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Technik Sonnenblocker für die heisse Erde

Wie lässt sich die Welt technisch kühlen, falls der Klimawandel dramatisch wird? Vielleicht mit reflektierenden Teilchen in der Atmosphäre, die das Sonnenlicht zurück ins Weltall werfen. Diese umstrittene Idee des solaren Geoengineering wird in der Forschung gerade salonfähig.

Die Erde kann sich nicht einfach in den Schatten stellen, wenn sie schwitzt. Unermüdlich brennt die Sonne auf sie nieder. Wie also könnte man ihr Kühlung verschaffen? Zum Beispiel mit unzähligen winzigen Teilchen, die hoch oben in der Atmosphäre herumfliegen. Sie werfen einen Teil des Sonnenlichts gleich wieder ins Weltall zurück, erklärt Thomas Peter, Atmosphärenchemiker an der ETH Zürich: «So wird viel Licht gar nicht erst eingekoppelt ins Klimasystem. Es findet eine Abkühlung statt.»

Vorbild Vulkan

Dass dieses sogenannte solare Geoengineering funktionieren könnte, weiss man von Vulkanausbrüchen wie jenem des Pinatubo auf den Philippinen im Jahr 1991. Das Auswurfmaterial von Vulkanen kann hoch oben in der Atmosphäre als Sonnenblocker wirken und die Erde deutlich kühlen. Vielleicht liesse sich das nachahmen, etwa indem man aus einem Flugzeug Sonnenschutz-Substanzen in die Atmosphäre pustet.

Geeignet wäre zum Beispiel das Gas Schwefeldioxid, das sich in der Atmosphäre zu kleinen Schwefelsäure-Tröpfchen umwandelt. Diese Tröpfchen streuen das Licht – auch ins Weltall zurück. Bemerkbar macht sich diese Streuung durch kräftiges Abend- und Morgenrot. Neben Schwefeldioxid sind auch Aluminium und Titandioxid als Sonnenblocker in der Diskussion.

Eine andere Möglichkeit ist, die Wolken über dem Meer weisser zu machen. Dazu könnte man Meerwasser hoch in die Luft pusten. Das Salz im Wasser würde dazu führen, dass sich in den Wolken kleinere Tröpfchen bilden. Die Wolken würden dann mehr Licht reflektieren und weisser aussehen. Soweit die Theorie, die einigermassen plausibel klingt.

Angst, ein falsches Zeichen zu setzen

Ob das allerdings auch in der Praxis funktioniert, weiss niemand. Das solare Geoengineering könnte auch zu ganz unerwünschten Resultaten führen: Die Teilchen in der Atmosphäre könnten die Ozonschicht angreifen oder Überschwemmungen und Ernteeinbussen nach sich ziehen. Wegen des Geoengineering könnten Politiker ausserdem den Schluss ziehen, man müsse die CO2-Emissionen doch nicht wirklich reduzieren, so Peter.

Der zweite Weg

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Neben dem globalen Sonnenschutz gibt es noch eine zweite Form des Geoengineering. Dabei will man CO2 aus der Atmosphäre binden, zum Beispiel mit Aufforstung, oder indem man es maschinell der Atmosphäre entzieht und unter der Erde lagert. Auch hierzu hat sich die National Academy of Sciences soeben in einem Bericht geäussert.

Viele Fachleute und Umweltschutzorganisationen stehen dem Geoengineering deshalb sehr skeptisch gegenüber. «Alle haben die Befürchtung, damit ein falsches Zeichen zu setzen», sagt der ETH-Forscher, «und alle vergessen dabei die grosse Angst, die uns im Nacken sitzen muss, wenn wir an unsere CO2-Emissionen denken.»

Aus dieser Angst heraus plädieren neuerdings immer mehr Forscher dafür, den Sonnenschutz für die Erde ernsthaft zu untersuchen. Im jüngsten Bericht des Weltklimarats IPCC wird der Idee Platz eingeräumt. Und auch die mächtige National Academy of Sciences der USA empfiehlt in einem neuen Bericht, den Sonnenschutz für die Erde ernster zu nehmen. Zwar sei an eine Anwendung noch lange nicht zu denken, doch man solle die Idee nun besser erforschen.

Grosses Missbrauchspotenzial

Der neue Bericht wurde von zahlreichen Behörden der USA in Auftrag gegeben, darunter auch die CIA. «Das Interesse der Politik zeigt, dass das Thema nun salonfähig geworden ist», sagt Ken Caldeira von der Universität Stanford in Kalifornien, der am Bericht mitgeschrieben hat. Er begrüsst diese Entwicklung, denn man müsse unbedingt mehr wissen über solares Geoengineering. Vor allem deshalb, weil es leicht zu missbrauchen sei.

Die Technik ist im Prinzip billig und ohne grossen Aufwand einzusetzen. Ausserdem wirkt sie schnell. «Wollte ein Politiker in Zukunft die Erde kühlen, und zwar noch vor den nächsten Wahlen, dann könnte er das nur mit solarem Geoengineering tun», meint Caldeira. Der Politiker könnte eigenmächtig handeln, ohne die Weltgemeinschaft zu fragen. Deshalb brauche es verbindliche internationale Regeln und mehr Forschung, schreibt die National Academy of Sciences.

Sie denkt nicht nur an Computersimulationen, sondern schliesst auch Experimente unter freiem Himmel nicht aus, allerdings nur solche mit sehr beschränktem Ausmass. Es ist also möglich, dass bald irgendwo ein Flugzeug kleinste Mengen Sonnenblocker in die Atmosphäre einbringt. Damit wäre die verrückt klingende Idee in der Realität angekommen. Als Notnagel gegen den Klimawandel.

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