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Film & Serien Fritz, Lotti und andere Liebesgeschichten

Friedrich Dürrenmatt ist, wie sein Werk auch, ein nationales Monument: wuchtig, grotesk, bedeutsam. Die Schweizer Dokfilmerin Sabine Gisiger hat nun ein intimes Porträt über den Konolfinger Pfarrersohn geschaffen – eine mehrfache Liebeserklärung.

Wer glaubt, ein Déjà-vu zu haben, hat nicht ganz unrecht. Bereits im Januar 2015 lief ein Film Sabine Gisigers über Dürrenmatt an den Solothurner Filmtagen und im Fernsehen. Das für SRF produzierte Porträt «Friedrich Dürrenmatt – Im Labyrinth» war eine fiktive Autobiografie.

Sabine Gisiger

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Legende: DCM Film Distribution

Die Schweizer Filmemacherin hat 2015 bereits einen Film über Dürrenmatt gedreht: «Friedrich Dürrenmatt – Im Labyrinth». 2014 machte mit ihrem Porträt «Yalom's Cure» auf sich aufmerksam.

Weil sie diese zuerst den Angehörigen vorführen wollte, erzählt die Regisseurin, habe sie aus Gesprächen mit ihnen so viele Fragen beantwortet bekommen, so viele neue Facetten gehört, dass sie beschlossen habe, den Kinofilm «Dürrenmatt. Eine Liebesgeschichte» zu drehen.

Kein Werkkatalog, sondern ein intimes Porträt

In seinem Malatelier mischt Dürrenmatt Farben, malt bedächtig an einem seiner grotesken Bilder und erzählt, wie gross die Leere nach dem Tod seiner ersten Frau Lotti sei. Mit ihr hatte er rund 40 Jahre gelebt und gearbeitet, mit ihr hatte er seine Kinder.

Dieser Filmanfang gibt die Tonart vor, in der dieser Film gemacht ist: kein Werkkatalog, kein Nachzeichnen von Dürrenmatts Weg vom jungen Dramatiker bis zum weltberühmten Schriftsteller.

«Dürrenmatt. Eine Liebesgeschichte» ist ein sehr intimes Porträt des Konolfinger Pfarrersohns und der Beziehung zu seiner Frau Lotti. Mit ihr habe Dürrenmatt alle seine Figuren besprochen, erzählt seine Tochter Ruth im Film, ohne sie hätten seine Theaterstücke nicht diese Tiefe und Kraft gehabt, ist sie überzeugt.

Interview mit Sabine Gisiger

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Im Interview spricht die Schweizer Filmemacherin Sabine Gisiger über ihre Arbeit an «Dürrenmatt – Eine Liebesgeschichte». Sie verrät, dass es eine Grosseherausforderung gewesen sei, Dürrenmatts Werk gerecht zu werden: «Dürrenmatt durch die Augen seiner Familie».

Es ist etwas Besonderes, einmal den Sohn, die eine Tochter Ruths und die Schwester Verena Dürrenmatt zu sehen und zu hören. Sie hatten sich bis jetzt fast nie öffentlich über ihren Vater beziehungsweise den Bruder geäussert.

In Sabine Gisigers Film bereichern sie mit ihren Erinnerungen das Bild des Menschen Dürrenmatt und erinnern sich an die Liebe zwischen ihren Eltern Fritz und Lotti.

Lotti Geissler wieder ins Zentrum gerückt

Es ist diese Liebesgeschichte, der Sabine Gisiger in ihrem Film nachspürt: 80 Stunden Material hat sie gesammelt. Einiges davon stammt aus dem Film «Porträt eines Planeten», den Dürrenmatts zweite Frau Charlotte Kerr 1984 gedreht hat. Ihr, der zweiten «Lotti» in Dürrenmatts Leben, ist nur wenig Zeit im Film gewidmet – die «Liebesgeschichte» im Titel gehört Lotti Geissler, der ersten Frau.

Über Charlotte Kerr und Dürrenmatt sei schon so viel geschrieben worden, Kerr selber habe ihre und Dürrenmatts Geschichte so oft erzählt, sagt Sabine Gisiger, dass darüber die langjährige erste Frau, die Schauspielerin Lotti Geissler ganz aus dem Dürrenmattbild verschwunden sei. Keine Interviews gibt es mit ihr, nur einige Fotos und die Erinnerungen der Kinder.

Eine mehrfache Liebeserklärung

SRG-Koproduktion

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Die SRG ist Koproduzentin dieses Films.

Dieser Film ist also nicht nur ihm, dem Grossen, dem Bedeutenden, dem Meteor und dem Richter aller Henker gewidmet, sondern auch ihr, seiner Geliebten, seiner Frau, seiner ersten Leserin und Mitdenkerin. Die Kinder erinnern sich, dass ihre Eltern so stark aufeinander bezogen gewesen seien, dass sie sich manchmal ganz vergessen gefühlt hätten, obwohl sie im gleichen Zimmer waren.

Audio
Filmkritik zu «Dürrenmatt: Eine Liebesgeschichte»
aus Kultur kompakt vom 28.09.2015.
abspielen. Laufzeit 3 Minuten 7 Sekunden.

«Dürrenmatt. Eine Liebesgeschichte» sei aber auch ihre eigene Liebeserklärung an Dürrenmatt und sein Werk, sagt Sabine Gisiger. «Die Art und Weise, wie er über die Welt nachdenkt, finde ich absolut faszinierend. Das, was er über die Welt im 20. Jahrhundert gesagt hat, gilt auch heute noch.» Und so hört man im Film denn auch den Dichter selbst am meisten sprechen, über die Welt, seine Stücke, das Theater, aber auch über sein Leben, seine Familie und seine Frau Lotti.

Kinostart: 8.10.2015

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur kompakt, 28.9.15, 6.50 Uhr

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