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Technik Der geplatzte Traum vom Null-Emissions-Auto

Heisse Luft: Sie sollte ursprünglich nur aus dem Auspuff des Airpod kommen – dem ersten in der Schweiz produzierten Auto, das mit Druckluft fährt. Noch vor zwei Jahren waren die Erwartungen an den Null-Emissions-Knirps hoch. Nun ist das Projekt begraben.

Der Prototyp des Airpod lässt sich mit einem Joystick bedienen, hat drei Räder und bietet Platz für drei bis vier Personen. Doch das Beste an dem futuristischen Gefährt ist, dass aus dem Auspuff reine Luft strömt – und getankt wird ebenfalls Luft. Die Technologie der französisch-luxemburgischen Vater-Sohn-Firma Motor Development International (MDI) klang soweit vielversprechend.

Auch die Schweizer Firma Catecar SA sah im Airpod eine grosse Chance für den motorisierten Individualverkehr. Sie kaufte 2008 die Exklusivlizenz, um den Null-Emissions-Knirps in der Schweiz und Liechtenstein herzustellen und wollte ein Jahr später das erste in der Schweiz hergestellte Luftdruck-Auto auf den Markt bringen.

Henri-Philippe Sambuc, CEO von Catecar SA, hatte ambitionierte Ziele: Rund 40‘000 Druckluft-Flitzer wollte er in fünf Jahren vom Stapel lassen. Dafür sollte eine Produktionshalle der Konkurs gegangenen Firma Swissmetal im kleinen Dorf Reconvilier im Berner Jura zur Produktionsstätte des Airpod umfunktioniert werden. Dabei wären 120 neue Arbeitsstellen entstanden. 200 Catecar-Werkstätten und ebenso viele Druckluft-Tankstellen waren von der Firma MDI nach eigenen Angaben geplant. Nichts davon wurde realisiert.

Eine Frage der Finanzierung

«Nach einer zweijährigen Verspätung war MDI immer noch nicht fähig, eine brauchbare Technologie an die Catecar SA zu übermitteln», sagt Sambuc auf Anfrage. «Wir sahen uns gezwungen, die Cooperation mit MDI zu stoppen, obwohl von unserer Seite alles bereit war: die Fabrik, das Team und das nötige Kapital». Michel Lantin, Sprecher von MDI, sieht seine Firma dagegen in der Opferrolle: Catecar SA hätte nicht genügend Kapital nachweisen können, um die Technologie zu bezahlen – und nicht nur Sambucs Firma.

Laut eigenen Angaben unterzeichnete die MDI Verträge mit Firmen in über zehn Ländern und behauptet, dass keine davon den vereinbarten Geldbetrag für die Technologie bezahlt habe. MDI sah sich daraufhin nicht verpflichtet, die Technologie zu übermitteln. «Das Geld wird dringend für die Weiterentwicklung unserer Technologie benötigt», sagt Lantin. «Der französische Staat tut alles dafür, die Firma MDI zu eliminieren, da sie der Elektromobil-Industrie schadet». Lantin gibt sich sicher: Wenn alle Kunden gezahlt hätten, wären die Autos von MDI bereits auf den Strassen.

MDI: ein Mysterium

Skeptisch äussert sich dagegen Alfred Rufer, Leiter der Abteilung für industrielle Elektronik der ETH Lausanne, der bei der Entwicklung einer Ladestation für den Airpod beteiligt war: «Das Management von Guy und Cyril Nègre, den Leitern von MDI, entspricht nicht den üblichen Methoden. Er lässt keine unabhängigen Institutionen den Airpod testen und seine Leistungen sind wissenschaftlich nicht bewiesen», so der Fachmann. 2002 war Nègre laut Presseberichten sogar für den Eurosolar-Preis für alternative Verkehrssysteme nominiert. Die Nominierung wurde aber zurückgezogen, nachdem Informationen zu Fahrleistung und Betriebserfahrung des Airpod fehlten.

Experten bezweifeln deshalb die Richtigkeit der publizierten Informationen von MDI. Lino Guzzella, Motorenbauer an der ETH Zürich, äusserte sich bereits im Februar 2010 gegenüber «20 Minuten» kritisch zum Airpod: Er sei überzeugt, dass das Gefährt mit einem vollen Tank Druckluft bei 300 Bar nicht wie von MDI behauptet 200 Kilometer, sondern höchstens 40 Kilometer weit fahren könne.

Abgesehen von der kritisierten Geschäftsführung von Guy und Cyril Nègre: «Die Idee eines luftbetriebenen Kleinwagens hat in der heutigen Zeit durchaus Potenzial und die Technologie von Nègre verdient Respekt», sagt Experte Rufer von der ETH Lausanne. Mit einer Höchstgeschwindigkeit von 70 Kilometer pro Stunde und einer stark eingeschränkten Reichweite eigne sich der Airpod jedoch noch nicht für weite Reisen. In Zukunft könnten derartige Fahrzeuge aber durchaus eine Option im Stadtverkehr sein.

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