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Gute Zeiten für Kunst im Netz
Aus Kontext vom 15.04.2020. Bild: Keystone / Gaetan Bally
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Gute Zeiten für Kunst im Netz Das Internet soll wieder Spielplatz für Kreativität werden

Einen Laptop und Bandbreite: Mehr braucht es nicht, um Kunst zu erleben. Insbesondere Werke, die im und für das Internet entstanden, feiern in der Corona-Krise ein Comeback.

Viele Museen und Kunstinstitutionen entwickeln kreative Ideen, um trotz geschlossener Türen Kunst zu zeigen: Kaum ein Haus, das in der Corona-Krise nicht Rundgänge durch die Sammlung auf Instagram veröffentlicht oder Werkerläuterungen per Video ins Netz stellt und so versucht, analoge Kunst digital zu vermitteln.

Viel einfacher hat es in dieser Ausnahmesituation allerdings digitale Kunst, die genuin fürs Netz entstand. Bereits in den Pioniertagen des Web, Mitte der 1990er-Jahre, hinterfragten Künstler das Medium und experimentierten in kritischer Absicht mit den neuen Möglichkeiten.

Insbesondere die Strukturen und Funktionsweisen des Web interessierte die «Net Art». Bespielhaft ist dafür die Arbeit der Netzkunst-Pionierin Olia Lialina, deren Werke derzeit online in einer Ausstellung zu sehen sind.

«Summer 2013» von Olia Lialina

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Legende: Olia Lialina

Mit Kunst die Struktur des Internet sichtbar machen - wie geht das? Olia Lialinas Arbeit «Summer 2013» sieht zunächst wie ein Video aus, ist aber eine GIF-Animation. Die einzelnen Bilder, die die Künstlerin auf einer Schaukel hin und her wippen lassen, sind unter verschiedenen Adressen gespeichert und werden live nacheinander abgerufen.

Die stets sichtbare Browserzeile verändert sich laufend. Und: Wer gutes Netz hat, sieht eine runde Bewegung, wer nicht, eine auf der Schaukel ruckelnde Künstlerin.

«Lialina zeigt, was im Internet eigentlich passiert, und macht die zugrundeliegenden IP-Protokolle erfahrbar», sagt Sabine Himmelsbach, Direktorin des Hauses für elektronische Kunst Basel (HeK), der Schweizer Institution für digitale und Medienkunst.

Revival der Netzkunst

Nach den Pionierjahren verflog die Euphorie von Künstlerinnen, die das Web mit ihrer DIY-Mentalität und Sympathie fürs Hacken und Unterwandern in einen Spielplatz der Kreativität verwandelt hatten. Das Internet wurde zu einer kommerziellen Struktur, geprägt von gigantischen Konzernen.

Jetzt, in Zeiten des Stillstands, der Ausgehbeschränkungen und der geschlossenen Institutionen, in denen das Internet so vieles ersetzen soll, erinnere man sich vermehrt an die Pionierjahre der Netzkunst, so Sabine Himmelsbach vom HeK: «Mit der Corona-Krise erleben wir das Revival einer Form des Internets, das verloren schien.»

Aktuelle Ausstellung von Netzkunst

Dieser Logik folgt die aktuelle Online-Ausstellung «Well Now WTF?». Sie zeigt netzbasierte Kunstwerke und proklamiert kein schlichtes Revival der «Net Art». Vielmehr fordert sie, dass das Netz für die Gesellschaft zurückerobert und jenseits ökonomischer Interessen umgestaltet wird.

Auch das HeK ist an einer aktuellen Online-Ausstellung beteiligt: «We=Link: Ten Easy Pieces» zeigt Kunstwerke, die als Auftragswerke in der Corona-Krise entstanden. Neben aktuellen Arbeiten, etwa einem Kunst-Tagebuch aus der Quarantäne, ist auch eine Arbeit der «Net Art»-Pioniere von JODI zu sehen.

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Netzkunst - das Internet als Gestaltungsmittel
aus Netzgespräch vom 29.06.2010.
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Sie verwandeln den Bildschirm des Rechners wie gewohnt in ein Feuerwerk blinkender Lichter. Anders als in früheren Arbeiten allerdings behält die Betrachterin die Kontrolle, das Feuerwerk mittels eines Klicks auch wieder abzustellen. Und bei Lust erneut zu starten. Das spendet in der aktuellen Situation globaler Kontrollverluste zumindest ein wenig Trost.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kontext, 16.04.20, 9.02 Uhr

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