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Netzwelt Wer wen wo geliebt und getötet hat: Interaktive Literaturkarte

Die Schweiz ist Gast an der Buchmesse Leipzig. Im Gepäck: eine literarische Landkarte, die die deutschen Nachbarn neugierig machen und die belesenen Schweizer überraschen soll. Die Website ermöglicht spannende Zugänge. Allerdings könnte sie etwas aufgeräumter sein.

Heute Lust auf Liebe? Darf es eine erfüllte oder eher eine unerfüllte sein? Eine erotische Szene, oder ist Ihnen heute eher nach Trennung? Jede der vier Kategorien hat ein anderes Herzemblem auf der Schweizer Landkarte, auf der literarische Liebesszenen verortet werden. In der Nähe des Zürichsees finden sich viele Herzen. Etwas abseits steht «Weber», neben einem vollen Herz, einer erfüllten Liebe.

Wer über den Namen fährt, lernt Peter Weber und sein Buch «Silber und Salbader» (1999) kennen. Die Figuren Pina Vaser und Wendelin Selb haben das alte Kurhotel Rose in Baden übernommen, füllen es mit Musik und führen es zu neuer Blüte. Mit einem Klick auf das Infofenster landet der User direkt bei den Beiden im Bett: «Ich vergrabe mich ganz in ihre dicken schwarzen, bläulich glänzenden Haare, rieche mich satt. Wir haben uns abends ordnungsgemäss quellnah geküsst.» Alle Autoren-Steckbriefe sind gleich aufgebaut: ein Auszug aus dem Buch, Informationen zu Autor und Werk, eine Beschreibung des Schauplatzes.

Eine breite Auswahl von Autoren

Leipziger Buchmesse

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Vom 13. bis 16. März findet die Leipziger Buchmesse statt. Der diesjährige Schwerpunkt ist der Schweizer Literaturszene gewidmet: Auf der Website Auftritt Schweiz präsentiert der Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verband SBVV eine umfassende Übersicht zu Veranstaltungen und Projekten.

Es ist nicht die erste literarische Landkarte, die die Literaturwissenschaftlerin Barbara Piatti mitgestaltet hat. Sie hat zuvor am Forschungsprojekt «Ein literarischer Atlas Europas» der ETH gearbeitet. Das gleiche Team hat jetzt literatur-karten.ch realisiert. Piatti war für die Inhalte verantwortlich. Ihre erste Aufgabe war es, wichtige österreichische und deutsche Autoren mit Schweiz-Bezug zusammenzustellen. Dann galt es, nochmals gleichviele Schweizer Literaturschaffende auszuwählen. Ihre Kriterien schildert Piatti ausführlich auf der Website.

Insgesamt 130 Autoren werden auf der Website vorgestellt. Oberstes Ziel sei aufzuzeigen, dass die Schweizer Literatur nicht isoliert dasteht. «Sie ist Teil eines grossen Kulturensembles», so Piatti. Am wichtigsten ist ihr, dass die Karten einen ungewöhnlichen Blick auf das Literaturschaffen ermöglichen. Das gelingt: Über die verschiedenen Karten ergeben sich Reisen durch Raum und Zeit. Hier stehen Autorennamen nebeneinander, die sonst kaum je gemeinsam auftauchen. «Literarische Nachbarschaften» nennt Piatti das.

Diese Website ist nicht ausgereift

So verführerisch die Website inhaltlich ist, so deutlich sind ihre Mängel bei der Bedienung. Im Internet Explorer, nach wie vor einer der verbreitetsten Browser in der Schweiz und auch in Deutschland, sind die Literaturkarten nicht funktionsfähig. Enttäuschend, besonders auch, weil die Website nicht nur von der Schweizer Botschaft, sondern auch von der Kulturstiftung prohelvetia und Schweiz Tourismus finanziert wurde.

Aber auch wer mit Safari, Firefox oder Chrome surft, stösst bald auf Unzulänglichkeiten. Neben den Literaturlandkarten werden die Inhalte auch in den Rubriken Schauplätze, Orte und Autoren aufgelistet. Wer aber seinen Lieblingsautoren in der Liste findet, gelangt von da nicht direkt auf seinen Steckbrief. Wer einen bestimmten Autoren auf der Übersichtskarte sucht, muss sich auf sein Adlerauge verlassen. Solche Navigationsschwierigkeiten trüben das Surf-Glück. Dazu kommen viele kleine Fehler. Ein Beispiel: Wer in der Ortsliste auf «Alpen» klickt, landet auf der Übersichtskarte nur in der Südwestschweiz. Diese Website ist im Detail nicht ausgereift, die Inhalte sind zu wenig miteinander verwoben.

Literatur-karten.ch zeigt neue Wege durch die Schweizer Literaturlandschaft auf. Die Website bietet einen ungewohnten Zugang und viel zu entdecken. Denen, die von den vorgesehenen Pfaden abweichen und sich eigene Wege bahnen, werden aber Steine in den Weg gelegt.

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