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Rembrandt malt wieder
Aus Kulturplatz vom 11.05.2016.
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Kunst aus dem 3D-Drucker Mischen Algorithmen bald den Kunstmarkt auf?

Der jüngste Rembrandt kommt aus dem 3D-Drucker. Können Computer schöpferisch sein? Ein Kunsthistoriker klärt auf.

Eine Meldung aus den Niederlanden machte in dieser Woche Schlagzeilen: In einer Amsterdamer Galerie wurde ein neues Gemälde präsentiert. Es zeigt einen Mann mit schwarzem Hut und weitem, weissem Kragen, der den Betrachter direkt anblickt. Es könnte ein echter Rembrandt sein – das Bild kommt aber aus dem Computer.

KI im Alltag

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Künstliche Intelligenz ist längst Teil unseres Alltags: Diese Beispiele zeigen, was es gibt und wo es hingeht.

Forscher der Technischen Universität Delft haben in Zusammenarbeit mit dem Rembrandthuis und Microsoft einen Computer die Bilder von Rembrandt analysieren lassen und ihn, gefüttert mit diesen Daten, ein neues Gemälde erstellen lassen. Was bedeutet diese Entwicklung mit dem Kunstmarkt? Einschätzungen von Kunsthistoriker Wolfgang Ullrich.

SRF: Kann eine künstliche Intelligenz schöpferisch sein?

Wolfgang Ullrich: Ich glaube schon. Die Frage ist, wie wir das als Menschen bewerten. Gut möglich, dass Versionen oder Stile entwickelt werden, die einen Nerv treffen und dann Verbreitung finden.

Zurzeit ist aber nur zu beobachten, dass auf künstlichem Wege Stile nachgebildet werden, die es bereits gibt. Dass auch Künstler zu programmieren beginnen und Algorithmen entwickeln, kann ich mir vorstellen. Mit dieser Technik können noch nicht vorhandene Stile neu geschaffen werden.

Zur Person

Wolfgang Ullrich, geb. 1967, ist Kunsthistoriker und
Medientheoretiker. Von 2006 bis 2015 war er Professor an der Staatlichen
Hochschule für Gestaltung in Karlsruhe. Er lebt und forscht als freier
Autor in Leipzig.

Bei Kunst spricht man oft von einer Präsenz, die von den Werken selbst ausgeht, von einer Seele, die ihnen innewohnt. Hat die Rembrandt-Kopie eine Seele?

Bilder sind Artefakte, materielle Objekte und nicht etwas, was lebt. Das, was wir als die Seele eines Kunstwerks bezeichnen, wird vom Betrachter hineinprojiziert. Vielleicht ist da etwas, was wir wiedererkennen, was uns persönlich berührt oder in eine Stimmung versetzt.

Dafür braucht es nicht unbedingt einen menschlichen Schöpfer. Wir können auch gegenüber Phänomenen der Natur starke Emotionen empfinden. Das sind keine vom Mensch geschaffenen Dinge. So könnte das auch mit Artefakten passieren, die durch eine künstliche Intelligenz entstehen.

Es entstehen Bilder, die in Konkurrenz stehen zu dem, was die Kunstgeschichte hervorgebracht hat.

Treten die künstliche Intelligenz und der Maler damit in einen Konkurrenzkampf?

Auf jeden Fall. Ob das dann noch Malerei ist und ob man in einem weiteren Schritt künstliche Intelligenz noch daraufhin schult, Ölfarben zu benutzen, bezweifle ich. Aber dass Bilder entstehen, die in Konkurrenz stehen zu dem, was die ganze Kunstgeschichte hervorgebracht hat, das halte ich für wahrscheinlich.

Das Auge auf einem Rembrandt-Gemälde mit Zahlen und geometrischen Formen darauf.
Legende: Die Vermessung der Kunst: Ein Rembrandt Gemälde wird analysiert. thenextrembrandt

Wo sehen Sie das Potential der Algorithmus-Kunst?

Oft war man der Überzeugung, in der Geschichte hätte es schon alle Stile gegeben, als sei schon alles gemalt und dargestellt worden, was darstellbar ist. Bis wieder eine Generation das Gegenteil bewies. Eine ähnliche Hoffnung kann man heute gegenüber der künstlichen Intelligenz haben. Vielleicht werden noch einmal andere Bildwelten entwickelt, die uns wieder neu ins Staunen versetzen.

Wie sieht es mit Kunstwerken aus, die im Krieg verloren gegangen sind?

Das könnte eine interessante Nutzungsform sein, sofern noch genügend Datenmaterial über die verloren gegangenen Werke vorhanden ist. Etwa Schwarz-Weiss-Fotos.

Der aktuelle Kunstmarkt wird nicht automatisch durch die Algorithmus-Kunst entwertet.

Warum tut sich die Kunstwelt schwer mit dieser Art von Kunst?

Der Kunstmarkt ist eine empfindliche Grösse, und allein die Vorstellung, dass es vielleicht künftig eine Art von Kunst gibt, die nicht mehr über den klassischen Begriff von Original zu verkaufen ist, kann die Kunsthändler nervös machen.

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Ein weiteres Potential dieser Technik liegt darin, dass es keine wertvollen Unikate mehr gibt, sondern nur Bildmuster, die man beliebig oft reproduzieren und nachfrageorientiert auf den Markt bringen kann. Und dass diese Aura der Knappheit und des Seltenen nicht mehr gegeben ist.

Wird die Algorithmus-Kunst den Kunstmarkt schon bald aufmischen?

Ich glaube nicht, dass die Bilder, die wir vom Kunstmarkt kennen, automatisch durch die Algorithmus-Kunst entwertet würden. Es wird nach wie vor Werke geben, die wertvoll bleiben, weil sie eben Unikate sind, weil sie eine spannende Geschichte haben oder weil sie von einem Künstler stammen, den man sehr verehrt.

Ich kann mir aber vorstellen, dass Leute, die bisher nicht in der Lage waren, sich in den Kunstmarkt einzubringen, nun in der Lage sind, sich zu einem erschwinglichen Preis Kunst zu erwerben. Noch sind die Techniken aber noch nicht so weit entwickelt, dass solche Bilder preiswert zu haben sind.

Das Gespräch führte Andrea Meier

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