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Technik High-Tech im Wald: Ein neuer Röntgenlaser für das PSI

Im Aargau entsteht derzeit eine wissenschaftliche Grossanlage: Der neue Röntgenlaser soll die schnellsten Veränderungen kleinster Strukturen aufzeichnen – und so zum Beispiel verfolgen, was bei DNA-Schädigungen passiert.

Der Raps leuchtet, der Weissdorn blüht und der Wald grünt. Richtig idyllisch ist es am PSI, dem Paul Scherrer Institut im aargauischen Würenlingen – und das, obwohl sich hier die zurzeit grösste wissenschaftliche Baustelle der Schweiz befindet. Errichtet wird der SwissFEL – das steht für «Schweizer Freie-Elektronen-Laser».

Die neue Maschine soll eine Art Kamera sein, mit der sich kleinste Strukturen, etwa Moleküle, filmen lassen. Und zwar mit ganz speziellem Röntgenlicht.

Faszination Röntgenlaser

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Viele Wissenschaftler sind von den Möglichkeiten der Röntgenlaser begeistert. Deshalb liegen solche Grossanlagen im Trend. Die erste wurde vor fünf Jahren in Kalifornien in Betrieb genommen. Eine weiterer Röntgenlaser steht in Japan. Anlagen dieser Grössenordnung sind derzeit nur in Hamburg und am Paul Scherrer Institut in Planung.

Beschleunigung über mehrere hundert Meter

Um Röntgenlicht zu erzeugen, braucht es Elektronen – elektrisch geladene Teilchen. In einem normalen Röntgengerät beim Zahnarzt oder im Spital werden die Elektronen nur ganz kurz beschleunigt und dann gleich wieder abgebremst. Dabei geben sie Röntgenlicht ab. Doch bei einem Freie-Elektronen-Laser werden die Elektronen extrem stark beschleunigt. Dafür muss der Beschleuniger mehrere hundert Meter lang sein.

Mit ihrer hohen Geschwindigkeit sausen die Elektronen dann in so genannte Undulatoren hinein – das sind Geräte, in denen die Röntgenstrahlung erzeugt wird. «Im Undulator sitzen viele kleine Magnete hintereinander. Ihre Pole wechseln sich ab: Einmal zeigt der Pluspol zu den Elektronen, dann der Minuspol, dann wieder der Pluspol und so weiter», erklärt PSI-Physiker Gerhard Ingold. «Wenn die Elektronen eintreten, werden sie durch diesen Wechsel abgelenkt und machen eine sehr schnelle Zitterbewegung.» Dabei geben sie ein sehr intensives Röntgenlicht ab.

Aufschlüsse durch reflektierte Strahlung

Das Röntgen-Laserlicht schiessen die Forscher auf das Material, dessen Struktur sie erforschen möchten, zum Beispiel auf Kristalle aus Molekülen. Der Kristall wirft dann einen Teil des Lichts zurück: «Wenn ich messe, wie die Reflexe angeordnet sind, kann ich im Computer zurückrechnen, wie die Struktur aufgebaut ist», erklärt Ingold.

Das Thema im Radio

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Mehr über den SwissFEL und die Hoffnungen der Forscher hören Sie am Samstag, 16. Mai, ab 12:40 Uhr im «Wissenschaftsmagazin» auf Radio SRF 2 Kultur.

Würden viele solcher Reflex-Bilder hintereinander aufgenommen, könne man sogar beobachten, wie sich Strukturen verändern – etwa wie sich Moleküle neu verbinden. Doch damit man auch wirklich sieht, was zum Beispiel bei der Schädigung des Erbguts passiert, muss man sehr schnell sein. Mit dem neuen Röntgenlaser soll das möglich werden.

Das Besondere an der neuen Anlage ist nämlich, dass die Pulse des Röntgenlichts extrem kurz sind. Ein Puls dauert nur eine Femtosekunde, also ein Millionstel einer Milliardstel-Sekunde. Das entspricht der Geschwindigkeit vieler chemischer Reaktionen.

Mit dem SwissFEL sollen chemische Reaktionen also in Echtzeit sichtbar werden. Die erwarteten Erkenntnisse könnten zum Beispiel helfen, neue Medikamente zu entwickeln.

Ein ökologischer Kompromiss

Da der Schweizer Röntgenlaser relativ kompakt gebaut ist, wird er nicht ganz so teuer wie andere seiner Art. Dennoch kostet die Maschine stolze 275 Millionen Franken. Für den Bau musste ausserdem ein grosses Stück Wald abgeholzt werden. Doch obwohl im Wald eine grosse Schneise entstand, ist die Maschine fast unsichtbar. Die Gebäude sind bereits mit Erde überdeckt. Hier soll bald eine Landschaft mit Büschen und Magerwiesen entstehen, mitsamt ökologischem Begleitplan.

Waldweg mit Grashügel links
Legende: Eingebettet in die natürliche Umgebung: In der Simulation deutet nur ein langer Hügel auf die unterirdische Grossanlage hin. Paul Scherrer Institut

Das war ein Zugeständnis an die Gemeinde Würenlingen, der das Land gehört, sagt Rafael Abela, der Projektleiter des Swiss FEL: «Wir haben Sorge getragen, dass sich die Anlage einfügt, und dass wir nicht einfach eine brutale Schneise in den Wald bauen. Und ich glaube, es hat sich gelohnt. Es ist verdeckt. Man sieht nicht viel davon, obwohl der Eingriff relativ gross war.»

Erste Experimente bereits geplant

In etwa zwei Jahren soll der neue Röntgenlaser fertig sein. So lange bleibt es für den Projektleiter spannend: «Wenn wir das erste Licht ganz hinten sehen, in den Detektoren, und nachher das erste Bild aufgenommen haben, werde ich sagen: Jetzt haben wir die erste Hürde geschafft.»

Was genau Abela und sein Team zuerst erforschen werden, will der Forscher noch nicht verraten. «Wir wissen schon, welche Pilot-Experimente wir machen möchten, wir sagen es aber nicht so deutlich», sagt er, «damit sie nicht kopiert werden.» Auch das sei ein Teil der Konkurrenz.

Wie passend, dass auch die neue Riesenmaschine getarnt ist – mitten im Wald von Würenlingen.

Bearbeitung: Maja Brankovic

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