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Mensch Überschätzte Umweltsünden

Wer sich beim Energiesparen in einem Bereich vorbildlich verhält, sündigt dafür in einem anderen umso mehr. Doch dieser Dämpfer der Energieeffizienz ist weit weniger schlimm als bisher angenommen, haben Ökonomen berechnet.

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Mehr Verbrauch wegen sparsamer Geräte
aus Wissenschaftsmagazin vom 26.01.2013. Bild: Keystone / Alessandro Della Bella
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Herr Huber kauft sich ein neues Auto. Ein benzinsparendes Modell. Doch nun leistet sich Herr Huber die eine oder andere Extrafahrt. Und weil seine Benzinkosten gesunken sind, kauft er sich zusätzlich zum Auto gleich noch ein neues Telefon, eines, das mehr kann als das alte.

Wir kennen dieses Verhalten aus dem Alltag; Fachleute nennen es «Rebound-Effekt». Wird die Technologie energieeffizienter, führt das zu mehr Verbrauch. Ökonomen aus den USA haben nun berechnet, wie sich dieses Phänomen auswirkt.

Spareffekt schrumpft oft nur um 10 Prozent

In der neusten Ausgabe des Fachmagazins «Nature» halten sie fest: Weil die Menschen ihr Verhalten ändern, wird tatsächlich weniger Energie eingespart. Allerdings: Dieser Effekt ist eher gering. Er reduziert das an sich mögliche Sparpotenzial um allerhöchstens 60 Prozent, betonen die Wissenschaftler, in der Regel liegt der Verlust bei 10 bis 30 Prozent, oft sogar noch tiefer.

«Der Rebound-Effekt wird stark überschätzt», schlussfolgert Kenneth Gillingham, einer der Autoren, gegenüber SRF. Es sei keineswegs so, sagt der Ökonom der Universität Yale, dass Effizienzverbesserungen durch den damit verbundenen Mehrkonsum laufend wieder vernichtet werden. Doch warum  glauben das viele?

«Weil sie nicht sehen, dass der Mehrkonsum unterschiedliche Ursachen hat», erklärt der Umweltexperte Peter de Haan, der selber schon Untersuchungen zum Rebound-Effekt durchgeführt hat. «Auch unser zunehmender Wohlstand und das Wirtschaftswachstum führen zu Mehrkonsum, ganz unabhängig von der Energieeffizienz neuer Geräte und Maschinen.»

Verschiedene Ursachen

Die Ökonomen aus den USA haben diese unterschiedlichen Ursachen für den menschlichen Konsumhunger in ihren Berechnungen miteinbezogen. In bestehenden und eigenen Studien haben sie Daten aus Statistiken analysiert, Konsumentengruppen befragt und Modellrechnungen durchgeführt.

Dabei haben sie verschiedene Ausprägungen des Rebound-Effekts berücksichtigt:

  • direkter Effekt: Effiziente Stromsparlampen beispielsweise lässt man öfter unnötig brennen als die alten Glühbirnen, die mehr Strom verbrauchen.
  • indirekter Effekt: Weil der neue Kühlschrank weniger Energie benötigt, kauft man sich dafür noch ein Handy oder ein anderes Gerät.
  • makroökonomischer Effekt: Verschärft ein Land seine Vorschriften etwa für Benzin, sinkt dort die Nachfrage, doch global wird das Benzin billiger – was mancherorts wiederum den Autoverkehr fördert.
  • makroökonomischer Effekt: Entwickelt die Forschung zum Beispiel ein leichteres Material für sparsame Autos, ist das auch für Flugzeugbauer interessant und kann zu mehr Flugverkehr führen.

Energieeffizienz lohnt in jedem Fall

Am wichtigsten seien der direkte und indirekte Rebound-Effekt, so die Forscher; eher nebensächlich seien die beiden makroökonomischen Effekte. Gut abschätzen lässt sich aber vor allem der direkte Rebound-Effekt; bei den anderen Varianten liegen oft zu wenige gesicherte Daten vor.

Dennoch: Die neue Gesamtanalyse stecke die ungefähre Bandbreite des Rebound-Effekts plausibel ab, findet Renate Schubert, die an der ETH Zürich das Institut für Umweltentscheidungen leitet. Heute könne man davon ausgehen, dass die  menschlichen Effizienzsünden sicher nicht mehr als rund die Hälfte der möglichen Einsparungen wegfressen. «Der Rebound-Effekt ist also keine Entschuldigung, in Sachen Energieeffizienz nichts zu tun», so die Ökonomin. 

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