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«Der Verassungsschutz geht von über 15'000 gewaltbereiten Rechtsextremen aus»
Aus SRF 4 News aktuell vom 21.02.2020.
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Rechtsterror in Deutschland «Es geht darum, flächendeckend Angst und Schrecken zu verbreiten»

Was kann man tun, um Anschläge wie jenen in Hanau zu verhindern? Der mutmassliche Attentäter, der zehn Menschen und schliesslich sich selbst tötete, hatte laut dem Generalbundesanwalt eine «zutiefst rassistische Gesinnung». Politologe Timo Reinfrank über die Gefahren des Rechtsterrors und den «fehlenden» Willen der Behörden, dagegen vorzugehen.

Timo Reinfrank

Timo Reinfrank

Politik- und Sozialwissenschaftler

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Er ist Geschäftsführer der deutschen Amadeu Antonio Stiftung. Diese setzt sich gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus ein.

SRF News: Wie schätzen Sie den Anschlag in Hanau ein?

Timo Reinfrank: Aus unserer Sicht ist es eindeutig eine rechtsterroristische Tat mit einem rassistischen Hintergrund. Wir haben uns das Manifest des Täters sehr genau angeschaut: Er ist offensichtlich psychisch krank und hochgradig paranoid. Er hat sich höchstwahrscheinlich schon vor längerer Zeit radikalisiert. Im Manifest des Täters findet man die ganzen Diskurse der Rechtsextremen- und Rechtsalternativen Szene der letzten Jahre wieder. Es geht nicht nur um Hass auf Migranten und Einwanderer, sondern auch um Hass auf Frauen.

Tatort in Hanau.
Legende: Tim Reinfrank über die Tat in Hanau: «Es geht darum, in Deutschland flächendeckend Angst Schrecken zu verbreiten; nicht nur gegen Minderheiten, sondern gegen alle, die sich für die Demokratie in Deutschland einsetzen.» Keystone

Man hat den Eindruck, dass sich solche Anschläge wie in Hanau häufen. Stimmen Sie dieser Aussage zu?

Um es zynisch zu sagen: Es war nur eine Frage der Zeit, bis die Hetze und der Hass in den sozialen Netzwerken auch zu Taten führen. Seit 2014 gibt es in Deutschland die höchsten Werte für politisch motivierte Kriminalität im rechten Bereich. Dass sich diese Welle nicht nur gegen Asylsuchende, Flüchtlinge und Migranten richtet, sondern im Fall des hessischen Politikers Walter Lübcke auch gegen bekannte Politiker, unterstreicht die Entwicklung. Es geht darum, in Deutschland flächendeckend Angst und Schrecken zu verbreiten; nicht nur gegen Minderheiten, sondern gegen alle, die sich für die Demokratie einsetzen.

Sie sprechen von Parallelwelten wie den sozialen Medien, in denen sich solche Personen bewegen. Welchen Einfluss hat das Aufkommen der rechten AfD in diesem ganzen Diskurs?

Die AfD gibt den Diskussionsrahmen vor. Es gibt nahezu keine Stellungnahme der AfD ohne den Hinweis auf das deutsche Volk, auf das Geld der deutschen Steuerzahler und wer dieses auf welche Art und Weise missbrauche. Es gibt eine sehr lautstarke Minderheit, die geschickt den Eindruck vermitteln kann, dass viele Menschen hinter ihnen stehen würden.

Der Verfassungsschutz geht von über 15'000 gewaltbereiten Rechtsextremem aus.

In den sozialen Netzwerken haben wir ausserdem keine adäquate Deradikalisierungs- und Präventionsarbeit sowie wenig Opferschutz. In den letzten Jahren gab es jeweils wenig Strafverfolgung. Die sozialen Netzwerke sprechen in der aktuellen Diskussion von über einer halben Million strafrechtlich relevanten Taten – bei den Gerichten angekommen sind aber nur wenige Tausend. Diese fehlende Strafverfolgung hat das Gefühl entstehen lassen, dass man alles sagen und ungehindert hetzen kann.

Stichwort fehlende Strafverfolgung: Wer ist in diesem Bereich gefordert?

Wir haben aktuell sehr viel Geld und Personal für die Sicherheitsbehörden bereitgestellt. Aus meiner Sicht fehlt es nach wie vor am Willen innerhalb der Behörde, weniger bei den politischen Leitungen. Ausserdem fehlt es an Professionalität. Die Justiz ist bereits jetzt vollkommen überlastet, die durch die Strafverschärfungen noch zunehmen wird. Wir brauchen einen Fokus auf die Gefährder, was laut dem Bundeskriminalamt aber erst 2022 umgesetzt wird. Wir haben in Deutschland im Moment «nur» knapp über 50 rechtsextreme Gefährder, obwohl der Verfassungsschutz von über 15'000 gewaltbereiten Rechtsextremen ausgeht.

Das Gespräch führte Roger Aebli.

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