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Norweges ehrgeizige Pläne
Aus Rendez-vous vom 09.05.2019.
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CO2-Speicher im Meeresboden Norwegen, der CO2-Mülleimer Europas?

Norwegen möchte Treibhausgas unter der Nordsee entsorgen. Die Methode ist nicht ganz uneigennützig.

Die Erderwärmung stoppen kann man, indem man weniger CO2 ausstösst – oder indem man das Treibhausgas einfach entsorgt. Einige Forscher schlagen darum vor, das Treibhausgas im Boden einzulagern. Norwegen hat mit dieser Methode schon erste Erfahrungen gemacht.

In einem ersten Schritt soll das CO2 aus den Abgasen einer Zementfabrik und einer Kehrichtverbrennung herausgefiltert und per Pipeline und Tankschiff zu einer Sammelstation an der Nordseeküste gebracht werden. Von dort wird es über eine weitere Pipeline zum Meeresboden verfrachtet und über ein Bohrloch über 1000 Meter tief in eine Gesteinsschicht hineingepresst. Das poröse Gestein ist von Salzwasser durchsetzt und bietet Platz für das CO2.

Das Ziel des Pariser Klima-Abkommens könnte erreicht werden

Vor Kurzem hat das norwegische Parlament 35 Millionen Franken für diese erste Phase freigegeben. Im Herbst beginnt vor der Westküste Norwegens die Bohrung für das CO2-Lager, sagt Mona Mølnvik vom norwegischen Forschungsinstitut Sintef, das die Entwicklung des Projekts unterstützt.

«Das Bohrloch bietet so viel Kapazität, dass noch weitere Industrie-Anlagen ihr Abgas dort entsorgen können», – norwegische Firmen oder solche in anderen Anrainerstaaten der Nordsee. Bereits gibt es Verhandlungen mit einer Raffinerie in Schweden.

Die CO2-Speicherung, CCS genannt, sei nötig, um das 1.5- bis 2-Grad-Ziel des Pariser Klima-Abkommens zu erreichen, sagt Mølnvik. Das bestätigt Marco Mazzotti von der ETH Zürich. Er forscht ebenfalls an CCS, ist am norwegischen Projekt aber nicht beteiligt.

Norwegen als Öl- und Gas-Produzent profitiert

Warum will Norwegen zur CO2-Deponie Europas werden? Mona Mølnvik erklärt: «Norwegen als Produzent von Öl und Gas sucht Wege, wie diese Ressourcen auch in Zukunft genutzt werden können.» CCS mache das möglich.

Am Projekt beteiligt sind denn auch der norwegische Ölkonzern Equinor, Shell und Total. Die fossile Industrie sucht den Weg in eine Zukunft mit Klimaschutz – aber auf ihre Weise.

Sie setzt auf Erdgas für die Stromerzeugung und auf die Produktion des Energieträgers Wasserstoff – ebenfalls aus Erdgas. In beiden Fällen kann man das anfallende CO2 einfangen und endlagern.

Genug Platz?

Allerdings stellen sich dabei viele Fragen. Zum Beispiel, ob es genügend Speichermöglichkeiten gibt für die gigantischen Mengen an CO2, die anfallen werden. Dies bejahen viele Experten.

Dann die Frage nach dem Preis: Noch ist CCS zu teuer für den Alltag. «Doch dies wird sich mit zunehmender Erfahrung ändern», sagt Marco Mazzotti von der ETH.

Bleibt die Frage nach der Sicherheit – wie dicht sind die Lagerstätten im Untergrund? Kritiker finden, man könne kaum beweisen, dass das Gas nicht irgendwann doch aus dem Untergrund entweiche.

Besser im Boden als in der Luft?

Mona Mölnvik verweist auf die Erfahrung, die Norwegen mit CCS hat: «Norwegen hat die Technik in den 1980er-Jahren erfunden und wendet sie seit 1996 an».

Es geht dabei um die Förderung von Erdgas, das natürlicherweise mit CO2 versetzt ist. Dieses CO2 wird abgetrennt und im Untergrund entsorgt. Seit über 20 Jahren funktioniere das tadellos.

Man könne die Risiko-Frage auch so betrachten: Bisher stiessen wir so gut wie alles CO2 direkt in die Luft aus. Verglichen damit sei ein kleines Leck in einem Untergrundspeicher viel weniger gefährlich. Ob dieses Argument genügt, um die Kritiker und die Öffentlichkeit zu überzeugen, wird sich zeigen müssen.

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