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Literatur Hunter S. Thompson, der Reporter der Gegenkultur

Seine Reportagen sind persönlich, radikal wie noch bei keinem zuvor. Der bekennende Freund von Drogen, Alkohol und Waffen hat die Reportage verändert – und Literatur hinterlassen. Seine besten Geschichten gibt es nun erstmals gesammelt auf Deutsch: «Die Rolling Stone Jahre» von Hunter S. Thompson.

Mit einer Nahaufnahme aus dem Innenleben der «Hell‘s Angels» beginnt es. Ausgreifend, uferlos, radikal persönlich berichtet Hunter S. Thompson über die amerikanischen Rocker in Oakland, Kalifornien, am Ende der 60er Jahre. «Hell’s Angels» ist sein erster Reportage-Roman, ein Stück neue Literatur, das seinen Autor landesweit bekannt macht.

Seine Reportagen stehen nun im «Rolling Stone», dem US-Musikblatt, das den Stil einer ganzen Epoche prägen wird. Thompson arbeitet über drei Jahrzehnte für das Heft, aber er wird nie über Musik schreiben. Er findet etwas anderes: einen eigenen Sound, eine eigene Sprache für die kulturellen Brüche im Amerika jenes Jahrzehnts. Hunter S. Thompson ist der Reporter der Gegenkultur.

Mit Humor, Härte, Leidenschaft

Ein sehr böser Blick fällt auf die Verhältnisse, wenn Thompson über sie schreibt. Legendär sind seine Berichte über Richard Nixon und die monatelangen Wahlkampagnen dieser Jahre. Thompson schreibt «Real Time», lange vor der US-TV Serie «24». Er ist immer ganz nah am Geschehen, unmittelbar im Lauf der Ereignisse. Legendär auch seine Sottisen über das handelnde Personal, die Politiker und ihre Entourage, dem er mit grösster teilnehmender Verachtung folgt. Fakt und Fiktion gehen ineinander und das mit Humor, Härte, Leidenschaft.

Proträt von Hunter S. Thompson.
Legende: Thompson an der «Miami Book Fair», 1988. MDCarchives/Wikimedia

Hunter S. Thompson ist ein Freak, ein Typ wie aus einem Robert Crumb Comic. Ein Meister der Selbstinszenierung, der seine ausgedehnten Reportage-Reisen wie Feldzüge plant: «Rolling Stone»-Herausgeber Jann S. Wenner erzählt, wie der Reporter ein Quartier einrichten liess, um ungestört schreiben zu können. Es gab Rechercheure und Zuarbeiter, Mietwagen, Schreibmaschinen, Faxgeräte, Alkohol, Drogen: Alles musste bereit stehen.

Chroniken einer seltsamen Zeit

Und: Es hat sich gelohnt. Das ist der Eindruck, wenn man diese Reportagen heute wieder liest. Sie sind spannende Literatur, Chroniken einer seltsamen Zeit, die jetzt noch einmal so nahe rückt, als wäre sie gerade erst vergangen. Das Schreiben sei Musik, hat Hunter S. Thompson mal gesagt, und dass man seine Texte laut lesen solle. Musik von den «Doors» oder «Jefferson Airplane» ist immer im Kopf, wenn man seine Reportagen liest. Sie besitzen Klang und Haltung.

Thompson selbst war befreundet mit Musikern und Hollywood Stars wie Johnny Depp. Der spielt auch die Rolle des Autors in der Verfilmung der wohl berühmtesten Thompson-Story aus diesem Buch: «Fear and loathing in Las Vegas» («Angst und Schrecken in Las Vegas»).

Selbstmord mit 67

Ein Motorradrennen in der Wüste, bei dem es ausser viel Staub nichts zu sehen gibt, ist Anlass für das irrwitzige Porträt der Spielerstadt und für Drogenexperimente, die Thompsons Passion sind und bleiben. Interviews in eigener Sache hat er später nur wenige gegeben. Für die «Conan O‘Brien Show» macht Thompson im Sommer 1997 eine Ausnahme. Es wird ein skurriler Auftritt auf dem Gelände seiner Farm. Man wechselt ein paar Worte und verbringt die übrige Zeit im Freien mit harten Drinks und dem Versuch, auf Teddybären und Stoffpuppen zu schiessen.

Buch-Hinweis

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Hunter S. Thompson: «Die Rolling Stone Jahre», Heyne Verlag, 2012.

«Die Schlacht von Aspen», der erste Text der «Rolling Stone Jahre», handelt von Thompsons ernst gemeintem Versuch, für das Amt des Sheriffs in der Stadt zu kandidieren. Der letzte Text vom November 2004 geht noch mal über den Kampf ums «Weisse Haus». Drei Monate später beendet der grosse Exzentriker und Waffennarr sein Leben mit einer Waffe, einer 45er, an seinem Schreibtisch in Aspen, Colorado.

«Ich würde nie jemandem zu Drogen, Alkohol, Gewalt oder Wahnsinn raten, aber für mich hat es immer funktioniert.» Das ist sein Schlusswort.

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