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«Donald Trump ist beratungsressistent»
Aus SRF 4 News aktuell vom 07.12.2017.
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Tabubruch in Washington «Donald Trump ist beratungsresistent»

Volker Perthes

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Der deutsche Politikwissenschaftler ist seit 2005 Direktor der Stiftung Wissenschaft und Politik.

SRF News: Volker Perthes, was ging Ihnen bei der Rede von Präsident Trump zur Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt Israels durch den Kopf?

Erstens, dass er wirklich beratungsresistent ist. Viele seiner aussenpolitischen Berater, der Aussenminister und der Verteidigungsminister haben ihm von dieser Entscheidung abgeraten. Zweitens, dass er Aussenpolitik als eine Politik für seine wichtigsten Wahlkampfunterstützer und nicht mit Blick auf die internationale Gemeinschaft oder die internationalen Beziehungen der USA oder gar mit Blick auf die internationalen Folgen seiner Entscheidungen macht.

Donald Trump sagte die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt sei ein neuer Lösungsansatz im Konflikt zwischen Israel und Palästina. Ist es das?

Die Reaktion der Schweiz

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Die Schweiz hat auf den Entscheid der USA reagiert, Jerusalem als Hauptstadt anzuerkennen. Dieser Schritt sei ein «Hindernis für einen gerechten und dauerhaften Frieden zwischen Israelis und Palästinensern auf der Grundlage einer ausgehandelten Zwei-Staaten-Lösung», so das EDA. Bis zu einer solchen Lösung bleibe die Schweizer Botschaft in Tel Aviv.

Er hat aber nicht gesagt, wie diese Lösung aussehen sollte. Er hat auch keine Parameter angegeben, an denen sich die Konfliktparteien im Nahen Osten orientieren könnten. Er hat gesagt, es sei eine Anerkennung der Realität. Das ist insofern richtig, als Israel seit fast 70 Jahren seinen Regierungssitz und sein Parlament in West-Jerusalem hat. Die internationale Gemeinschaft, wenn sie Kontakte nach Israel hat, geht in diese Institutionen. Das heisst, die De-facto-Realität, dass das israelische Hauptstadtleben sich in Jerusalem abspielt, wird anerkannt. Gleichwohl ist aber der Status Ganz-Jerusalems ungeklärt. Und alle, die bislang für Frieden im Nahen Osten eingetreten sind, sagen, man müsse die Rechte beider Völker respektieren. Sinnvollerweise wird die Entscheidung, ob Jerusalem die Hauptstadt eines, zweier oder keines Staates wird, über einen Friedensvertrag geregelt werden.

Trump ist von der Uno, der EU, sogar vom Papst gewarnt worden. Weshalb macht er es trotzdem?

Er neigt tatsächlich dazu, das zu tun, was ihm möglicherweise wenige Bekannte oder Unterstützer einreden. Dazu gehören auch grosse Financiers seiner Wahlkampagne, dazu gehört seine Basis bei den evangelikalen Christen, zu denen auch sein Vizepräsident gehört. Und Trump hat Spass daran – so scheint es jedenfalls – sich als Tabubrecher darzustellen. Das hat er hier auch wieder gemacht, aber ohne dass ein neuer Ansatz klar geworden wäre. Er sagt, er werde weiterhin daran arbeiten, dass es ein fantastisches Abkommen für Israeli und Palästinenser gibt. Er hat auch gesagt, dass seine jetzige Entscheidung keine Vorentscheidung zum Endstatus sei. Nur kommt das politisch in der Region nicht an.

Wer profitiert denn am meisten von dieser Nahost-Politik?

Ich bin gar nicht sicher, dass irgendjemand wirklich davon profitiert. Der israelische Ministerpräsident Netanjahu hat sich zwar erfreut gezeigt, aber es wäre für Israel auch sehr viel besser, wenn seine Hauptstadtrechte über einen Friedensvertrag mit den Palästinensern und idealerweise mit dem Rest der arabischen Welt anerkannt würden und nicht durch eine einseitige Entscheidung Israels selbst, die von einem US-Präsidenten unterstützt wird. Eine Anerkennung aus der Region heraus würde sehr viel mehr Legitimität für Israel schaffen. Verlierer sind Mahmud Abbas und seine palästinensische Führungselite. Ob die radikalislamische Hamas profitiert, bleibt abzuwarten. Zurzeit sieht es so aus, als würden eher diejenigen profitieren, die die nationale Agenda Palästinas mit religiösen Motiven unterlegen – und dazu gehört die Hamas. Sie profitieren in gewisser Weise von der Eskalation.

Ist die Anerkennung Jerusalems als Hauptstadt für Israel wie ein vergiftetes Geschenk? Steigt die Bedrohung?

Ich denke schon, dass es Auseinandersetzungen geben wird. Proteste wird es nicht nur in den Palästinensergebieten oder an den Checkpoints geben, sondern möglicherweise auch in Nachbarstaaten wie Jordanien oder Ägypten. Aber ob das zu einer grossen Bedrohung werden wird, weiss ich nicht. Das hängt auch von der politischen Klugheit aller Beteiligten ab.

Palästinenserpräsident Abbas sagte, die USA könne nach diesem Entscheid keine Rolle mehr als Vermittler zwischen den Konfliktparteien spielen. Teilen Sie diese Einschätzung?

Das ist erstmal ein politisches Statement an die Basis von Mahmud Abbas. Letztlich werden die Palästinenser und auch die Israelis nicht an den USA vorbeikommen, wenn sie einen Vermittler für ein Friedensabkommen haben wollen. Theoretisch wäre es möglich, ohne internationalen Vermittler ein Friedensabkommen zu erreichen.

Insofern wird es früher oder später wieder die Verhandlungshilfe eines US-Präsidenten brauchen. Ich denke nicht, dass das Donald Trump sein wird.

Dafür hat es mal Ansätze gegeben, als Israelis und Palästinenser selber die Oslo-Abkommen vorbereitet haben. Aber zurzeit sieht es nicht so aus. Insofern wird es früher oder später wieder die Verhandlungshilfe eines US-Präsidenten brauchen. Ich denke nicht, dass das Donald Trump sein wird.

Trump hat damit ein Tabu gebrochen und eine historische Wende in der Aussenpolitik eingeleitet. Wie geht’s jetzt weiter?

Nun, es geht überhaupt nicht weiter. Wir werden eine weitere Stagnation in der Beziehung zwischen Israelis und Palästinensern erleben.

Das Gespräch führte Christina Scheidegger.

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