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Das Faultier – ein Energiesparer
Aus 100 Sekunden Wissen vom 30.12.2021. Bild: SRF / Sebastien Thibault
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Energiebewusst und sparsam Darum sind Faultiere nicht wirklich faul

Das Faultier hat seit seiner Entdeckung durch die Europäer einen trägen Ruf. Zu Unrecht: Es lebt energiebewusst und ist sogar musikalisch.

Südamerika vor 500 Jahren. Europäische Invasoren entdecken den Kontinent. Die vielfältige Flora und Fauna überwältigt – nicht nur visuell. Irgendwo im dichten Regenwald befindet sich ein Tier, das so fein und wunderschön singt, dass für die Europäer klar ist: Dieses Tier hat die Musik erfunden, denn es kennt die Tonleiter.

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Der Paarungsruf eines weiblichen Faultiers
aus 100 Sekunden Wissen vom 30.12.2021. Bild: Unsplash / Ignacio Hernandez
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Der musikalische Enthusiasmus hielt nicht lange an. Als die Europäer das mysteriöse Tier später zu Gesicht bekamen, war sein Ruf sogleich wieder weg. Das hängende, langsame Tier wurde vom wundervoll singenden Wesen zum Faultier ernannt – und fortan auch verurteilt, denn die Faulheit gehört zu den sieben christlichen Todsünden.

Sparsamkeit auf höchstem Niveau

Faul sind Faultiere jedoch keineswegs, viel eher ausserordentlich energiebewusst. Denn die schwer verdauliche Blätterkost, die sich die Tiere täglich ins Maul schieben, hat sie im Verlauf der Evolution aufs Energiesparen spezialisiert. Anstrengung reduzieren sie auf ein Minimum: wenig Bewegung, viel Schlaf – bis zu 20 Stunden am Tag – und lockeres Rumhängen in den Baumwipfeln, das sie dank ihrer hakenförmigen Krallen ohne Einsatz von Muskelkraft zustande bringen.

Ein Faultier kriecht auf einem steinigen Untergrund. Auf dem Rücken trägt es ein Junges.
Legende: Faultiere sind nur selten am Boden anzutreffen. Meist verlassen sie die Baumwipfel, um ihr Geschäft zu erledigen. Unsplash / Roger Burkhard

Sechs verschiedene Arten von Faultieren gibt es. 30 bis 40 Meter über dem Boden hängen sie in der Horizontale, mit dem Rücken nach unten. Deswegen tragen sie schwerkraftbedingt den Mittelscheitel nicht auf dem Kopf, sondern am Bauch.

Über Nacht runterfahren

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Um Energie zu sparen, läuft der Stoffwechsel der Faultiere auf Sparflamme. In der Nacht sinkt die Körpertemperatur von 33 auf 24 Grad. Da kann einfach nichts schnell gehen.

Bei der Hygiene setzen Faultiere ausschliesslich auf die Regendusche und der Gang zur Toilette läuft ebenfalls sparsam ab. Nur alle sieben bis zehn Tage steigt das Tier bedächtig vom Baum, um sich am Boden zu erleichtern. Bis zu einem Drittel seines Körpergewichts lässt es dort zurück, bevor es sich ebenso langsam wieder auf den Weg in die Bäume macht.

In Legenden und Erzählungen der indigenen Völker Südamerikas ist das Tier auch keineswegs ein Faules. Vielmehr stellt es als Gestalt den Übergang zwischen Natur und Kultur dar. Eltern in traditionellen Gesellschaften preisen es ihren Kindern zudem als Vorbild für Kontinenz, Selbstdisziplin und Genügsamkeit.

In steter Begleitung

Faultiere sind niemals alleine. In ihrem dichten Fell ist eine ganze Wohngemeinschaft unterschiedlicher Tiere und Pflanzen zu Hause. Mit einigen Grünalgen-, Motten- und Raupenarten pflegen sie eine exklusive symbiotische Beziehung. So ist jedes Faultier auch ein äusserst lebendiger Planet.

100 Sekunden Wissen, 30.12.2021, 06:54 Uhr;

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