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Literatur Mehr Punk, mehr Zorn, mehr Liebe!

Jaroslav Rudiš ist Tscheche, Schriftsteller und Musiker. Das spürt man, wenn man sein jüngstes Buch liest. «Vom Ende des Punks in Helsiniki» ist eine Ode an die Punkmusik und eine eindringliche Liebesgeschichte.

In einer schnellen, rhythmischen Sprache erzählt Jaroslav Rudiš in seinem Roman «Vom Ende des Punks in Helsinki», was aus den jungen Punks der DDR und der Tschechoslowakei geworden ist. 25 Jahre nach dem Berliner Mauerfall. Dabei zeigt Rudiš, wie damals westliche Musik – Rock und Punk – für die jungen Menschen im Ostblock Freiheit und Identifikation bedeutete.

Genug vom Leben und von Frauen

Jaroslav Rudis trägt Kopfhörer um den Hals und eine Brille. Hinten ist eine Wand mit Graffitis.
Legende: In Jaroslav Rudiš' Roman wird der Leser zum stillen Beobachter. Petr Hlousek

Die Hauptfigur im Roman ist Ole. Ole ist ein Alt-Punk, knapp 40 und gehört nicht zu den Gewinnern der Wende. Jeden Morgen wirft er sich «eine Tablette gegen den Tod ein» und hält sich als Barbesitzer in Leipzig wacker auf den Beinen. Wenn er nicht gerade zu viel Bier getrunken hat.

Doch eigentlich hat er schon lange genug vom Leben. Aber am meisten hat er genug von den Frauen. Als seine Bar, das «Helsinki», geschlossen wird, weil das Gebäude einzustürzen droht, hat Ole nichts mehr zu verlieren. Er macht sich auf an den Ort seiner Jugend, an dem ihm sein Leben abhanden gekommen ist. Am legendären Konzert der Toten Hosen in Pilsen in der ehemaligen Tschechoslowakei am 15. September 1987.

Ein legendäres Punk-Konzert

Jaroslav Rudiš erzählt in Rückblenden, was Ole damals in Pilsen erlebt hat. Wie es für ihn keine Frage war, aus der DDR über die Grüne Grenze in die Tschechoslowakei illegal einzureisen, nur um an diesem ersten Konzert der Düsseldorfer Punkband im Ostblock dabei sein zu können.

Ein Konzert, das zur Legende wurde, weil es zu einer heftigen Keilerei zwischen Polizisten, Punks und Bandmitgliedern kam. Das ist rückblickend nicht erstaunlich, wenn man bedenkt, dass die Toten Hosen Stücke wie «Disco in Moskau» mit dem fast schon prophetischen Songtext gespielt haben: «Das Ende ist nah für Lenin und Marx.» Und das zwei Jahre vor der Wende.

Buchhinweis

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Jaroslav Rudiš: «Vom Ende des Punks in Helsinki», Luchterhand, 2014.

Ein trostloses Leben

Doch Rudiš wäre nicht Rudiš, wenn er es dabei belassen würde. Seine persönliche Perspektive als Tscheche löst er mit einer weiteren tragenden und tragischen Romanfigur ein. Nancy ist ein tschechisches Punk-Mädchen, das nach diesem legendären Konzert in Pilsen auf der Flucht vor der Polizei stirbt.

Geschickt hält Rudiš den Rückblenden von Ole Tagebucheinträge von Nancy entgegen, die sich auch optisch kursiv vom Lauftext abheben. Tagebucheinträge, die aufzeigen, wie trostlos und perspektivenlos Nancy ihr Leben in der tschechoslowakischen Provinz nahe der ostdeutschen Grenze fand.

Der Leser als stiller Beobachter

Durch zwei verschiedenen Erzählstränge – einerseits von Ole, andererseits von Nancy – wird man beim Lesen ein unmittelbarer, stiller Beobachter. Und sieht, wie sich die Lebenswege dieser beiden Figuren aufeinander zu bewegen, sich kreuzen und wieder auseinandergehen. Und dabei löst Rudiš erst am Ende des Romans auf, woher die Tagebucheinträge von Nancy stammen und wie Ole in ihren Besitz gekommen ist.

«Vom Ende des Punks in Helsinki» ist nicht nur eine Ode an die Punkmusik, mit der Botschaft «etwas mehr Zorn, etwas mehr Punk» im Alltag zuzulassen. Es ist eine eindringliche und ergreifende Liebesgeschichte, die endlich ein Ende findet und einen Neustart ermöglicht.

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