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Die Ermordung des Commendatore Murakamis neues Buch ist ein Schauerroman in klinischem Weiss

Der neue Roman «Die Ermordung des Commendatore» von Haruki Murakami bietet alles, was sich die Fangemeinde wünschen kann: ein unheimliches Haus in den Bergen, ein verstörendes Meisterwerk auf dem Dachboden und ein Schmerz, der tief verschüttet liegt.

Der namenlose Ich-Erzähler ist eine typische Murakami-Figur: Er ist 36 Jahre alt und eigentlich ein begabter Künstler. Seinen Lebensunterhalt verdient er aber mit Auftragsporträts, und das Leben zieht langsam an ihm vorbei.

Eines Tages verkündet ihm seine Frau, sie lasse sich scheiden. Der Mann packt eine Tasche und fährt auf der Stelle davon. Nach einem langen Roadtrip durch Japan bezieht er ein Haus in den Bergen südlich von Tokio.

Wie es sich für einen Murakami-Helden gehört, gibt der Ich-Erzähler minutiös zu Protokoll, was er dort tut und was er sieht. Nur was er fühlt, bleibt ausgespart. Manchmal holt ihn der Schmerz ein wie ein Refrain: Die Erinnerung an den frühen Tod der Schwester überlagert sich mit der Sehnsucht nach der verlorenen Liebe.

Eine bedrohliche Atmosphäre

Es können noch so seltsame Dinge in dem einsamen Haus passieren: Der Erzähler nimmt alles hin, wie ein schweigsamer grosser Bruder von Alice im Wunderland.

Gerade dadurch erscheinen die merkwürdigen Geschehnisse noch viel rätselhafter: Der steinreiche Auftraggeber mit dem schlohweissen Schopf, der sich porträtieren lassen will, wirkt nicht einfach wie ein Exzentriker, sondern wie ein Untoter. Und ein Bild, das auf dem Dachboden auftaucht, scheint unkontrollierbare Geister aus der Vergangenheit wachzurufen.

Es gelingt Murakami meisterlich, von der allerersten Zeile an eine bedrohliche Atmosphäre zu schaffen. Zwischen den klaren, einfachen, perfekt aufgeräumten Sätzen tun sich Abgründe auf.

Man glaubt, alle Elemente der Geschichte im Blick zu haben. Und doch verwandeln sie sich unter den Augen der Leser in Gespenster. Der Roman wird immer mehr zu einem Schauerroman in klinischem Weiss.

Wenn ein Gemälde lebendig wird

Es ist faszinierend zu erleben, wie die Grenze zwischen Realität und Fantasie immer durchlässiger wird. Eine wichtige Rolle spielt dabei das Bild mit dem Titel «Die Ermordung des Commendatore».

Es zeigt, wie ein junger Mann einen älteren mit einem Schwert ermordet. Eine Gruppe von Figuren schaut dabei zu. Die Komposition trifft den Ich-Erzähler wie ein Blitz.

Zwischen ihm und dem Bild entsteht so etwas wie ein Blutkreislauf. Das führt dazu, dass der ermordete Commendatore aus dem Bild heraustritt und dem Ich-Erzähler gute Ratschläge für seine Malerei gibt – und sie funktionieren.

Ein Roman wie ein wohl komponiertes Bild

Der Protagonist betont immer wieder, dass nur Bilder – Farbe, Linien, Flächen – das Wesen der Dinge ausdrücken können, Sprache hingegen nicht. Doch Murakami beweist mit seinem Roman das Gegenteil.

Seine Sätze sind Linien, seine Erzählbögen Flächen, und alles zusammen ergibt ein wohl komponiertes Bild. Was es bedeutet, liegt in der Beziehung der einzelnen Elemente zueinander verborgen.

Zusammen mit der unheilvollen Atmosphäre macht die fieberhafte Suche nach einem Muster in diesem sonderbaren Bild von einem Roman die Spannung aus. Um ihm auf die Spur zu kommen, bleibt einem nichts anderes übrig, als auf den zweiten Band warten. Er erscheint Mitte April.

Buchhinweis

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Murakami, Haruki: «Die Ermordung des Commendatore». Band 1. Dumont, 2018.

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