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Kunst Diese Fotos werfen die Frage auf: Wann ist ein Krieg vorbei?

Meinrad Schade ist Kriegsfotograf, doch seine Bilder zeigen weder Gefechte noch Tote. Wer sich seine Ausstellung «Krieg ohne Krieg» in der Fotostiftung in Winterthur anschaut, sieht verlassene Städte oder entstellte Menschen – Schade macht seine Bilder dort, wo der Krieg schon zu Ende ist.

Einmal pro Jahr reist der 47-jährige Schweizer Fotograf Meinrad Schade für mindestens einen Monat dorthin, wo die «richtigen» Kriegsfotografen längst weg sind – nach Tschetschenien, Inguschetien, Israel oder Kasachstan. Dort kann er keine spektakulären Bilder mehr schiessen. Aber Meinrad Schade, der einmal Biologie studiert hat, ist es gewohnt, geduldig und genau zu hinzuschauen und das Dramatische im Unspektakulären zu Tage zu fördern.

Die Folgen der Atomwaffentests

Ausstellungshinweis

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Legende: Meinrad Schade

Die Ausstellung Meinrad Schade – Krieg ohne Krieg in der Schweizer Fotostiftung in Winterthur ist zu sehen vom 7. März bis 17. Mai 2015.

In der Steppenlandschaft im Osten Kasachstans hat Meinrad Schade Berik Sysdikow getroffen, den die Einheimischen nur den «Mann ohne Gesicht» nennen. Tatsächlich ist das Gesicht des 46-Jährigen von Hautwülsten überzogen. Berik Sysdikow ist ein Strahlenopfer. Während des Kalten Krieges hat die Sowjetunion im Osten Kasachstans 456 Atombomben getestet. Sysdikow Mutter, eine Hirtin, hat zweimal einen Atompilz gesehen.

Meinrad Schade hat Berik Sysdikow fotografiert: Der Mann hält seinen kleinen Neffen auf dem Schoss und legt sein Gesicht behutsam auf dem Haarschopf des Kleinen. Was für eine Kombination: Die helle, glatte Babyhaut kontrastiert mit der dunklen, wulstigen Haut des Strahlenopfers. Diese Aufnahme ist eines der wenigen Schockbilder, die in der Ausstellung «Krieg ohne Krieg» in Winterthur zu sehen sind. Sonst ist Meinrad Schades Bildsprache subtil, wenn er den labilen Zustand zwischen Normalität und Katastrophe zeigt.

Krieg realitätsnah inszenieren

Jüngst hat sich Meinrad Schade auch für Schauplätze interessiert, an denen Kriege inszeniert werden. Sei das an der Waffenmesse «Eurosatory» in Paris oder an der «War & Peace Show» in der englischen Grafschaft Kent, wo Kriegsszenen realitätsnah nachgespielt werden. Dabei sei das Nachspielen des Zweiten Weltkriegs besonders beliebt, erzählt Meinrad Schade, der die Inszenierungen fotografiert hat. Das Bild eines Mannes, der in tadelloser Originaluniform der Waffen-SS beim Morgenappell herumbrüllt, macht klar, dass Kriegspielen letztlich heisst, den Krieg zu akzeptieren.

Dass seine Bilder eine grosse Wirkung haben, daran glaubt Meinrad Schade nicht. Schon gar nicht, dass sie einen Krieg verhindern könnten. Aber es freut ihn, wenn die Betrachter an einem Bild der vergessenen Schauplätze hängen bleiben. Wenn sie genau schauen, vielleicht leer schlucken und dann von Bild zu Bild realisieren, wie lange ein Krieg nach seinem Ende noch präsent ist; ja den Alltag der Menschen durchdringt und prägt.

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