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Das James-Webb-Teleskop kommt an
Aus Wissenschaftsmagazin vom 22.01.2022. Bild: Imago images
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Lagrange-Punkte Weltraum-Parkplätze für Satelliten und Teleskope

Das James-Webb-Teleskop erreicht seinen Beobachtungsposten im All – den Lagrange-Punkt 2. Astronomen lieben diesen Ort.

Vor knapp einem Monat ist das bisher grösste Weltraumteleskop ins All gestartet. Nach einem 1,5 Millionen Kilometer langen Flug kommt das James-Webb-Teleskop nun an seinem Ziel an: dem Lagrange-Punkt 2.

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James Webb-Teleskop erfolgreich ins All gestartet
Aus Tagesschau vom 25.12.2021.
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Fünf Lagrange-Punkte gibt es insgesamt im Sonne-Erde-System. Für die Raumfahrt sind diese Orte besonders spannend, weil sie eine Art Parkplatz für Teleskope und Satelliten sind.

Vorteile der Lagrange-Punkte

«An einem Lagrange-Punkt braucht man nicht viel Treibstoff, um die Mission dort zu halten. Das ist einer der grossen Vorteile», sagt Florian Renk von der europäischen Weltraumagentur ESA.

An den Lagrange-Punkten kreisen Flugobjekte fast ohne eigenen Antrieb um die Sonne. Und egal, wo sie bei ihrer Sonnenumrundung gerade stehen: Ihre Position zur Erde bleibt immer gleich.

Wie das möglich ist, erklärt die Berner Astrophysikerin Susanne Wampfler: «Um einen Körper auf einer Kreisbahn zu halten, braucht es immer eine Kraft. Das sieht man bei den Hammerwerfern, die sich zuerst mit dem Hammer drehen und wenn sie ihn loslassen, fliegt er geradeaus weiter, weil keine Kraft mehr wirkt.»

Wo befinden sich die Lagrange-Punkte?

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Legende: NASA/WMAP Science Team

Die Lagrange-Punkte L1, L2 und L3 liegen auf der verlängerten Verbindungslinie zwischen Sonne und Erde, rund 1,5 Millionen Kilometer von der Erde entfernt. L1 auf der sonnenzugewandten Seite und L2 – wo auch das James-Webb-Teleskop seine Arbeit aufnimmt – auf der sonnenabgewandten.

Die beiden Punkte L4 und L5 liegen auf der Bahn der Erde um die Sonne – der eine eilt dabei der Erde leicht voraus, der andere hinkt ihr etwas nach.

Wäre das James-Webb-Teleskop irgendwo im All, müsste es, um seine Bahn um die Sonne zu halten, oft viel eigene Energie – oder eben Treibstoff – aufwenden. An den Lagrange-Punkten kombinieren sich die Anziehungskräfte von Sonne und Erde so, dass ein Körper mit kleiner Masse, ein Satellit oder ein Teleskop, sich synchron mit der Erde um die Sonne bewegen kann.

L1 für Sonnenanbeter

Dass das Teleskop am Lagrange-Punkt 2 «parkiert», hat daher den Vorteil, dass wir hier unten auf der Erde trotz der grossen Entfernung gut mit ihm kommunizieren können. Zudem lässt sich das Teleskop an diesem sonnenfernsten Lagrange-Punkt kalt halten. Das ist entscheidend für das einwandfreie Funktionieren des Infrarot-Teleskops, das extrem feine Wärmestrahlung etwa von den frühsten Sternen erkennen soll.

Auch weitere Sternenbeobachtungsmissionen wie das europäische GAIA-Teleskop sind nicht per Zufall hier. Am L2 haben sie Sonne und Erde stets im Rücken und nach vorn einen freien Blick in die Tiefen des Alls.

Andere Vorteile bietet beispielsweise der Lagrange-Punkt L1 auf der gegenüberliegenden, sonnenzugewandten Seite der Erde, so Susanne Wampfler: «Der L1 wird hauptsächlich für Missionen benutzt, die die Sonne studieren, etwa die Genesis-Mission, die den Sonnenwind untersucht hat.»

Orte für spezielle Missionen

Derzeit senden rund ein Dutzend aktive Teleskope und Satelliten von Lagrange-Punkten aus ihre Daten zur Erde. Also sehr wenige im Vergleich zu den über 4000 aktiven Wetter-, Kommunikations- und anderen Satelliten, die um die Erde kreisen.

Wie Lagrange-Punkte Asteroiden einfangen

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Nicht nur im Sonne-Erde-System gibt es Lagrange-Punkte. Sie treten überall dort auf, wo ein Himmelskörper um einen anderen kreist.

Zum Beispiel finden sich im Sonne-Jupiter-System die sogenannten Trojaner. Das sind Asteroiden, die sich in zwei grossen Schwärmen vor und hinter dem Jupiter sammeln. Sie sind auf ihrem Weg durchs All in dessen L4- und L5-Punkten stecken geblieben.

An diesen zwei besonders stabilen Lagrange-Punkten sind auch bei anderen Planeten Asteroiden und Monde gefangen. Sogar die asteroidenferne Erde treibt zumindest einen Trojaner vor sich her.

Das hat einen Grund: Lagrange-Missionen sind um ein Vielfaches weiter weg und entsprechend teuer. Man könne damit auch kein Business machen, sagt Susanne Wampfler von der Universität Bern: «An die Lagrange-Punkte führen Forschungsmissionen, die bringen uns keinen Fernseh- oder Internetempfang, sondern neue Erkenntnisse übers Universum.»

Welche Erkenntnisse uns das James Webb-Teleskop liefert, wird weltweit mit Spannung verfolgt. Erste Daten werden für den Sommer erwartet.

Die wissenschaftlichen Ziele von «James Webb»

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Wie alt ist das Universum? Das Webb-Teleskop soll ganz nah ran an den Urknall und sich dafür das erste sichtbare Licht im Universum anschauen.

Wie entstanden die frühesten Sterne? Sterne entstehen in riesigen Wolken aus Gas- und Staub, die uns die Sicht versperren, weil sie das sichtbare Licht verschlucken. Das Infrarot-Teleskop kann durch diesen Staub hindurch mitten in die Wolke hineinschauen.

Gibt es weitere erdähnliche Planeten? Exoplaneten strahlen im Infrarotbereich besonders hell. Das neue Weltraumteleskop kann sie deshalb besonders gut finden und die Zusammensetzung ihrer Atmosphäre untersuchen.

Wissenschaftsmagazin, 22.01.2022, 12:40 Uhr

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