmer hatte während der Indien-Reise Durchfall, schlimm erkrankte aber niemand. Und auch Touristen, die keinen Durchfall hatten, waren nach der Reise mit den Darmbakterien besiedelt, ohne überhaupt Symptome gehabt zu haben.

Bakterien verschwinden mit der Zeit

Experten gehen davon aus, dass die Träger die Darmbakterien über Monate bis zu einem Jahr wieder «verlieren», jedenfalls waren beim Grossteil der Indien-Reisenden die Bakterien nach einem Jahr in den Stuhlproben nicht mehr nachweisbar. Eine Übertragung der multiresistenten Keime auf andere Menschen im Umfeld ist bei guter Hygiene eher unwahrscheinlich.

Für die besiedelten Indien-Reisenden bestünde dann eine Gefahr, wenn die multiresistenten Keime aus dem Darm an andere Orte – wie zum Beispiel die Blase – verteilt würden. Ein Harnwegsinfekt könnte in so einem Fall Probleme bereiten, da zur Behandlung die gängigen Antibiotika nicht mehr in Frage kämen.

Boil it, cook it...

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Wer sich an die gängigen Reisetipps gegen Reisedurchfall hält, minimiert auch das Risiko, resistente Keime aufzulesen. Wasser also immer abkochen oder nur abgefülltes Mineralwasser trinken und sich beim Essen an die alte englische Regel «Boil it, cook it, peel it or forget it» halten: «Koch es, brat es, schäl es oder vergiss es!»

Gefährlich könnte es aber auch dann werden, wenn aufgrund einer Erkrankung eine Antibiotikatherapie angezeigt wäre und sich die resistenten Keime schlagartig vermehren und ausbreiten könnten. Im Spital könnte ein solcher Patient plötzlich auch zur Keimschleuder solcher multiresistenter Bakterien werden.

Spitäler sind deshalb besonders vorsichtig, wenn Patientin ins Spital kommen, die kürzlich eine Indienreise gemacht haben – vor allem, wenn sie dort einen Spitalaufenthalt hatten.

Indien nicht das einzige Problemland

Die bisherigen Studien haben gezeigt, dass Indien stark mit multiresistenten Escherichia coli-Bakterien belastet ist. Verschiedene Faktoren dürften dazu beitragen: Eine hohe Bevölkerungsdichte, ein für Bakterien günstiges Klima, schlechte Hygienische Bedingungen – vor allem in Bezug auf die Abwasserproblematik – und die leichtfertige Antibiotika-Abgabe, teilweise ohne ärztliches Rezept.

Aber auch in anderen asiatischen Ländern, in Nordafrika und im Nahen Osten ist das Risiko, sich mit solchen Keimen zu kolonisieren, mit bis zu 50 Prozent sehr hoch. Gänzlich ausschliessen lässt sich eine Infektion auf Reisen aber auch bei konsequentem Einhalten der gängigen Hygieneregeln nie.

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