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Filmschatz: «The Birth of a Nation»
Aus Kultur Extras vom 13.04.2017.
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Filmschatz Als Rassismus noch Hollywood-fähig war

Kann ein Film hemmungslos rassistisch sein und trotzdem ein Meilenstein der Filmgeschichte? «The Birth of a Nation» von 1915 – ein kontroverser Filmschatz.

  • «The Birth of the Nation» von Regisseur D.W. Griffith gilt als einer der grossen Filme der Stummfilmzeit.
  • Der Film ist rassistisch und glorifiziert den Ku-Klux-Klan.
  • Zur Zeit seiner Entstehung war der Film ein Kassenschlager – heute ist er ein umstrittenes Werk der Filmgeschichte.

Zwei befreundete Familien finden sich im Amerikanischen Bürgerkrieg (1861-1865), in dem es unter anderem um die Abschaffung der Sklaverei ging, auf verschiedenen Seiten wieder. Die Camerons, Plantagenbesitzer aus dem Süden, kämpfen für die Konföderierten und somit für den Erhalt der Sklaverei – die Stonemans aus dem Norden kämpfen für die Union.

In der Nachkriegszeit finden die Familien wieder zusammen. Denn sie sehen die im Bürgerkrieg befreiten Schwarzen als Bedrohung der weissen Vorherrschaft. Der junge Cameron hat eine Idee: Zusammen mit anderen ehemaligen Sklavenhaltern gründet er den Ku-Klux-Klan.

Für moderne Betrachter ist «The Birth of a Nation» eine eindeutige Verherrlichung des Ku-Klux-Klans. 1915 jedoch wurde der Film von weiten Teilen des Publikums gut aufgenommen.

Poster von "The Brith of the Nation" - Ku-Klux-Klan Mitglied ist hoch zu Ross.
Legende: Selbst auf dem Filmposter wurde der Ku-Klux-Klan verherrlicht. David W. Griffith Corp.

Völlig neue Stilmittel

In den 1910er-Jahren hielt in Hollywood – mit immer längeren und aufwändigeren Stummfilmproduktionen – ein neues Zeitalter Einzug. Einer der grössten Namen der aufkommenden Filmindustrie: Regisseur D.W. Griffith.

Mit seinem Film «The Birth of a Nation» erschuf er einen bahnbrechenden, dreistündigen Stummfilm, der bis dahin wenig angewandte Techniken und Stilmittel verwendete.

So gebrauchte er zum Beispiel verschiedene Einstellungen und schnitt sie zusammen, benutzte Ausblendungen und färbte Szenen ein, um sie abzuheben. Das war neu.

Denn die ersten Stummfilme sahen wie Theaterstücke aus: Es gab meist lange Sequenzen ohne Bildschnitt und eine statische Kameraführung. Das Einzige, was sich im Bild bewegte, waren die Schauspieler.

50 Jahre nach dem Amerikanischen Bürgerkrieg

Es war jedoch nicht nur eine Zeit des Fortschritts, sondern auch der Rassentrennung in den USA. 1915 war der Bürgerkrieg gerade mal 50 Jahre her. Noch der Vater von Regisseur D.W. Griffith hatte gegen die Abschaffung der Sklaverei gekämpft und verloren.

Afroamerikaner wurden nach Kriegsende keine gleichberechtigten Bürger der USA. In den 1890er-Jahren wurden im Süden Gesetze zur Rassentrennung verabschiedet, die erst 1964 wieder abgeschafft wurden.

Ein Kassenschlager

Unter diesem Gesichtspunkt ist es einfacher zu begreifen, wieso «The Birth of a Nation» von Rezensenten und Publikum kaum kritisiert wurde. Stattdessen mauserte sich der Film zu einem Kassenschlager mit den höchsten Einspielergebnissen des damaligen Kinos. Erst 1939 wurde er vom Drama «Gone with the Wind» wieder vom Thron gestossen, der interessanterweise auch im Süden nach dem Bürgerkrieg spielt.

Das soll nicht heissen, dass es keine Opposition gegen «The Birth of a Nation» gab. Die schwarze Bürgerrechtsorganisation NAACP versuchte den Film in mehreren Städten zu verbannen – mit mässigem Erfolg.

Werbung für den Klu-Klux-Klan

Neu im Kino

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«The Birth of a Nation» (2016): Selber Titel, ganz anderer Inhalt. Der Film von Nate Parker erzählt von einem heroischen Sklavenaufstand – ein Stück afroamerikanische Geschichte.

Griffiths rassistisch gefärbte Darstellung der historischen Ereignisse in «The Birth of a Nation» wurde vom Publikum grösstenteils für bare Münze genommen und hatte reale Konsequenzen.

Der Ku-Klux-Klan, ein Geheimbund, der aus Angst vor Schwarzen nach dem Bürgerkrieg entstanden war, erfuhr unter anderem dank der Werbung durch den Film eine zweite Blütezeit. Er erreichte ein neues Mitglieder-Hoch.

Trotz der Verherrlichung des Klans wurde «The Birth of the Nation» 1992 geehrt, indem er in die amerikanische Nationalbibliothek aufgenommen wurde. Noch 1998 war er auf der Liste der 100 besten Filme des amerikanischen Filminstituts.

Ein historisches Dokument

«The Birth of a Nation» ist ein echter Problemfall. Formal hat er zwar noch Wert – inhaltlich ist er nicht mehr tragbar. Was einem bleibt, ist den Film als historisches Dokument zu betrachten, als Zeugnis davon wie in der USA vor 100 Jahren gedacht wurde.

Die erschreckende, wie banale Erkenntnis: Was den Zuschauern heute völlig verkehrt vorkommt, war damals fast normal.

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