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Zu Besuch bei Stephan Schmidlin, Traktoren-Kenner
Aus Einstein vom 08.10.2013.
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Technik «Ein schönes Stück Stahl»

Stephan Schmidlin macht als Tester und Journalist, was andere schon als Bub toll fanden: Traktoren fahren! Was ihn als Profi an den kraftvollen Fahrzeugen fasziniert, verrät er bei einem Hofbesuch.

Touchscreen-Monitor für etliche Einstellungen an der Maschine, Joystick zum Steuern, stufenloses Getriebe, Klima-Automatik und ein «Wohnzimmer-Sessel», wie Stephan Schmidlin den Fahrersitz nennt. Ja, ein Traktor kann schon klasse sein. Auch nach 15 Jahren als Journalist und Tester kann sich der 42-jährige Bauer noch für Landmaschinen begeistern.

Begonnen hat Schmidlins zweiter Broterwerb mit seiner Leidenschaft für die starken Traktoren und den ersten Artikeln, die er als Freelancer für einen Kollegen bei einer landwirtschaftlichen Zeitung schrieb. 1999 kam das Angebot, Redaktor für Landtechnik bei der Zeitschrift «Die Grüne» zu werden. 2003 wechselte er zum «Schweizer Bauer», und so wurde er Jahr um Jahr «zum Spezialisten gemacht», wie Schmidlin das sagt.

Hunderte PS unter der Haube

Wie viele Traktoren er schon gefahren hat? Er weiss es nicht genau. Hunderte, in allen Varianten – vom kleinen «Normalen», mit dem er auf dem eigenen Hof schafft, bis zum Highend-Traktor mit 405 PS. Ein 13-Tonnen-Kraftprotz mit eleganter Formgebung: «Wespentaille» nennt Schmidlin liebevoll die Frontpartie, die nach vorne hin schmaler wird, damit die Räder möglichst viel Freiraum zum Einschlagen haben.

Den Hochleistungstraktor hat er zum Vorzeigen extra für das »Einstein«-Team vom Händler auf seinen Hof in Wahlen, Baselland, geholt. «Um Euch mal ein schönes Stück Stahl zu zeigen», sagt er, denn von diesem Typus fahren in der Schweiz nicht viele: «Das sind ganz dünn gesäte Exemplare. Die sind natürlich für den Betrieb in zwei Schichten gebaut.» Und damit eher für den Dauereinsatz in der landwirtschaftlichen Grossindustrie als für die Schweiz mit ihren vielen Kleinbetrieben.

Neue Modelle auf den Prüfstand

Sein Lieblingstraktor? Nun ja; die Marke gibts nicht mehr. Weil die Münchner Firma Schlüter seit 1993 keine mehr baut. Das waren gute Traktoren! »Grundsolide und richtige Arbeitspferde; mit einem Haufen technischer Lösungen, die damals neu waren«, erzählt Schmidlin, »die waren ihrer Zeit voraus.« Nur leider auch zu teuer, so dass der Markt ihre Produkte nicht angenommen hat.

Rekordverkäufe bei Traktoren

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2012 wurden in der Schweiz über 2680 Traktoren verkauft: 6,9 Prozent mehr als 2011 und ein Rekord. Dabei dominierten die Hersteller John Deere, New Holland und Fendt: Ihr Verkaufsanteil beträgt zusammen fast 50 Prozent. Als Grund für den gestiegenen Absatz sehen Fachleute den schwachen Euro; in Zukunft erwarten sie, dass der Markt sich beruhigt.

Ein Geschäft, das sich lohnt – mit vielen Konkurrenten. Und natürlich laden die Hersteller den Traktoren-Kritiker auf Seminare und Fortbildungen ein, um ihre Produkte vorzuführen. Doch journalistische Neutralität ist für ihn sakrosankt, auch wenn Fabrikanten manchmal versuchen, Einfluss zu nehmen. Die Daten für Motorleistung, Getriebedrehzahlen und Abgaswerte, mit denen sie ihre Produkte auf den Markt schicken, werden auf dem Traktoren-Prüfstand der Agroscope in Tänikon überprüft. Und in seinen Artikeln korrigiert er die Hersteller-Angaben dann nötigenfalls.

Traktoren mit iPad und iPhone steuern

Professionelle Standards also. Und das Treckerfahren selbst, an das sich so viele Männer aus Bubentagen gern erinnern – nein, erzählt er bei einer Ausfahrt mit dem geliehen Hightech-Traktor: Das ist für ihn nicht mehr so spannend. Schön findet er immer noch die Sitzposition, hoch über allen anderen auf der Strasse. «Und die Kraft», sagt er, «du spürst natürlich schon diese gute Kraft.»

Doch was für ihn wirklich spannend bleibt, sind neue technische Lösungen und Details wie eine ausgefeilte Kabinenfederung, die den Bauern heute einen 10-Stunden-Tag ohne Rückenschmerz ermöglicht. Oder auch der Blick in die Zukunft. Die wird elektrischen Antrieben gehören, sagt Schmidlin. Und natürlich dem Einsatz von iPhones oder iPads, der auch bei den Landmaschinen heraufzieht.

Zwei Berufe, die sich ergänzen

Langweilig dürfte es also nicht werden. Und mit seinem Doppelleben als Landwirt und Tester ist der Praxistest für solche Entwicklungen in seinen Alltag gleich mit eingebaut. Zum Elfenbeinturm-Spezialisten, der allzu detailverliebt über Traktoren und Motoren räsoniert, wird sich Schmidlin kaum entwickeln.

Zumal er den Blick auf das Wesentliche nicht verloren hat. Dass er den «Einstein»-Journalisten gerade dieses Luxusfahrzeug vorführt, soll auch eine Botschaft sein, gesteht er: «Traktoren sind nicht bloss Stinker und Verkehrsbehinderer auf den Strassen, sondern auch Technik, in der viel Gehirnschmalz steckt.»

Vom Nutzen für immer mehr Menschen auf der Erde mal abgesehen: «Ein Traktor ist dazu da, Lebensmittel zu produzieren», sagt Schmidlin und gibt dem Lenkrad einen Klaps, «mit solchen Teilen wird die Welt ernährt.»

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