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Proteste in Rumänien gehen weiter
Aus News-Clip vom 05.02.2017.
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Dekret zurückgezogen Ein Sieg für die rumänische Zivilgesellschaft

Die Regierung hat die Verordnung zur Lockerung der Anti-Korruptionsgesetze zurückgezogen – nach tagelangen Protesten.

Rumäniens Regierung hat zwar nachgegeben, doch viele Menschen gehen dennoch weiter auf die Strasse. Die Demonstranten draussen vor dem Regierungssitz glauben denen drinnen nicht. Statt eines Eildekrets kommt jetzt ein Gesetz im Parlament, vermuten viele.

Tausende protestieren

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Trotz der Rücknahme des Dekrets haben landesweit fast 500'000 Personen gegen die rumänische Regierung demonstriert. Allein auf dem Siegesplatz im Zentrum der Hauptstadt Bukarest waren es laut Medienberichten 200'000 bis 300'000. Sie kündigten an, das weitere Vorgehen der Regierung genau zu beobachten.

«Diese Regierung wird alles tun, um ihre Diebe und korrupten Politiker aus dem Gefängnis zu bringen», meint ein Demonstrant. Er will darum demonstrieren, bis Rumänien eine neue Regierung bekommt. Viele denken so.

Seien wir fair, widerspricht ein anderer. «Die haben die Wahlen klar gewonnen. Nur sollen sie jetzt auch fair regieren.» Doch allmählich schlägt der Protestlärm um in Siegesjubel.

«Verzweifelte Massnahmen»

Zu Recht, sagt Radu Magdin, ein Polit-Analyst, der den regierenden Sozialdemokraten nahe steht. «Die haben es völlig vermasselt und alle gegen sich aufgebracht», so Magdin. «Denn auch in den Augen ihrer Anhänger ging es hier nicht um eine gerechte Sache.»

Der Parteichef habe offenbar geglaubt, er könne Verordnungen durchpeitschen, von denen er selber, sowie korrupte und inhaftierte Mitglieder profitieren würden, ohne dass es jemand merke. Hinter diesem Glauben stand die Verzweiflung. «Für viele Sozialdemokraten ging es um verzweifelte Massnahmen in verzweifelten Zeiten», sagt Magdin. «Denn einige befürchten, dass sie ins Gefängnis kommen.»

Gute Manieren zählen

Diese Leute der alten Schule hätten eben immer noch nicht begriffen, dass der Kampf gegen die Korruption in Rumänien inzwischen ernst und effizient geführt werde.

Ein Problem, das nicht nur die Sozialdemokraten betrifft, meint Magdin: «Unsere ganze politische Klasse hat immer noch nicht begriffen, dass es inzwischen auf gute Manieren ankommt, dass man gewisse Dinge gar nicht erst probiert.»

Die Ironie der Geschichte ist dabei, dass die Pläne der Regierung, Häftlinge vorzeitig zu entlassen und den Tatbestand des Amtsmissbrauchs zu überarbeiten, nicht nur schlecht wären. «Problematisch war weniger der Inhalt, als die Art und Weise des Vorgehens» so Magdin.

Nur einige Interessen im Blick

Die Juristin Laura Stefan arbeitet für den renommierten Think Tank «Expert Forum» auf dem Gebiet der Korruptionsbekämpfung. Sie sieht es genau gleich wie der den Sozialdemokraten nahestehende Analyst Magdin. Amtsmissbrauch zu entkriminalisieren wäre zwar keine gute Sache, sagt sie. «Aber die Proteste richteten sich vor allem dagegen, wie sie es getan haben.»

Der Tatbestand des Amtsmissbrauchs wird von den rumänischen Korruptionsjägern wie eine Allzweckwaffe eingesetzt. Das wäre eine Debatte wert. Und dann vielleicht eine Gesetzesänderung. Doch die Regierung hatte vor allem die Interessen einiger ihrer Leute im Auge.

Urs Bruderer

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Der Journalist wirkt seit 2006 für SRF, zunächst als Produzent der Sendung «Echo der Zeit». 2009 wurde er EU-Korrespondent in Brüssel. Seit 2014 berichtet Bruderer aus Osteuropa. Er hat Philosophie und Geschichte studiert.

Und sie lässt nicht alle ihre Pläne fallen. Um die überfüllten Gefängnisse zu entlasten, will die Regierung weiterhin viele Häftlinge begnadigen. Ursprünglich wollte sie das mit einer auf ihre korrupten Freunde massgeschneiderten Eilverordnung tun. Jetzt geht ein Gesetzesentwurf ins Parlament.

Und der sei ganz in Ordnung, sagt Laura Stefan. «Doch die Frage ist, ob der Entwurf im Parlament so bestehen bleibt», so Stefan. «Ich glaube nicht. Weil die Regierungspartei gerade bewiesen hat, dass sie zu allem fähig ist.»

Wichtiger Sieg

Für Laura Stefan ist dies das Kernproblem der rumänischen Politik: «Der Vertrauensverlust. Man kann kein Land regieren, wenn die Bevölkerung sich vor jeder Regierungssitzung fürchten muss.» Der heutige Sieg sei darum sehr wichtig. «Wären sie diesmal durchgekommen, hätten sie morgen etwas Nächstes zerstören können», so Stefan.

Das wissen auch die Demonstranten. «Die Schlacht ist gewonnen, der Krieg noch nicht», meint einer. «Doch so fängt es an und so wird es eines Tages enden.» Ein junger Mann beschreibt das grosse Ziel ganz bescheiden: «Wir brauchen nichts. Nur Normalität, ohne Korruption, ohne Diebstahl.»

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