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Illustrator Felix Hoffmann Er färbte unsere Märchenwelten

In der Schweiz sind viele Kinder mit Felix Hoffmanns Märchen-lllustrationen aufgewachsen. Lange waren die Bilderbücher des Aarauers vergriffen – nun erscheint ein neuer Sammelband.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Rapunzel, König Drosselbart und die sieben Raben: Felix Hoffmann illustrierte zahlreiche Märchenklassiker.
  • Sein erstes Bilderbuch malte er für seine kranke Tochter.
  • In den Bilderbüchern des Aarauer Malers lässt sich auch seine damalige Umgebung entdecken.

Felix Hoffmanns Illustrationen? Wenn da nicht gleich Bilder in Ihrem Kopf auftauchen, probieren Sie es mal so: Wie sah nochmals die Türe aus, hinter der die sieben Geisslein auf ihre Mutter warten – und vom bösen Wolf reingelegt werden? Mintgrün mit einem kleinen vergitterten Fenster?

Wie flogen die Brüder davon, nachdem sie in die sieben Raben verwandelt wurden? Trug da nicht einer noch knallrote Kinderhosen statt eines Gefieders und ein anderer Vogel eine Strickmütze auf dem Kopf?

Wenn Sie solche Bilder sehen, ist klar: Sie sind mit Felix Hoffmanns Märchenillustrationen aufgewachsen.

Trost für die kranke Tochter

Dass der Aarauer Künstler und Grafiker, der von 1911 bis 1975 lebte, überhaupt Grimm-Märchen illustriert hat, ist Susanne Grendelmeier zu verdanken, dem dritten von vier Kindern des Künstlers.

Audio
Galerist Carlo Mettauer über Felix Hoffmann
aus Regionaljournal Aargau Solothurn vom 29.06.2017.
abspielen. Laufzeit 2 Minuten 54 Sekunden.

Als der jüngere Bruder zur Welt kam, war sie zweieinhalb Jahre alt und hatte Keuchhusten. Sie durfte weder die Mutter noch das neue Geschwisterchen besuchen. Da tröstete sie der Vater, indem er ihr ein Märchen erzählte und jeden Tag dazu ein Bild malte. Es war die Geschichte des Wolfs und der sieben Geisslein.

«Später stand das Buch ganz oben im Bücherregal, damit es nicht kaputt geht», erinnert sich die heute 74-Jährige. Anschauen durfte man es nur unter Aufsicht. Wie gut, hat es doch später Generationen von Kindern erfreut – in der Schweiz, aber auch weltweit.

Feedback der Familie

Mit diesem Märchen ist Felix Hoffmann auf den Geschmack gekommen. In den folgenden Jahren illustrierte er Märchen und Kindergeschichten. Bereits 1949 konnte er Rapunzel im Sauerländer Verlag veröffentlichen. Weitere Märchen folgten.

Ein äusserst disziplinierter Arbeiter sei ihr Vater gewesen, erinnert sich die Hoffmann-Tochter, mit fixen Arbeitszeiten. Er widersprach damit dem landläufigen Klischee des chaotischen Künstlers, der loslegt, sobald die Muse ihn küsst.

Hans im Glück.
Legende: Hoffmann faszinierten Geschichten wie «Hans im Glück». NordSüd Verlag

«Mein Vater hat zu einer Geschichte etliche Skizzen gefertigt und sie uns Kindern vorgelegt», sagt Susanne Grendelmeier. Erst wenn sie und ihre drei Geschwister so reagierten, wie der Vater es bezweckt habe, fertigte er aus den Skizzen Illustrationen.

Thomas Mann und Kirchenfenster

Felix Hoffmann illustrierte jedoch nicht nur Kindergeschichten. Er schuf auch bibliophile Bücher, also schön gestaltete Bücher für Sammler. Unter anderem illustrierte er Thomas Manns Zauberberg, was der Schriftsteller eigens autorisiert hat.

Märchen-Bilder

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Zudem realisierte Hoffmann Wandgemälde und war auch ein autodidaktischer Glasmaler, der viele Kirchenfenster schuf.

War Felix Hoffmann denn ein religiöser Mensch? Susanne Grendelmeier verneint. Weniger die Spiritualität als wiederum die Geschichten hätten ihn angezogen.

Abbild der Aarauer Umgebung

Gearbeitet hat der Künstler in seinem eigenen Atelier, in einem Pavillon aus dem 19. Jahrhundert mitten in Aarau, dem heute denkmalgeschützten Teehaus. Felix Hoffmann setzte ihm auch ein Denkmal – in seinen Bildern zum Märchen vom Wolf und den sieben Geisslein. «Das Geissenhäuschen ist genau sein Atelier», sagt Tochter Susanne.

Allgemein fällt auf, dass sich Felix Hoffmann in seinen Illustrationen von seiner Umgebung inspirieren liess. Die Zeichnungen tragen ein wenig die Patina vergangener Tage: Die Frauen tragen ausser Haus Kopftücher, der König Drosselbart setzt sich als Bettler verkleidet einen kegelförmigen, aus heutiger Sicht sonderbaren Hut auf.

Hier sehen wir die Landbevölkerung Aaraus aus den 1940er- und 1950er-Jahren, bestätigt Susanne Grendelmeier. Das Umfeld habe ihren Vater stark inspiriert. Auch in «Rapunzel» begegnet Susanne Grendelmeier Altbekanntem aus Kindertagen: Der Balkon, auf dem Rapunzels Eltern sitzen, sei der ihres Elternhauses.

Dornröschen.
Legende: War Aarau hier auch Vorbild? «Dornröschen», gezeichnet von Felix Hoffmann. NordSüd Verlag

Papa unterhält Kinder, Mama macht Politik

Die Eltern Hoffmann hatten eine klare Arbeitsteilung: Kinderunterhaltung war Sache des Vaters, während die Mutter, Gretel Hoffmann, den Haushalt führte und kochte. Später stieg die Frau an Felix Hoffmanns Seite in die Politik ein.

Buchhinweis

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Felix Hoffmann, Hans im Glück und andere Märchen der Brüder Grimm, NordSüd Verlag, 2017.

Mit Erfolg: 1973 hat Gretel Hoffmann es als eine der ersten Parlamentarierinnen in den Aarauer Einwohnerrat geschafft. Ihre Mutter habe neben dem starken Vater ein Ventil gebraucht und dieses in der Politik gefunden, sinniert Susanne Grendelmeier.

Der Realität ins Auge sehen

Wie seine Frau in der Politik wollte Felix Hoffmann in seiner Kunst der Realität ins Auge sehen. Im wahrsten Sinne des Wortes. Er war ein Perfektionist.

Als seine Märchen in Japan verlegt wurden, stellten die Mitarbeiter fest, dass er die Augen der Geisslein mit vertikalen Pupillen gezeichnet hat, statt mit horizontalen wie in der Realität. Der Künstler malte die Pupillen der Geisslein neu.

Bei der Neuherausgabe hat sich der NordSüd-Verlag jedoch am Original orientiert. In der Schweiz schauen die Geisslein weiterhin mit vertikalen Pupillen in die Welt. Doch es hilft ihnen alles nichts: Vom Wolf gefressen werden sie in beiden Varianten.

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