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Der chinesische Premier Li und sein ungarischer Amtskollege Orban
Legende: Der chinesische Premier Li und sein ungarischer Amtskollege Orban betonten die gemeinsamen Perspektiven. Reuters
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China investiert in Osteuropa Peking umgarnt die Problemkinder der EU

Ernsthafte Möglichkeiten für die Region verspricht sich Ungarns Regierungschef Orban. Andere wittern ernsthafte Probleme für die EU.

«Die Zusammenarbeit zwischen China und den Ländern Mittel- und Osteuropas beruht auf wechselseitigem Vorteil», sagte der chinesische Ministerpräsident Li Keqiang gestern in Budapest. Dort traf sich Li mit 16 mittel- und osteuropäischen Amtskollegen. Im Mittelpunkt der Gespräche standen Infrastrukturprojekte in der Region.

«Das Erstarken der chinesischen Wirtschaft birgt ernsthafte Möglichkeiten», verkündete der ungarische Regierungschef Viktor Orban. Die Region brauche Technologien und Finanzierungen von aussen, um weiter wachsen zu können. Die europäischen Ressourcen würden dafür nicht mehr ausreichen.

Wer chinesische Investitionen anziehen möchte, muss bei Menschenrechtsfragen mehr oder weniger schweigen.
Autor: Urs BrudererOsteuropa-Korrespondent von SRF

Eines der Hauptprojekte Pekings ist der geplante Ausbau der Eisenbahnverbindung zwischen dem griechischen Hafen Piräus und Budapest. Die Verbindung ist ein Kernstück der neuen Seidenstrasse und soll es erleichtern, chinesische Waren über den Balkan und Ungarn in den kaufkräftigen Westen Europas zu bringen.

Geld und Macht

Das alles klingt tatsächlich nach wirtschaftlicher Zusammenarbeit zum «wechselseitigem Vorteil». Für Urs Bruderer ist aber klar: «Es geht wohl aber um mehr als um Handel», so der Osteuropa-Korrespondent von SRF.

Viele Beobachter vermuteten, dass China auch politische Verbündete suche: «Es kauft sich gewissermassen Einfluss mit dieser Initiative. Die Profiteure des chinesischen Geldes müssten demnach auf dem internationalen Parket chinesische Interessen vertreten oder zumindest nicht verletzen.»

Chinesisches «Schweigegeld»?

Ein Muster davon, dass eine «gewisse Zurückhaltung» in chinesischen Angelegenheiten erwünscht ist, gab es zuletzt in Tschechien. Das Land sei lange ein Freund Tibets gewesen, erinnert Bruderer. Der ehemalige Präsident Vaclav Havel habe sich gut mit dem Dalai Lama verstanden. Nun weht aber ein anderer Wind.

Letztes Jahr erlaubte sich der tschechische Kulturminister, das geistige Oberhaupt der Tibeter in Prag zu empfangen: «Prompt gab es ein Reklamationsschreiben der chinesischen Regierung. Das war beinahe eine Drohung, dass man nicht mehr interessiert an einer Zusammenarbeit sei», sagt Bruderer.

Die Teilnehmer des 16+1-Treffens

Neben China und Gastgeber Ungarn nahmen an dem Gipfel folgende Länder teil: Albanien, Bosnien-Herzegowina, Bulgarien, Kroatien, Tschechien, Estland, Lettland, Litauen, Mazedonien, Montenegro, Polen, Rumänien, Serbien, Slowakei und Slowenien. Die sogenannten 16+1-Treffen finden seit 2012 jährlich in jeweils wechselnden Hauptstädten Mittel- und Osteuropas statt.

Die tschechische Regierung reagierte mit «einer Art offiziellen Entschuldigung, unterschrieben von den vier höchsten Männern Tschechiens», so Bruderer. Für den Osteuropa-Korrespondenten zeigt die Episode: «Wer chinesische Investitionen anziehen möchte, muss bei Menschenrechtsfragen mehr oder weniger schweigen.»

Dass China seine Fühler nach Osteuropa ausstreckt, lässt bei manchen Kommentatoren die Alarmglocken schrillen. «Die EU lässt sich von China spalten», titelt heute etwa die «Welt». Die deutsche Zeitung spielt damit auf die zunehmende Entfremdung zwischen Ost- und Westeuropa an: Wo Berlin und Brüssel auf rechtsstaatliche Prinzipien und Menschenrechte pochten, packe Peking den Geldkoffer aus.

«Beunruhigende Zeichen»

Auch Bruderer ist der Ansicht, dass Chinas wirtschaftliches Engagement politische Folgen zeitigen könnte. Gleichzeitig relativiert er den chinesischen Einfluss. In Budapest war gestern von drei Milliarden Euro die Rede, die China in den 16 Ländern investieren möchte. «Allein die EU will in den laufenden sieben Jahren über Infrastrukturfonds ein Vielfaches davon ausgeben – nur schon in Polen werden 86 Milliarden Euro erwartet.»

Allerdings: Wie die «Financial Times» gestern berichtete, sollen osteuropäische EU-Mitglieder Bemühungen hintertreiben, eine gemeinsame europäische Handelsposition zu entwickeln: «Hinter verschlossenen Türen sollen sie demnach hin und wieder wie eine Art Lobbyisten für chinesische Interessen auftreten. Wenn das stimmt, ist das natürlich ein beunruhigendes Zeichen», schliesst Bruderer.

Urs Bruderer

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Portrait von Urs Bruderer

Der Journalist wirkt seit 2006 für SRF, zunächst als Produzent der Sendung «Echo der Zeit». 2009 wurde er EU-Korrespondent in Brüssel. Seit 2014 berichtet Bruderer aus Osteuropa. Er hat Philosophie und Geschichte studiert.

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