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Raubkunst Reloaded Gurlitts zweifelhafte Geschäfte

Zweite Gurlitt-Ausstellung im Kunstmuseum Bern: «Der NS-Kunstraub und die Folgen» beleuchtet vor allem die Rolle von Hildebrand Gurlitt – und ist mehr als eine Übernahme der gleichnamigen Ausstellung in Bonn.

Raubkunst im Kunstmuseum Bern: Das hat zunächst etwas Beklemmendes. Niemals werde Raubkunst aus der Sammlung Gurlitt über die Schwelle des Kunstmuseums kommen, das versprach die Museumsleitung 2014 vor den Medien.

Nun sind sie also doch in Bern, wenn auch nur vorübergehend: Werke, über denen der Schatten des Verdachts liegt. Werke auch, die eindeutig als Raubkunst identifiziert worden sind.

Aus der Wohnung geraubt

Das Porträt einer sitzenden jungen Frau etwa, gemalt von Thomas Couture Mitte des 19. Jahrhunderts. Alleine hängt es an der Wand im letzten Teil der Ausstellung.

Porträt einer jungen Frau mit schwarzem Haar
Legende: Thomas Couture: Porträt einer jungen Frau, 1850-1855. Mick Vincenz / Kunstmuseum Bern und Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH

«Es wurde rekonstruiert, dass das Bild aus dem Besitz von Georges Mandel stammt», sagt Nikola Doll. «Die Nachfahren von Mandel haben Anspruch auf das Werk erhoben.» Doll ist Leiterin der Abteilung Provenienzforschung und Kuratorin der Schau.

Georges Mandel war ein französischer Journalist und Politiker. Ihm wurde das Bild aus seiner Wohnung geraubt, nachdem ihn das Vichy-Regime 1940 verhaftet hatte.

Heikle Fragen der Herkunft

«Es befindet sich jetzt in treuhänderischem Besitz der Bundesrepublik Deutschland, die für die Durchführung der Restitution verantwortlich ist», sagt Doll.

Restitution, also die Rückgabe von Raubkunst, ist ein Thema, das die Bonner Gurlitt-Ausstellung praktisch ausser Acht liess. Doll gibt ihm in der Berner Ausstellung Raum. Ebenso den heiklen Fragen der Herkunftsforschung, die in Bonn unterbelichtet blieben.

Zu diesem Zweck hat die Kuratorin Werke aus dem Gurlitt-Depot in München geholt, die unter Verdacht stehen und noch nie öffentlich zu sehen waren.

Die Waterloo Bridge, gemalt von Monet.
Legende: Claude Monet: Waterloo Bridge, 1903. Mick Vincenz / Kunstmuseum Bern und Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH

Die zweite Berner Gurlitt-Ausstellung setzt gegenüber der Bonner Schau also durchaus eigenständige Akzente. Doll selbst spricht von einer «Zuspitzung» mit Blick auf die Thematik «der NS-Kunstraub und die Folgen».

Saaltexte im Grossformat schildern die Geschichte der Werke. Dazu erhalten die Ausstellungsbesucher eine Broschüre mit weiteren Informationen. Ein Fortschritt gegenüber der ersten Berner Ausstellung.

Video
Raubkunst im Kunstmuseum Bern
Aus News-Clip vom 18.04.2018.
abspielen. Laufzeit 1 Minute 13 Sekunden.

Rund 130 Werke sind im Kunstmuseum zu sehen, dazu eine Reihe von Dokumenten, etwa Gurlitts handgeschriebene Geschäftsbücher. Bekannte Gemälde wie Monets «Waterloo Bridge» hängen prominent an der Wand. Es gibt aber auch viel Mittelmass.

Liebhaber der klassischen Moderne

Hier wird Hildebrand Gurlitt als Kunsthändler fassbar. «Das war spannend beim Kuratieren», sagt Doll.

«In der ersten Ausstellung war Hildebrand Gurlitt der Verkäufer der ‹entarteten› Kunst, der Liebhaber der klassischen Moderne, der Museumsmann, der Gegenwartskunst ausgestellt hat. Hier bei der zweiten Ausstellung, ist er der Gurlitt, der 1933 zu handeln beginnt. Das tut er eben nicht allein mit Gegenwartskunst wie andere Galerien der Zeit.»

Ein Gemälde: Ein Mann sitzt in einem Gartenstuhl in einem Feld. Er hält eine Pfeife in der Hand.
Legende: Auguste Renoir: Porträt Victor-Henri Friedel, 1892. Mick Vincenz / Kunstmuseum Bern und Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland GmbH

Gurlitt handelt mit altdeutscher Malerei, mit Malerei des 19. Jahrhunderts, Landschaften, Porträts, was der Markt verlangt. Spätestens ab 1940, als er in den besetzen Gebieten Werke aufkauft, wird er zum Profiteur des NS-Kunstraubs.

Ein Teil der Ausstellung widmet sich dem zweifelhaften Wirken Gurlitts im besetzten Paris, zu sehen sind etwa Werke von Eugène Delacroix, die unter Raubkunstverdacht stehen. Und wohl auch bleiben werden. Denn offiziell ist die Erforschung des Gurlitts-Bestands in Deutschland abgeschlossen.

Futter für die Forschung

Hildebrand Gurlitt hat sein Wirken in den Kriegsjahren später vernebelt, als «Seiltänzerei» verharmlost. «Sie ist bezeichnend, die Figur des Seiltänzers, die er für sich entwirft», sagt Kuratorin Nikola Doll. «Beim Seiltanz geht es um die Balance, den unsicheren Grund, auch um Kunst, Akrobatik, es hat auch eine gewisse Leichtigkeit.»

Ausstellungshinweis

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«Bestandsaufnahme Gurlitt Teil 2 – Der NS-Kunstraub und die Folgen» im Kunstmuseum Bern ist vom 19.04. – 15.07.2018 zu sehen.

Auch in der Schweiz machte Hildebrand Gurlitt Geschäfte, womöglich sogar im grossen Stil. Ob er das Land auch als Absatzmarkt für Raubkunst nutzte? Und ob er tatsächlich ein Depot im Zollfreilager Basel besass, wie ein Brief suggeriert?

Die Ausstellung stellt diese Fragen, doch mehr als ein paar Indizien bietet sie nicht. Für profunde Recherchen habe die Zeit gefehlt, sagt Doll. Das aber heisst auch: Für die Forschung gibt es noch einiges zu tun.

Sendung: Radio SRF 2 Kultur, 18.4.2018, Kultur aktuell, 07:20 Uhr

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