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Technik Die Stadt als Rohstoffmine – ein gutes Geschäft

Abrissgebäude oder Abfallprodukte sind die Goldminen der Zukunft. Sie versprechen ein Geschäft, mit dem der unstillbare Hunger nach Rohstoffen auch längerfristig einigermassen befriedigt werden kann. Der Kanton Zürich hat sich Urban Mining auf die Fahne geschrieben.

In und um Städte wie Zürich oder Genf herrscht Wohnungsnot. Neue Bauten spriessen deshalb wie Pilze aus dem Boden, Altes muss weichen. Tonnen von Abbruchmaterial entstehen, Eisen, Holz, Plastik und sehr viel Beton, Backstein und Mörtel. Mit langen Transportwegen wurde vieles früher auf Deponien entsorgt und das noch gegen Gebühren. Doch Hausabbruch wird heute Hausrückbau genannt und ist zum lukrativen Geschäft geworden.

Recyclingpapst Franz Adam
Legende: Recyclingpapst Franz Adam: Ihm ist es mitzuverdanken, dass aus gemeinem Hauskehricht heute eine Goldmine geworden ist. SRF

Aus Holz wird Energie, Eisen kommt zum Alteisenhändler und aus all den Resten von Beton und Mauern entsteht wieder Beton. Dieser Recycling-Beton lässt sich ausser für exponierte Konstruktionen wie Brückenpfeiler oder Hochhausfassaden überall verwenden, die Qualität entspricht Primärbeton mit derselben Norm.

Federführend in Sachen Recycling in der Schweiz ist der Kanton Zürich. Zu verdanken ist dies einem Mann: dem Leiter der Abfallwirtschaft bei der Baudirektion des Kantons Zürich, Franz Adam. Er hat erkannt, dass Stadt und Agglomeration einen immensen Fundus an ungenutzten Rohstoffen besitzen. Angesichts der riesigen heutigen Abfallberge hat er sich Urban Mining – das Rohstoffschürfen in der Stadt – auf die Fahne geschrieben.

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Rohstoffe aus der Stadt: «Einstein» am 11. April, 21 Uhr auf SRF 1

Jede Sekunde fallen in der Schweiz etwa 200 Kilogramm Abfall an. 2010 waren es pro Person 706 Kilogramm sogenannter Siedlungsabfall. 50 Prozent der Abfälle wurden getrennt gesammelt und separat verwertet – Glas, Metall oder Elektrogeräte. Das grösste Anliegen von Franz Adam: Noch mehr getrennt sammeln, um unsere Rohstoffe effizienter rezyklieren zu können als das in der Kehrichtverbrennungsanlage möglich ist. Dem innovativen Herrn von der Baudirektion ist es mit zu verdanken, dass gemeiner Hauskehricht heute dennoch eine Goldmine ist. 

Goldgrube Kehrichtverbrennung

So kommt es, dass in der Kehrichtverwertung Hinwil im Zürcher Oberland neuerdings grosse Mengen Kupfer abgebaut werden und Gold geschürft wird. Dafür wird eine neue Technologie angewendet, das sogenannte Thermo-Re: Der Müll wird verbrannt und die entstehende Schlacke trocken weiterverarbeitet. Aus dieser Schlacke lassen sich noch feinste Metalle herausfiltern. Der Kupfergehalt der Trockenschlacke ist so hoch wie der im Erz einer guten Kupfermine; das ist äusserst lohnenswert.

In der Kehrichtverwertung fallen zurzeit gegen 50 Tonnen dieser wertvollen Metalle pro Jahr an – Kupfer, Zinn, Zink, Palladium, Blei, Silber und Gold. Verkauft wird die Tonne zu einem Preis zwischen 12‘000 und 15'000 Franken.  Mit einer neuen, grösseren Anlage sollen schon ab nächstem Jahr noch weit grössere Mengen an Edelmetallen aus der Trockenschlacke gewonnen werden.

Edelmetalle, die in der Kehrichtverwertung Hinwil aus Hausmüll wiedergewonnen wurden.
Legende: Edelmetalle aus dem Hauskehricht: Etwa 50 Tonnen edler Metalle werden in der Kehrichtverwertung Hinwil pro Jahr aus unserem Hausmüll rückgewonnen. SRF

Auch ökologisch ist das sinnvoll. Es muss weit weniger Schlacke auf Deponien entsorgt werden, zudem werden die endlichen Rohstoffe geschont und der oft umweltbelastende Abbau kann reduziert werden. Das Verfahren ist derart zukunftsweisend, dass sich Delegationen aus aller Welt in Hinwil die Klinke in die Hand geben. Halb Europa interessiert sich für das Verfahren. Zu Besuch waren aber auch schon Interessenten aus den USA, Kanada, Brasilien, Südafrika, China und Japan.

Klärschlamm als Dünger der Zukunft

Auch Klärschlamm gehört zu den versteckten Rohstofflagern, die Recyclingpapst Franz Adam nutzen will. Derzeit arbeitet er an der Rückgewinnung von Phosphor. Ein Stoff, der für uns überlebenswichtig ist, man braucht ihn zum Düngen. Doch Prognosen gehen davon aus, dass schon in einigen hundert Jahren die Phosphorreserven weltweit abgebaut sein könnten. Gleichzeitig fallen allein in der Schweiz mehrere Millionen Tonnen Klärschlamm an, der so viel Phosphor enthält, wie jährlich für die Düngung in die Schweiz importiert wird.

Die erste Hürde hat Franz Adam bereits genommen: Die Bevölkerung des Kantons Zürich hat mit einem überwältigenden Mehr von fast 95 Prozent im März Ja gesagt zu einer riesigen Klärschlammverwertungsanlage. Hier soll schon bald aus Klärschlamm Klärasche werden. Franz Adam aber ist schon wieder am Kämpfen: Für eine Anlage, in der aus der Klärschlammasche Phosphor gewonnen werden kann. 

Die Klärschlammasche wird dafür mit verdünnter Schwefelsäure extrahiert und so ein grosser Teil des Phosphors gelöst. Nachdem die Schwermetalle abgetrennt worden sind, bleibt ein weisses, pulverförmiges und phosphorreiches Konzentrat zurück. Leachphos heisst das Verfahren, das vor kurzem in der Kehrichtverwertungsanlage in Bern getestet wurde. Aus einer Tonne Klärschlammasche können so zwischen 50 und 70 Kilogramm Phosphor zurückgewonnen werden. Nun stehen Feldversuche mit dem Leachphosdünger an. Erste Resultate liegen voraussichtlich bis Ende 2013 vor.

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