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Rauchende Kamine einer Kohlefabrik in China
Legende: Eine Kohlefabrik in China. Das Land gehört zu den grössten CO2-Emittenten der Welt. Reuters
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International Das Klima wandelt sich – der Mensch nicht

Klimagipfel nach Klimagipfel scheitert. Der Mensch versagt dabei, den selbstverursachten Klimawandel zu stoppen. Stattdessen macht er weiter wie bisher. Soziologe Axel Franzen erklärt, warum das eigentlich eine vernünftige Entscheidung ist.

«SRF News Online»: Warum schaffen die Menschen nicht die Umkehrung vom Klimawandel?

Axel Franzen: Ein effektiver Klimaschutz kann nur erreicht werden, wenn alle Nutzer sich an CO2-Einsparungen beteiligen. Weil jeder Akteur dies weiss, hat jeder einen Anreiz, den Klimaschutz  den anderen Parteien zu überlassen und selbst nur wenige Reduktionskosten zu tragen. Das Ergebnis dieses Handlungsdilemmas ist, das die Verfolgung der Eigeninteressen der Akteure zu irrationalen und ungewollten Konsequenzen führt, in diesem Fall zur Klimaerwärmung.

Gibt es eine wissenschaftliche Erklärung für dieses Verhalten?

In der Spieltheorie gibt es ein bekanntes Handlungsparadox. Es beschreibt eine Situation in der zwei rationale Spieler durch ihre am Eigennutz orientierten Entscheidungen sich beide schlechter stellen als wenn sie sich uneigennützig verhalten hätten. Man kann daran sehen, dass auch vernünftige Entscheidungen von einzelnen Individuen zu irrationalen kollektiven Ergebnissen führen können. Das ist eine sozialwissenschaftliche Erklärung.

Trotzdem greifen die Menschen vermehrt zu Produkten, die ökologischen Standards entsprechen.

Der Kauf von ökologischen Produkten z.B. im Lebensmittelbereich fällt den Individuen leichter als auf den Verbrauch von fossilen Energieträgern zu verzichten. Bei vielen ökologischen Produkten sind die Mehrkosten im Vergleich zu einem konventionellen Produkt häufig gering. Viele Konsumenten glauben darüber hinaus, dass ökologisch hergestellte Produkte gesünder sind als konventionelle Lebensmittel. Einerseits werden also durchaus umweltgerechte Verhaltensweise gezeigt, vorwiegend dann, wenn sie nur mit geringen Kosten verbunden sind. Andererseits fahren die meisten Menschen in den industrialisierten Ländern aber auch Auto und weichen dabei eher selten auf verbrauchsgünstige Fahrzeuge aus. Bei Kleinwagen wiegen die Einbussen an Komfort und Prestige eben häufig schwerer als der Umweltschutz. 

Wie kann das geändert werden?

In kleinen überschaubaren Gruppen kann Kooperation auch durch soziale Anreize erreicht werden. Die Individuen sind dort hinreichend vernetzt und können so ihr Verhalten gegenseitig beobachten. In solchen Situationen muss der Staat dann nicht eingreifen. Beim globalen Klimaschutz führt das Vertrauen in die Freiwilligkeit zur Umweltzerstörung.

Wenn Freiwilligkeit nicht funktioniert: was dann?

Die Bereitstellung und Pflege von öffentlichen Gütern ist Aufgabe des Staates. Die Staaten müssen die Anreize für die beteiligten Akteure so setzen, dass CO2-Einsparungen im unmittelbaren Selbstinteresse der Akteure liegen.

Selbstinteresse heisst in diesem Fall finanzielles Interesse?

Ja. Der Schaden und die Kosten die diese CO2-Emissionen verursachen sind in der Regel nicht oder nur unzureichend im Preis enthalten. Die externen Kosten müssen daher durch die Setzung von staatlichen Rahmenbedingungen übernommen werden.

Wie könnten solche Rahmenbedingungen aussehen?

Der Staat kann z.B. eine CO2-Steuer auf jede Tonne fossile Energie erheben und so über den Preis die Nachfrage senken. Eine andere Möglichkeit ist, dass die Emittenten von CO2 sogenannte Verschmutzungsrechte erwerben müssen und diese handeln können. Unternehmen mit einem hohen Bedarf an CO2-Ausstoss müssten dann viele Verschmutzungsrechte erwerben und werden dadurch zum Sparen motiviert, weil der Zukauf Kosten verursacht.

Unternehmen, denen es gelingt viel CO2 einzusparen, könnten ihre Verschmutzungsrechte verkaufen. Das Problem beim globalen Klima ist natürlich, dass diese Lösungen von allen Ländern eingeführt werden müssen.

Video
Der Klimagipfel von Doha
Aus Tagesschau vom 08.12.2012.
abspielen. Laufzeit 1 Minute 4 Sekunden.

Wie können «Unwillige» wie die USA, China oder Indien überzeugt werden, den CO2-Ausstoss einzudämmen?

Die EU muss es schaffen, die grössten Handelspartner davon zu überzeugen, ebenfalls einen Zertifikatmarkt zu gründen oder dem europäischen Zertifikathandel beizutreten. Wir brauchen so etwas wie eine «Koalition der Willigen». Wenn sich die Handelspartner langfristig weigern, müsste die EU entsprechende Konsequenzen androhen.

Welche Drohung könnte Wirkung erzielen?

Eine Drohung könnte in der Ankündigung bestehen, auf Importe von Ländern, die sich nicht an CO2-Reduktionen beteiligen, entsprechende Importzölle zu verhängen. Eine solche Ankündigung erfordert allerdings sehr viel diplomatisches Geschick, denn sie sollte ja nicht zu einem Handelskrieg führen.

Diplomatisches Geschick erfordert Zeit. Die läuft dem Menschen aber davon.

In Europa funktioniert der CO2-Handel bereits ganz gut. Als nächstes müssen die grössten Emittenten – USA und die BRICS-Staaten (Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika)  – davon überzeugt werden, sich an der Einführung von handelbaren CO2-Emissionsrechten zu beteiligen. Den Entwicklungsländern muss dabei eine gewisse Übergangszeit, vielleicht  2-5 Jahre, zugestanden werden.

Welchen Sinn haben die Klimagipfel?

Die Weltklimakonferenzen der letzten Jahre haben gezeigt, dass die Staatengemeinschaft keine Einstimmigkeit erreichen konnte. Das Bemühen um eine Lösung aller 194 Teilnehmerstaaten muss deshalb als gescheitert bezeichnet werden. Meiner Meinung nach sollte die EU zusammen mit Staaten, die ein ernsthaftes Interesse am Klimaschutz haben, eine «Koalition der Willigen» gründen. Diese Gruppe von Ländern sollte sich dann jedes Jahr zu einem Gipfel treffen und  weitere Länder zum Mitmachen bewegen. Vielleicht können die »Klimaschützer« Handelsprivilegien vereinbaren, so dass der Beitritt zur Gruppe der Klimaschützer attraktiv wird.

Klimaschutz-Rangliste von Germanwatch

1.-3.Nicht vergeben
4.Dänemark
5.Schweden
6.Portugal
7.Schweiz
8.Deutschland
9.Irland
10.Grossbritannien
43.USA
54.China
61Saudi-Arabien

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Zur Person

Axel Franzen ist Professor für Soziologie an der Universität Bern. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören Methoden und Statistik, Spieltheorie und Umweltsoziologie.

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